
Antidiabetika: in Klassen denken
Bericht:
Claudia Benetti,
Medizinjournalistin
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Für die Behandlung des nicht insulinpflichtigen Diabetes stehen immer mehr blutzuckersenkende Therapien zur Verfügung (Tab. 1). Prof. Dr. med. Peter Wiesli, Chefarzt Innere Medizin, Kantonsspital Frauenfeld, gab am FOMF Diabetes Update Refresher eine Übersicht über die aktuellen Antidiabetika. Sein Tipp: «Denken Sie in Medikamentenklassen.»
Metformin
Die erste medikamentöse Therapie bei einem neu diagnostizierten Diabetes mellitus Typ 2 ist Metformin. Haupteffekt ist die Hemmung der Glukoneogenese und der Glykogenolyse in der Leber. Metformin ist generell ein unproblematischer Wirkstoff. Das Hauptproblem ist die gastrointestinale Verträglichkeit, weshalb das Medikament zusammen mit dem Essen eingenommen und die Behandlung in niedriger Dosis gestartet werden sollte. Ein weiterer Nachteil ist die Grösse der Tablette, die bei der Metformin-Fixkombination mit einem DPP-4-Inhibitor (DPP-4-I) oder einem SGLT2-Inhibitor (SGLT2-I) noch grösser ist. «Die Kombinationstabletten sind jedoch besser verträglich und müssen nur einmal täglich geschluckt werden», sagte Wiesli.
«Um keine Laktatazidose zu riskieren, müssen die Patienten die ‹Sick Day Rules› kennen: Metformin muss gestoppt werden bei Erbrechen, Diarrhö, akutem Nierenversagen mit einer eGFR <30ml/min/1,73m2, schweren Erkrankungen und schwerer Herzinsuffizienz», betonte Wiesli (Tab. 2). Bei einer eGFR von 30–45 ml/min/1,73 m2 muss die Dosis halbiert werden. Und ab einer Therapiedauer von vier Jahren empfehlen EASD und KDIGO jährlich den Vitamin-B12-Spiegel zu messen und bei einer GFR <60 ml/min/1,73 m2 alle 3 bis 6 Monate das Kreatinin resp. die GFR zu bestimmen.
DPP-4-Inhibitoren
Die DPP-4-I, auch Gliptine genannt, gehören wie die GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) zu den Inkretin-basierten Therapien. «Die Vorteile der DPP-4-I sind, dass sie oral eingenommen werden, gut verträglich sind, keine Hypoglykämien und keine Gewichtszunahme verursachen und auch bei Niereninsuffizienz eingesetzt werden können», erklärte der Referent. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist – ausser bei Linagliptin – jedoch eine Dosisanpassung nötig. Da die DPP-4-I keinen zusätzlichen kardiovaskulären Benefit bringen, werden sie immer seltener verschrieben. Sie werden heute hauptsächlich noch bei Patienten mit einem BMI <28 kg/m2 als Alternative zu einem GLP-1-RA eingesetzt.
Bei einer Pankreatitis oder einem Pemphigoid müssen alle DDP-4-I und bei einer Herzinsuffizienz Saxagliptin und Alogliptin abgesetzt werden.
GLP-1-Rezeptoragonisten
Die meisten GLP-1-RA werden subkutan injiziert, von Semaglutid gibt es auch eine orale Formulierung. «Die GLP-1-RA führen zu einer Gewichtsabnahme, verursachen aber zu Beginn der Therapie und bei Dosiserhöhungen häufig gastrointestinale Nebenwirkungen (NW), die jedoch nur passager sind», so Wiesli. Die GLP-1-RA können auch bei eingeschränkter Nierenfunktion ohne Dosisanpassung eingesetzt werden, verursachen keine Hypoglykämien, senken das HbA1c stärker als die DPP-4-I und können auch mit Basalinsulin kombiniert werden. Ausserdem haben die GLP-1-RA den Zusatznutzen, dass sie nephroprotektiv wirken und das Risiko für kardiovaskuläre Endpunkte senken. «Diese Medikamente sind sehr sicher, müssen jedoch bei Erbrechen, Diarrhö, Mangelernährung und bei akuter Pankreatitis abgesetzt werden», sagte der Referent.
Für die GLP-1-RA gibt es eine Limitatio: Der BMI muss zu Beginn der Therapie >28kg/m2 liegen. Aus kardiovaskulärer Sicht ist die Kombination mit einem SGLT2-I sinnvoll, dafür muss bei der Krankenkasse aber vorab eine Kostengutsprache eingeholt werden.
SGLT2-Inhibitoren
Die SGLT2-I hemmen im proximalen Tubulus die renale Rückresorption der Glukose, was zu einer Glukosurie und einer Blutzuckersenkung und in der Folge zu einer Gewichtsabnahme und einer Reduktion des Blutdrucks führt. Die Voraussetzung dafür ist eine eGFR >45 ml/min/1,73 m2. «Die SGLT2-I verursachen keine Hypoglykämien, können mit allen Antidiabetika kombiniert werden und haben den Vorteil, dass sie das Risiko für eine Herzinsuffizienz, eine Verschlechterung der Nierenfunktion und für kardiovaskuläre Endpunkte sowie die Mortalität reduzieren», so Wiesli. Die häufigste NW ist die Genitalmykose, die in der Regel gut behandelbar ist. Selten kann eine Ketoazidose auftreten. «Die SGLT2-I wirken insulinunabhängig und können somit auch bei Diabetes mit Insulinresistenz eingesetzt werden», erläuterte der Experte.
Bei Erbrechen, Mangelernährung, Dehydratation, Stress, schweren Erkrankungen, perioperativ und während Fastenzeiten müssen die SGLT2-I wegen des Risikos für eine Ketoazidose pausiert werden. «Auf die Symptome einer Ketoazidose müssen Sie auch immer bei Beginn einer SGLT2-I-Therapie und dem Absetzen von Insulin achten», betonte Wiesli.
Sulfonylharnstoffe
Die Sulfonylharnstoffe werden heute wegen ihrer Nachteile (Hypoglykämien, Gewichtszunahme) höchstens noch als Alternative zu Basalinsulin eingesetzt. «Nicht mehr modern ist die Kombination mit Insulin», sagte Wiesli. «Andere Sulfonylharnstoffe als das Gliclazid sollten gar nicht mehr eingesetzt werden.» Sulfonylharnstoffe müssen abgesetzt werden bei Hypoglykämien, Erbrechen, Mangelernährung, Fasten und einer eGFR <30 ml/min/1,73 m2.
Quelle:
FOMF Diabetes Update Refresher, 3. bis 5. November 2022, Zürich
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