Basalinsulin bei Typ-2-Diabetes
Bericht:
Claudia Benetti
Medizinjournalistin
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Wann ist bei Diabetes mellitus Typ 2 ein Basalinsulin indiziert und wie wird die Therapie korrekt durchgeführt? Welche Insuline favorisieren die Spezialist:innen, und warum? Antworten lieferte Prof. Dr. med. Peter Wiesli, Chefarzt Innere Medizin, Kantonsspital Frauenfeld, am FOMF Diabetes Update Refresher.
Wie bei den Antidiabetika lohnt es sich auch bei den Insulinen, in Klassen zu denken. Wir unterscheiden zwischen lang und kurz wirksamen Insulinpräparaten sowie Misch- oder koformulierten Insulinen», sagte Wiesli. Zwar wirken Insuline immer gleich, sie unterscheiden sich aber darin, wie schnell oder langsam sie aus dem subkutanen Gewebe ins Blut gelangen.1 Am langsamsten aufgenommen wird Insulin Degludec, am schnellsten Insulin Aspart.1 In den SGED-Empfehlungen zur Behandlung des Typ-2-Diabetes (T2D) findet sich eine Liste aller in der Schweiz verfügbaren Insuline (www.sgedssed.ch/diabetologie/sged-empfehlungen-diabetologie).
Unterschiedliche Wirkdauer
Insulin besteht aus Hexameren, die von sechs Molekülen gebildet werden. Nach der Injektion dissoziieren die Hexamere in der Subkutis in Di- und Monomere, bevor sie aus dem Fettgewebe ins Blut aufgenommen werden. «Durch Modifikationen an einer der beiden Aminosäureketten des Insulins, meistens am Ende der B-Kette, kann die Stabilität der Hexamere verändert werden, sodass die Substanz schneller oder langsamer ins Blut gelangt», erklärte Wiesli.
Beim Insulin-Analogon Humalog zum Beispiel wird die Position der Aminosäuren Lysin und Prolin am Ende der B-Kette vertauscht. «Dies führt dazu, dass die Hexamere schlechter aneinanderhaften, nach der Applikation in der Subkutis schneller dissoziieren und schneller ins Blut übertreten. Im Gegensatz dazu bilden sich bei Insulin Degludec bereits in der Ampulle Di-Hexamere, die sich in der Subkutis zu Multi-Hexameren zusammenschliessen. Dadurch dauert es lange, bis die einzelnen Monomere absorbiert werden.
Bald eine wöchentliche Insulinapplikation?
Die Wirkung tritt bei allen Basalinsulinen etwa nach 90 Minuten ein. Die kürzeste Wirkdauer hat NPH-Insulin (Insulatard®) mit etwa einem halben Tag. Insulin Detemir (IDet, Levemir®), Insulin Glargin U100 (Gla-100, Lantus®) und das Glargin-Biosimilar (Abasaglar®) haben eine Wirkdauer von rund einem Tag. Länger als einen Tag wirken Insulin Glargin U300 (Gla-300, Toujeo®; etwa 1,5 Tage) und Degludec (IDeg, Tresiba®; rund 42 Stunden). «Ausser für Degludec gilt für alle Insuline: Je höher die Dosis, desto länger ist die Wirkdauer», sagte der Spezialist.
Bald dürften Präparate auf den Markt kommen, die noch länger wirken als die bisher verfügbaren. Das in Entwicklung stehende Insulin Icodec beispielsweise hat eine Wirkdauer von einer Woche und muss nur noch alle sieben Tage gespritzt werden. Eine Vergleichsstudie zeigte, dass Insulin Icodec einmal wöchentlich bei Patient:innen mit T2D zu einer vergleichbaren HbA1c-Reduktion führte wie einmal täglich appliziertes Gla-100. Auch punkto Sicherheit und Hypoglykämien gab es keine relevanten Unterschiede zwischen den beiden Insulinen.2
Unterschiedliche Wirkprofile
Basalinsuline unterscheiden sich aber nicht nur in ihrer Wirkdauer, sondern auch in ihrem Wirkprofil.1 So steigt nach der Injektion von NPH-Insulin der Spiegel rasch an, bildet einen deutlichen Peak und fällt danach schnell wieder ab. Bei IDet und Gla-100 fällt der Peak weniger hoch und breiter aus, die Wirkungsdauer ist länger als beim NPH-Insulin. Eine sehr flache Kurve und eine noch längere Wirkdauer zeigen Gla-300 und IDeg (Abb. 1).
Abb. 1: Lang wirksame Insulinpräparate und ihre Wirkprofile (adaptiert nach Mathieu et al., 2017)1
Vorteile der längeren Wirkdauer
Eine lange Wirkdauer und ein flaches Profil sind mit weniger Blutzucker(BZ)-Variabilität und einer geringeren Gefahr für Hypoglykämien assoziiert. So zeigte beispielsweise eine Vergleichsstudie, dass das Hypoglykämierisiko in der Nacht und über den ganzen Tag bei Patient:innen mit T2D unter Gla-300 signifikant geringer ist als unter Gla-100.3 In einer anderen Studie waren unter IDeg die Rate von schweren Hypoglykämien 40% und die Rate von schweren nächtlichen Hypoglykämien 53% niedriger als unter Gla-100.4
Aufgrund der Daten sind laut Wiesli Gla-300 und IDeg heute die favorisierten Basalinsuline in der Behandlung des T2D. «Welches der beiden Präparate Sie verschreiben, spielt letztlich keine Rolle, da die beiden mehr Ähnlichkeiten aufweisen als Unterschiede.»5
«Eine lange Wirkdauer hat auch den Vorteil, dass der Injektionszeitpunkt flexibler gewählt werden kann», betonte der Referent. In einer Studie wurde dies anhand von drei Gruppen mit Proband:innen mit T2D untersucht, die entweder einmal täglich eine definierte Dosis von IDeg zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Intervalle von 8–40 Stunden), einmal täglich IDeg zur Hauptmahlzeit am Abend oder einmal täglich Gla-100 applizierten. Die Resultate zeigten, dass die flexible Applikation der täglichen IDeg-Dosis auch bei extrem unterschiedlichen Dosisintervallen keinen Einfluss auf die BZ-Kontrolle und das Hypoglykämierisiko hatte.6
Indikationen für Basalinsulin
Eine Indikation für Basalinsulin bei T2D ist eine dekompensierte Stoffwechsellage. «Bei neu diagnostiziertem T2D mit hohen BZ- und HbA1c-Werten ist es nie falsch, die Behandlung primär mit Insulin zu beginnen», erklärte der Diabetologe. Bei akuten Erkrankungen, die zur Hospitalisation führen, ist es auch sinnvoll, den Diabetes mit Insulin zu behandeln. Weitere Indikationen sind ein zu hohes HbA1c, das trotz ausgebauter Therapie mit drei oralen Antidiabetika nicht auf den Zielwert gesenkt werden kann, eine Unverträglichkeit von Antidiabetika, eine Steroidtherapie und Schwangerschaft.
Nüchternblutzucker und Nachtverlauf berücksichtigen
Die Insulinbehandlung wird üblicherweise mit einem lang wirksamen Insulin begonnen, das einmal täglich injiziert wird. Gestartet wird die Therapie mit einer Dosis von 8–10E (0,1–0,2E/kgKG), die alle 4 bis 7 Tage um 2–4E oder täglich um 1E erhöht wird, bis das Ziel – üblicherweise ein Nüchtern-BZ von 7mmol/l – erreicht ist. Die Maximaldosis von 0,5E/kgKG sollte dabei nicht überschritten wird.
Neben dem Nüchtern-BZ gibt auch der BZ-Nachtverlauf wichtige Informationen für die Einstellung der Therapie. In der Regel wird das Basalinsulin am Abend gespritzt, irgendwann zwischen Nachtessen und Bettruhe. Dieser Injektionszeitpunkt ist ideal bei Patient:innen mit hohen BZ-Werten am Morgen resp. einem BZ-Anstieg über Nacht. Liegen die BZ-Werte am Morgen hingegen im Zielbereich, steigen über den Tag deutlich an und sinken während der Nacht, sollte die Injektion am Morgen erfolgen. In dieser Situation ist es auch sinnvoll, ein Insulinpräparat zu wählen, das nicht länger als 24 Stunden wirkt. «Die Injektion am Morgen hat weitere Vorteile. Einerseits wird sie am Morgen zuverlässiger durchgeführt als am Abend und andererseits ist dadurch besser gewährleistet, dass wirklich eine fixe Dosis Basalinsulin injiziert wird und die Dosis nicht wie bei den kurz wirksamen Insulinen an den Blutzucker angepasst wird. Wird das Basalinsulin abends appliziert, ist das Risiko grösser, dass die Patientin/der Patient die Dosis fälschlicherweise an den Blutzucker anpasst», so Wiesli. Um ein vollständiges BZ-Profil zu erhalten, ist es wichtig, dass auch bei Injektion am Morgen die BZ-Messung vor dem Zubettgehen nicht vergessen wird. «Das müssen Sie Ihren Patient:innen erklären. Weil sie abends kein Insulin spritzen, ist es für sie nicht offensichtlich, weshalb sie vor dem Zubettgehen noch einmal den Blutzucker messen müssen», sagte der Diabetologe.
Quelle:
FOMF Diabetes Update Refresher, 3. bis 5. November 2022, Zürich
Literatur:
1 Mathieu C et al.: Insulin analogues in type 1 diabetes mellitus: getting better all the time. Nat Rev Endocrinol 2017; 13: 385-99 2 Rosenstock J et al.: Once-weekly insulin for type 2 diabetes without previous insulin treatment. N Engl J Med 2020; 383: 2107-16 3 Yki-Järvinen H et al.: Glycaemic control and hypoglycaemia with new insulin glargine 300 U/ml versus insulin glargine 100 U/ml in people with type 2 diabetes using basal insulin and oral antihyperglycaemic drugs: the EDITION 2 randomized 12-month trial including 6-month extension. Diabetes Obes Metab 2015; 17: 1142-9 4 Marso SP et al.: Efficacy and safety of degludec versus glargine in type 2 diabetes. N Engl J Med 2017; 377: 723-32 5 Rosenstock J et al.: More similarities than differences testing insulin glargine 300 units/ml versus insulin degludec 100 units/ml in insulin-naive type 2 diabetes: the randomized head-to-head BRIGHT trial. Diabetes Care 2018; 41: 2147-54 6 Meneghini L et al.: The efficacy and safety of insulin degludec given in variable once-daily dosing intervals compared with insulin glargine and insulin degludec dosed at the same time daily: a 26-week, randomized, open-label, parallel-group, treat-to-target trial in individuals with type 2 diabetes. Diabetes Care 2013; 36: 858-64
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