Viruswarzen im Kindesalter
Autoren:
Dr. Marcus Lisy
Nikolaus Urban
Assoc. Prof. PD Dr. Alessandra Handisurya
Korrespondierende Autorin:
Assoc. Prof. PD Dr. Alessandra Handisurya
Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Dermatologie, Wien
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Unter Kindern sind Viruswarzen besonders häufig. Je nach Virusart entstehen sie in unterschiedlichen Körperregionen. Da die Rate spontaner Abheilungen relativ hoch ist, kann zunächst abwartend vorgegangen werden. Im Bedarfsfall steht aber eine Reihe an Therapieoptionen zur Verfügung.
Keypoints
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Aufgrund der hohen Spontanabheilungsrate der Viruswarzen ist ein abwartendes Vorgehen („watch and wait“) bei der Behandlung zulässig.
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Kondylome im Anogenitalbereich bei Kindern sind nicht zwingend mit sexuellem Missbrauch verbunden, dieser muss aber prinzipiell in Betracht gezogen werden.
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Bei Bedarf stehen unterschiedliche Therapieoptionen mit relativ gleichwertigen Heilungs- und Rezidivraten zur Verfügung.
Viruswarzen, wie Verrucae vulgares und Dellwarzen, sind bei Kindern weit verbreitet. Diese benignen epithelialen Hyperplasien werden durch eine Infektion der Haut oder Schleimhaut mit verschiedenen Vertretern humaner Papillomviren oder mit dem Molluscum-contagiosum-Virus verursacht.
Humane Papillomviren (HPV)
HPV sind unbehüllte, doppelsträngige DNA-Tumorviren (Abb. 1A) aus der Familie der Papillomaviridae. Bislang wurden etwa 230 unterschiedliche Genotypen identifiziert. HPV infizieren mehrschichtiges Plattenepithel der Haut und Schleimhaut und können gemäß ihres Zelltropismus in kutane und mukosale Typen unterteilt werden, wobei Letztere entsprechend ihrem karzinogenen Potential weiter in Hoch- und Niedrigrisiko-Typen eingeteilt werden.
Abb. 1: (A) Elektronenmikroskopische Aufnahme humaner Papillomviren. (B) Verrucae palmares. (C) Verrucae filiformes. (D) Verrucae planae im Bereich der Stirn/Schläfe. (E) Orale Papillome an der buccalen Mundschleimhaut. (F–H) Anogenitale Condylomata acuminata. (I) Mollusca contagiosa. (J) Detailaufnahme mehrerer Mollusken
Die Übertragung der Viren erfolgt zumeist durch direkten Haut- oder Schleimhautkontakt, teils auch durch Autoinokulation.1 Zudem können kutane HPV über unbelebte Vektoren, wie Fußböden, und orale HPV-Infektionen perinatal erworben werden.1,2 Bei Kindern kann sexueller Kontakt ursächlich für anogenitale Papillome sein, wobei das Vorliegen der Läsionen allein nicht beweisend für sexuellen Missbrauch ist. In der Vielzahl der Fälle werden die zugrunde liegenden Infektionen durch einen nicht missbräuchlichen, engen Kontakt innerhalb der Familie oder durch Autoinokulation mit kutanen HPV-Typen übertragen.3
Extragenitale kutane Warzen
Die Prävalenz extragenitaler kutaner Warzen wird bei Kindern im Alter von 4–12 Jahren mit etwa 33% angegeben.4 Begünstigende Faktoren stellen eine Immundefizienz oder lokale Faktoren, wie eine Hyperhidrose, dar. Kutane HPV-Typen, wie HPV 1, 2, 4, 27 und 57 (Tab. 1), verursachen gewöhnliche Warzen der Haut (Verrucae vulgares), insbesondere an Händen (Verrucae palmares; Abb. 1B) und Füßen (Verrucae plantares). Plantarwarzen können bedingt durch den kontinuierlichen Druck ein endophytisches (Dornwarzen) oder beetartig konfluierendes Wachstumsmuster (Mosaikwarzen) zeigen. Im Gesichts- und Halsbereich imponieren Warzen oft filiform (Abb. 1C). Verrucae planae (Abb. 1D) werden vorwiegend durch die kutanen HPV-Typen 3 und 10 (Tab. 1) verursacht und sind vor allem im Gesicht sowie an Händen und Unterarmen lokalisiert.
Tab. 1: Krankheitsbilder und assoziierte HPV-Typen
Ausgedehnte und therapieresistente Warzen im Kindesalter können hinweisend für sehr seltene genetische Syndrome mit primärer Immundefizienz sein. So finden sich ausgedehnte, disseminierte, kutane und anogenitale Warzen beim WHIM-Syndrom (WHIM – Akronym für Warzen, Hypogammaglobulinämie, Infektionen und Myelokathexis) sowie beim WILD-Syndrom (WILD – Warzen, Immundefizienz, Lymphödem und anogenitale Dysplasien).5,6 Die autosomal-rezessive Epidermodysplasia verruciformis ist durch eine hohe Empfänglichkeit gegenüber bestimmten kutanen HPV-Typen, wie 5 und 8, nicht jedoch gegenüber mukosalen HPV gekennzeichnet.7 Die Betroffenen entwickeln bedingt durch die Virusinfektion bereits im Kindesalter Pityriasis-versicolor-ähnliche Läsionen und flache Warzen, im mittleren Erwachsenenalter Plattenepithelkarzinome an sonnenexponierter Haut.
Ein intaktes zelluläres Immunsystem ist dagegen häufig in der Lage, die HPV-Infektion zu eliminieren. So zeigen kutane Warzen bei Kindern eine hohe spontane Abheilungsrate. In etwa 50% der Fälle wird eine spontane Remission innerhalb von einem und in 65% innerhalb von zwei Jahren beobachtet.8,9 Ein „Watch and wait“-Zugang bei der Behandlung ist daher durchaus zulässig. Indiziert ist eine Therapie bei Schmerzen, Funktionseinschränkungen, ausgedehntem Befall, Immunsuppression oder auf Patientenwunsch.10
Für die Therapie kutaner Warzen bei Kindern stehen unterschiedliche Optionen zur Verfügung, die allerdings laut aktueller Studienlage hinsichtlich ihrer Effizienz relativ gleichwertig sind.11,12 Daher gibt es bei Kindern bis dato keinen Konsens über die sicherste und effizienteste Therapie.13 Derzeit existiert keine spezifische antivirale Therapie gegen HPV. Die verfügbaren Möglichkeiten zielen meist auf eine Destruktion oder Entfernung sichtbarer Läsionen oder eine zytotoxische Schädigung infizierter Zellen ab. Da die meisten HPV-Infektionen selbstlimitierend sind, sollte keine Therapie Narben oder Strikturen verursachen. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Therapieoptionen, wobei auch Verfahren dargestellt sind, die lediglich in Fallberichten angewendet wurden. Soweit vorhanden, sind auch die Ansprechraten aus prospektiven und retrospektiven Studien bei Kindern unter 18 Jahren angeführt.
Tab. 2: Therapieoptionen bei extragenitalen kutanen Warzen
Orale und laryngeale Papillome
Oropharyngeale HPV-Infektionen können subklinisch verlaufen oder Papillome induzieren. Meist werden mukosale Niedrigrisiko-HPV 6 oder 11, seltener auch mukosale Hochrisiko-HPV 16 nachgewiesen (Tab. 1). Die Prävalenz einer oralen HPV-Infektion wurde in einer Studie mit über 1200 Kindern im Alter von 2 Wochen bis 20 Jahren mit ca. 2% beziffert.14 Die orale HPV-Infektion zeigt zwei Inzidenzgipfel, nämlich bei Kindern unter einem Jahr sowie zwischen 13 und 20 Jahren.15 Der Peak im Säuglingsalter ist wahrscheinlich auf eine Übertragung intra partum zurückzuführen. So wurde gezeigt, dass das Risiko für eine orale HPV-Infektion bei Neugeborenen von Müttern, in deren Zervikalschleimhaut HPV-DNA nachgewiesen wurde, um 33% höher ist als bei Neugeborenen HPV-negativer Mütter.2,16 Orale Papillome (Abb. 1E) stellen mit 7,5% die häufigsten epithelialen Tumoren der oralen Mukosa bei Kindern dar.2 Eine seltene Erkrankung ist die Larynxpapillomatose, verursacht durch HPV 6 oder 11, die durch ausgedehnte Papillome die Atmung erheblich behindern kann. Initiale Symptome sind Stimmveränderungen, Heiserkeit und Stridor. Prädilektionsstellen sind die Stimmbänder, wobei auch Trachea, Lunge, Nase oder Mundhöhle betroffen sein können.
Die Therapieoptionen bei oralen und laryngealen Papillomen umfassen vorwiegend lokal destruktive Verfahren, wie die Kryotherapie, Lasertherapie oder die elektrokautische bzw. chirurgische Entfernung sichtbarer Läsionen. Die Therapie der Larynxpapillomatose gestaltet sich aufgrund der hohen Rezidivraten meist schwierig.
Anogenitale Papillome
In diesen Läsionen finden sich in 50–60% der Fälle mukosale Niedrigrisiko-HPV 6 und 11, seltener, in 4–26% Hochrisiko-HPV 16 und 18. In 12–67% der Fälle sind auch kutane HPV-Typen 2, 27 und 57 in den Papillomen nachweisbar (Tabelle 1). Die Datenlage zur Prävalenz anogenitaler Warzen bei Kindern ist variabel und stark abhängig von der untersuchten Patientenpopulation. Eine Studie zeigt bei 5- bis 6-jährigen Vorschulkindern, bei denen kein sexueller Missbrauch vermutet wurde, eine Inzidenz von 1,8%.17 Die in der Literatur angegebenen Missbrauchsraten bei Kindern mit anogenitalen Kondylomen sind ähnlich variabel. In einer Metaanalyse, die rund 700 Kinder bis zu 12 Jahren mit anogenitalen Kondylomen umfasst, konnte ein Missbrauch in 8% vermutet und in 12% bestätigt werden.18 Mädchen waren hier doppelt so häufig betroffen wie Knaben. Zudem stieg mit zunehmendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit für einen sexuellen Missbrauch.18
Die Beweisführung eines sexuellen Missbrauchs ist schwierig und oft nicht möglich. Allein der Nachweis des gleichen HPV-Typs beim Kind und der vermuteten Täterperson ist nicht beweisend für einen sexuellen Missbrauch oder für den Übertragungsweg. Eindeutige Beweise sind jedoch akute anogenitale Verletzungen ohne vorangegangenes Trauma, bestimmte sexuell übertragbare Infektionen, wie Gonorrhoe, Syphilis, HIV (nach Ausschluss einer perinatalen Transmission), Infektionen mit Trichomonaden (nach dem 1. Lebensjahr) oder mit Chlamydia trachomatis (nach dem 3. Lebensjahr), der Nachweis von Spermien sowie eine Schwangerschaft beim Kind.
Anogenitale Kondylome zeigen wie kutane Warzen eine hohe spontane Abheilungstendenz. Therapieoptionen stellen die Kryotherapie, die chirurgische Abtragung mit Schere, Skalpell, oder Elektrokauter, die Kürettage, die Lasertherapie oder die Lokaltherapie mit Imiquimod dar.19 Podophyllotoxin oder Sinecatechine können im Off-Label-Use angewendet werden.
Molluscum-contagiosum-Virus
Infektionen mit dem Molluscum-contagiosum-Virus verursachen Dellwarzen, eine der 50 häufigsten Erkrankungen weltweit. Die jährliche Inzidenz bei Kindern wird mit 2–10% beziffert.20 Die Übertragung erfolgt über direkten Kontakt, über unbelebte Gegenstände, wie Handtücher und Badeschwämme, oder durch Autoinokulation. Zudem existieren einige wenige Fallberichte über vertikale Transmissionen. Prädisponierende Faktoren stellen Immundefizienz oder eine atopische Dermatitis dar. Dellwarzen können überall am Körper vorkommen. Bei Kindern treten sie bevorzugt an Gesicht, Rumpf, Extremitäten und im Genitalbereich, in seltenen Fällen an den Handflächen und Fußsohlen auf. Mollusken sind benigne und selbstlimitiert, eine spontane Abheilung ist meist innerhalb von 6–12 Monaten zu erwarten,21 weswegen auch hier ein abwartendes Verhalten zulässig ist. Im Falle einer Therapienotwendigkeit stehen unterschiedliche Optionen zur Verfügung (siehe Tabelle 3), obwohl gegenwärtig keine evidenzbasierte Therapieempfehlung der 1. Wahl existiert.22–24
Tab. 3: Therapieoptionen bei Dellwarzen
Warzen im Kindesalter sind sehr häufig und benigne. Aufgrund der hohen spontanen Abheilungstendenz ist ein abwartendes Vorgehen bei der Behandlung durchaus zulässig und Sequelae sollten unbedingt vermieden werden. Für die Behandlung bei Kindern steht eine Vielzahl an relativ gleichwertigen Optionen zur Verfügung, allerdings gibt es bislang keinen Konsens über die sicherste und effektivste Therapieoption.
Literatur:
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