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Neue Wege in der Therapie der Alopecia areata
Jatros
30
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15.03.2018
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<p class="article-intro">Alopecia areata ist eine Autoimmunerkrankung. Insofern ist ein Ansprechen auf Medikamente, die sich bei anderen Autoimmunerkrankungen bewährt haben, nicht verwunderlich. Untersucht werden gegenwärtig JAK-Inhibitoren, die möglicherweise in Form von topischen Formulierungen appliziert werden können.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Alopecia areata präsentiert sich mit vielfältigem Bild und sehr unterschiedlichen Verläufen. Die Erkrankung beginnt meist mit einem 12cm großen haarlosen Fleck, unter Umständen begleitet von einem diskreten Jucken der Haut. In der Folge können multiple haarlose Patches auftreten oder es kann zu weitergehendem Haarausfall kommen – in Extremfällen sogar zum Ausfallen der gesamten Körperbehaarung (Alopecia universalis). Nach aktuellem Wissenstand handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit Infiltration von Entzündungszellen in das intrafollikuläre und perifollikuläre Gewebe. „Bei Alopecia areata geht das Immunprivileg des Haarfollikels verloren“, sagt Prof. Dr. Angela Christiano von der Columbia University in New York. Dabei kommt es zur Expression von MHC-Klasse- 1-Molekülen (MHC, „major histocompatibility complex“), die T-Zellen-Autoantigene aus den Haarfollikeln präsentieren. Zusätzlich kommt es zu einer Reihe sogenannter sekundärer Autoimmun-Events, die den Angriff des Immunsystems auf die Haarfollikel verstärken.</p> <h2>Alarmsignal aktiviert das Immunsystem</h2> <p>Genetische Faktoren scheinen am Entstehen der Erkrankung beteiligt zu sein, allerdings gibt es keinen klar erkennbaren Erbgang. „Genomwide Association Studies“ (GWAS) zeigen eine Reihe von Genen, die in Zusammenhang mit Alopecia areata stehen. Dabei ergeben sich Überlappungen mit anderen Autoimmunerkrankungen, namentlich Typ-1-Diabetes, rheumatoide Arthritis und Zöliakie, entgegen früheren Hypothesen jedoch nicht mit Psoriasis. Mutationen an einigen Genen sind spezifisch für die Alopecia areata und nicht an anderen Erkrankungen beteiligt. Diese Gene stehen in Zusammenhang mit dem Transmembran-Protein NKG2D, das von verschiedenen Zellen des Immunsystems, insbesondere von NKZellen, exprimiert wird. Die Expression von NK-Liganden in den Zielorganen dürfte bei unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen von Bedeutung sein. Der NKG2D-Signalweg entspricht einem Alarmsignal und aktiviert das Immunsystem. Christiano: „Die fehlgeleitete Expression von Killerzell-aktivierenden Liganden könnte bei Personen mit genetischer Disposition die Erkrankung auslösen oder verschlimmern.“<br /> Tatsächlich steht bei der Alopecia areata die Expression des Liganden von NKG2D in Zusammenhang mit dem sogenannten „Bienenschwarm“, einer typischen Anordnung von Infiltraten um den Follikel. Es handelt sich in erster Linie um T-Lymphozyten („CD8 killer T-cells“), die von einigen Makrophagen, Langerhans- Zellen und Granulozyten begleitet werden. Versuche im Tiermodell zeigen, dass sowohl NKG2D als auch CD8 auf T-Zellen exprimiert werden müssen, damit sich eine Alopecia areata entwickeln kann. Im Tiermodell ist es mittlerweile auch gelungen, durch Blockade relevanter Zytokine den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern.<br /> Der Einsatz von Biologika bei Alopecia areata ist jedoch zweifelhaft, da die Patienten vom Haarausfall abgesehen gesund sind und daher die potenziellen Risiken einer Biologika-Therapie einem vor allem kosmetischen Behandlungserfolg gegenüberstünden. Christiano: „Die Frage war also, ob wir andere, nach Möglichkeit intrazelluläre Ziele für unsere Therapie finden. Daher richteten wir unser Interesse auf die JAK-Inhibitoren.“ JAK-Inhibitoren sind gegen eine Gruppe sogenannter Kinasen gerichtet. Das sind Signalmoleküle, die das Signal, das entsteht, wenn proinflammatorische Zytokine an ihren Rezeptoren andocken, intrazellulär weiterleiten. Diese Signaltransduktion führt weiter zu einer Modulierung der Genexpression. Zytokin-Rezeptoren benötigen die Kinasen JAK1 und JAK2 (bzw. JAK3), da sie selbst keine Enzymaktivität besitzen. Die intrazelluläre Signalkaskade läuft über die gegenseitige Phosphorylierung der JAK, die in einem nächsten Schritt sogenannte STAT-Proteine („signal transducer and activator of transcription“) phosphorylieren, die im Zellkern die Transkription spezifischer Zielgene stimulieren. Das gesamte System wird als JAK-STAT-Signalweg bezeichnet.</p> <h2>JAK-STAT-Inhibition gegen den Haarausfall</h2> <p>JAK-STAT ist für die Weiterleitung der Signale unterschiedlicher Zytokin-Rezeptoren verantwortlich. Im Zusammenhang mit der Alopecia areata sind vor allem die Rezeptoren von IL-15 an den CD8-positiven T-Zellen sowie IFN-γ an den Zielzellen von Interesse. Die Signalweiterleitung vom IL-15-Rezeptor erfolgt über die Kinasen JAK1 und JAK3, vom IFN-γ-Rezeptor über JAK1 und JAK2. Die gegenwärtig in der Rheumatologie verfügbaren JAK-Inhibitoren sind unterschiedlich selektiv für die verschiedenen JAK und damit in gewissem (wenn auch eingeschränktem) Maß spezifisch wirksam. Tofacitinib ist ein JAK1/JAK3-Inhibitor, wirkt aber durchaus auch auf JAK2. Baricitinib hat JAK1/JAK2 als Ziel und hemmt in sehr viel geringerem Maß auch JAK3 sowie die Tyrosinkinase 2 (TYK2).<br /> In präklinischen Studien zur Alopecia areata wurden das aus der Rheumatologie bekannte Tofacitinib sowie der bei hämatologischen Indikationen zugelassene JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib in systemischer Applikation untersucht. Tatsächlich konnten im Tiermodell mit Tofacitinib eine sehr effektive Prävention von Alopecia areata sowie eine Normalisierung entzündlicher Infiltrate um die Haarfollikel erreicht werden. Allerdings ist eine systemische Anwendung bei einer benignen dermatologischen Indikation aus den zuvor genannten Gründen nicht wünschenswert, da JAK-Inhibitoren ein ähnliches Sicherheitsprofil aufweisen wie Biologika. Eine gute Alternative wäre die topische Anwendung. Diese hat sich im Tiermodell ebenfalls bewährt. Und zwar nicht nur in der Prävention von Alopecia areata, sondern auch in der Behandlung einer länger bestehenden Erkrankung. Bei behandelten Alopezie-Mäusen wuchs das Fell innerhalb von sieben Wochen praktisch vollständig nach. Die topische Anwendung von Tofacitinib oder Ruxolitinib führte bei den Mäusen zu keiner systemischen Exposition und stabilen Behandlungserfolgen.</p> <h2>Auf der Suche nach einem geeigneten Studienendpunkt</h2> <p>Für die Evaluation dieser Therapien beim Menschen werden nicht zuletzt auch geeignete Endpunkte benötigt, die eine reproduzierbare Quantifizierung des Behandlungserfolges ermöglichen. Eigens für diesen Zweck wurde der „Alopecia Areata Disease Activity Index“ (ALADIN) entwickelt. Angesichts der großen psychischen Belastung, die die Alopecia areata für die Betroffenen mit sich bringt, sollten auch „patient-reported outcomes“ (PRO) mit hohem Stellenwert einbezogen werden. Allerdings galt und gilt es, diese PRO im Kontext der Alopecia areata zu definieren. Der Index setzt sich nun aus unterschiedlichen Elementen zusammen und wird im Zusammenhang mit den laufenden Studien bei der Indikation Alopecia areata weiterentwickelt. Die Komponenten sind Lebensqualität („health-related quality of life“), Haarverlust („physicianreported hair loss assessments“), klinische Parameter, ein genetischer Risikoscore, Genexpressionsanalyse und Serum-Biomarker. ALADIN soll ein einzelner Index sein, mit dem sich die Krankheitsaktivität bei Alopecia areata quantifizieren lässt. Damit soll auch die Vergleichbarkeit von Studienergebnissen in unterschiedlichen Zentren gewährleistet werden.<br /> Auch Studiendaten von Menschen sind mittlerweile verfügbar. So zeigte eine offene Pilotstudie mit oralem Ruxolitinib bei 9 von 12 Patienten gutes Ansprechen über drei Monate,<sup>3</sup> bei überraschend niedrigen Nebenwirkungsraten. Auch Normalisierungen der Biomarker wurden beobachtet. Allerdings kam es nach dem Absetzen des Medikaments bei der Mehrzahl der Patienten zu Rezidiven der Alopecia areata. Bei manchen Patienten waren die Rezidive schwerer als die Erkrankung vor der Studie. Die Non-Responder fielen von Anfang an durch ein abweichendes Krankheitsbild auf. Möglicherweise liegt hier ein bislang nicht beschriebener Subtyp der Erkrankung vor. Eine ähnliche Studie wurde mit Tofacitinib durchgeführt. Die Ergebnisse sind noch nicht publiziert und, so Christiano, ebenfalls positiv, wobei Tofacitinib höhere Dosierungen und längere Behandlungsdauer erfordert. Auch in der Tofacitinib- Studie gab es Non-Responder, bei denen keinerlei Ansprechen auf den JAKInhibitor gefunden wurde. Auch erste kleine und offene Studien mit topisch anwendbarem Ruxolitinib haben mittlerweile begonnen. Hinzu kommt, so Christiano, eine wachsende Zahl von Einzelfallberichten mit gutem Ansprechen auf „off label“ eingesetzte JAK-Inhibitoren.<br /> Möglicherweise zeichnen sich jedoch bereits andere therapeutische Ansätze am Horizont ab. So fanden Christiano und ihre Kollegen im Tiermodell Hinweise auf eine Beteiligung des Mikrobioms an der Entstehung der Alopecia areata. Bei Mäusen mit entsprechender genetischer Disposition kann der Ausbruch der Erkrankung durch orale Antibiotikagabe verhindert werden. Dies ist mit Veränderungen im Darmmikrobiom der Tiere assoziiert. Mittlerweile gibt es auch Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Alopecia areata beim Menschen. Bei zwei Patienten mit Alopecia areata, die sich wegen einer chronischen Infektion mit C. difficile einer Stuhltransplantation unterziehen mussten, wuchsen die Haare nach der Prozedur vollständig nach.<sup>4</sup></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie
und Venerologie, 30. November bis 2. Dezember
2017, Salzburg
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Xing L et al.: Alopecia areata is driven by cytotoxic T lymphocytes and is reversed by JAK inhibition. Nat Med 2014; 20(9): 1043-9 <strong>2</strong> Jabbari A et al.: Molecular signatures define alopecia areata subtypes and transcriptional biomarkers. EBioMedicine 2016; 7: 240-7 <strong>3</strong> Mackay-Wiggan J et al.: Oral ruxolitinib induces hair regrowth in patients with moderate-to-severe alopecia areata. JCI Insight 2016; 1(15): e89790 <strong>4</strong> Rebello D et al.: Hair growth in two alopecia patients after fecal microbiota transplant. ACG Case Rep J 2017 Sep 13; 4: e107</p>
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