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Diabetes Mellitus – Empowerment, neue Technik und die Politik
Jatros
30
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09.11.2017
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<p class="article-intro">In den vergangenen Jahren wurden auch aus Patientensicht große Fortschritte in der Therapie des Diabetes mellitus erzielt. Trotzdem liegt noch ein weiter Weg vor uns meint Peter Hopfinger von Diabetes Austria. JATROS Diabetologie und Endokrinologie hat ihn im Interview zu historischen Entwicklungen und aktuellen Aktivitäten befragt, aber auch dazu, was aus seiner Sicht in Zukunft wichtig ist – wie etwa die Umsetzung der Diabetes-Strategie.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Herr Hopfinger, welches waren für Sie die wichtigsten Ereignisse für Menschen mit Diabetes in Bezug auf die Krankheit?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Historisch gesehen war das wichtigste Ereignis die Entdeckung des Insulins durch Frederick Banting und Charles Best. Das zweitwichtigste Ereignis war die künstliche und damit massenhafte Herstellung von Insulin. Und das für die Betroffenen drittwichtigste Ereignis war die Möglichkeit, den Blutzuckerwert selbst zu messen und nicht mehr auf Harnteststreifen angewiesen zu sein. Hinzu kommt in jüngster Zeit die Information. Als Beispiel sehe ich etwa die Entwicklung unseres Webportals – www.diabetes-austria.com – als Informationsplattform für Menschen, die an Diabetes erkrankt sind. Warum? Weil damit erstmals ein schnelles Nachrichtenmedium entstanden ist, das nicht nur alle 2 Monate erscheint, sondern für anspruchsvollere Patienten ständig Neues bringt. Viele Möglichkeiten, die wir haben, werden heute von 40 000 bis 50 000 Menschen im Monat genutzt. So entsteht ein interaktives Monatsmagazin mit Tagesaktualität.<br /><br /><strong> Was hat sich in den letzten 20 Jahren für die Typ-1-Patienten geändert?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Bei Typ-1-Diabetes haben sich die Systeme, mit denen man diesen behandeln kann, enorm verbessert. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass Patienten früher Stahlspritze und den Urinteststreifen verwendet haben. Auch gab es Apparaturen für die Blutzuckermessung, diese waren jedoch für heutige Verhältnisse unvorstellbar groß. Zum Zeitpunkt, als ich die Diagnose erhalten habe – vor genau 22 Jahren –, waren bereits Einwegplastikpackspritzen für das Insulin auf dem Markt. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Es kamen die Pens heraus, die immer besser wurden und heute sogar schon Daten an Apps weitergeben können. Ähnlich war es bei den Blutzuckermessgeräten, die immer einfacher zu bedienen werden und immer genauer und zuverlässiger arbeiten.<br /><br /><strong> Wie hat sich das bei Kindern und älteren Typ-1-Diabetikern ausgewirkt?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Bei den Kindern geht es vor allem darum, das Diabetesmanagement zu lernen. Sobald die Kinder es gelernt haben, ist der Umgang mit den Pens und Messgeräten für sie mit dem Beherrschen eines Videospiels vergleichbar. Die Schwierigkeit ist eher die, dass man es erst einmal akzeptieren muss, Diabetes zu haben. Ich vergleiche das gerne mit dem Autofahren – jeder möchte fahren, man muss dafür aber den Führerschein machen. Auch für den geriatrischen Diabetiker ist es viel einfacher geworden. Oft sind bei diesen Patienten die Finger schon ganz dünnhäutig. Jedes Mal für die Blutzuckerkontrolle zu stechen ist problematisch. Heute gibt es die kontinuierliche Glukosemessung oder die Flash-Glukosemessung mit einem Sensor. Da kann auch ein Betreuer mit einem Lesegerät prüfen, wie der Wert ist, oder das Gerät zeigt es von selbst an. Das Equipment, das ich heute mit mir herumtrage, sind 2 Pens, ein kleiner Scanner und ein Handy. Es hat sich also alles vereinfacht, sowohl in Bezug auf die Blutzuckermessung als auch auf die Insulingabe.<br /><br /><strong> Und was hat sich in den letzten 20 Jahren für die Typ-2-Patienten geändert?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Während es sich beim Typ-2-Diabetes vor 20 Jahren mit Sulfonylharnstoff, Metformin und 2 Arten von Insulin mit den Therapiemöglichkeiten im Wesentlichen erledigt hat, gibt es heute eine Palette von etwa 40 Medikamenten, die alle miteinander kombiniert werden können. Die neuesten sind SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Inhibitoren, aber auch DPP-4-Inhibitoren und Sulfonylharnstoff sowie Glitazone stehen nach wie vor zur Verfügung. Es ist gut, dass es so viele Optionen gibt. Dies erfordert zwar vom Arzt, dass er sich sehr gut auskennt, aber es gibt ihm die Möglichkeit, so lange nach der optimalen Therapie zu suchen, bis der Patient die bestmöglichen Werte erreicht. Das ist auch notwendig, da nur etwa einer von 300 Diabetespatienten in den Bereichen Zucker, Bluthochdruck und Cholesterin die Therapieziele erreicht. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, wie etwa die Compliance der Patienten, ihr Wissen um die Erkrankung, die knappe Zeit der Ärzte, das Wissen über den Diabetes und die Bedeutung der Therapien an die Patienten weiterzugeben, aber auch zum Teil mangelndes Wissen – etwa weil der Hausarzt sich bei der Vielzahl der Erkrankungen und deren Therapieoptionen einfach nicht mehr auskennen kann. Hier gibt es viele Komponenten, die verbessert werden können. Man muss auch bedenken, dass alle Medikamente billiger sind als die Behandlung eventueller Spätfolgen aufgrund von Diabetes.<br /><br /><strong> Wie hat sich die gesellschaftliche Sicht auf die Erkrankung und die Betroffenen verändert?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> In der Zeit der Stahlspritzen und der langen Nadeln war man als Diabetiker schnell stigmatisiert. Niemand hat sich Insulin in der Öffentlichkeit gespritzt. Das hat sich durch die Pens geändert. Ein weiterer Faktor ist, dass es zu dieser Zeit etwa 250 000 Diabetiker gab, heute aber 600 000 bis 800 000. Daher befassen sich auch die Medien heute wesentlich stärker mit dem Thema als früher. Dass es das Thema Diabetes vom Medienecho her auch ganz nach oben schafft, zeigt etwa die ORF-Kampagne mit Dirk Stermann, die wir vor 2 Jahren zusammen mit der ÖDG entworfen haben. Auch andere Aktionen, z.B. mit Sigi Bergmann oder Jazz Gitti, die regelmäßig von Gruppen wie der unseren ausgehen, haben natürlich dazu beigetragen, dass Diabetes mehr im Fokus der Bevölkerung ist. Jeder Vierte hat einen Bekannten, der Diabetiker ist. Damit ist das Stigma von früher somit heute kein Thema mehr. Aber Achtung: Es hat sich gewandelt.<br /> Heute sind es vor allem die Typ-2-Diabetiker, bei denen die Gesellschaft eine Schuld an der Erkrankung sieht – insbesondere dann, wenn die Betroffenen auch übergewichtig sind. Nach dem Motto: Du hast dir den Diabetes selber raufgefressen, schau, dass du ihn selber wieder loswirst. So einfach ist es aber, wie wir wissen, nicht. Natürlich kann man zur Prävention beitragen und seinen Lebensstil verändern. Jedoch wissen wir heute auch, dass es genetische Prädispositionen für Übergewicht, aber auch für Diabetes gibt. Die Gründe, weshalb jemand Diabetes bekommt, ein anderer aber nicht, sind noch nicht vollständig geklärt.<br /> Daher ist es heute umso wichtiger, die Menschen – sowohl Typ-1- als auch Typ- 2-Diabetiker – gerade am Anfang der Erkrankung abzuholen. Insgesamt gab es gesellschaftlich gesehen also dramatische Veränderungen, wiewohl es noch immer auf die soziale Schicht ankommt.<br /><br /><strong> Wie hat sich das Verhältnis zwischen Patient und Behandler verändert?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Grundsätzlich besteht heute die Möglichkeit für gute und engagierte Diabetologen, vieles auf Augenhöhe zu erklären. Auch das Disease- Management-Programm Therapie Aktiv ist eine Möglichkeit, die dieses „Auf- Augenhöhe-Sein“ unterstützt. Die Zeit der Götter in Weiß sollte heute vorbei sein. Aber es gibt auch Patienten, die sich nicht so sehr mit der Krankheit beschäftigen möchten und einfach 2 Tabletten verschrieben bekommen möchten, ohne groß nachzufragen. Insgesamt sind die Patienten aber mündiger und aktiver geworden. Sie wissen, dass sie sich für ihre Gesundheit einsetzen müssen und sich bestimmte Dinge holen müssen. Ein relativ neuer Weg sind Zielvereinbarungen, wie sie in Therapie Aktiv zwischen Arzt und Patient getroffen werden. Dies sind Vereinbarungen, die etwa das Gewicht betreffen, den Zuckerwert, aber auch das Raucheneinstellen oder das Sportbetreiben. Leider ist diese Entwicklung aber nicht durchgängig.<br /><br /><strong> Wie weit haben sich Politik, Krankenkassen bzw. ähnliche Stakeholder des Themas Diabetes angenommen?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Es tut sich etwas, wenn auch langsam. Als Beispiel möchte ich die Haftpflichtversicherung für Pädagogen nennen, die auf unsere Bürgerinitiative hin auch auf freiwillig übernommene Tätigkeiten ausgeweitet wird. Bisher gab es die Ausrede, dass chronisch kranke Kinder z.B. auf Ausflüge nicht mitgenommen werden können, wegen der fehlenden Haftpflichtversicherung. Nun gibt es einen Erlass und eine Aussendung des Bundesministeriums für Unterricht, in denen festgehalten ist, dass Pädagogen solche Kinder mitnehmen und sich um sie kümmern müssen.<br /> Zweiter Punkt: Die leider verstorbene Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser hat die Entwicklung einer Diabetesstrategie für Österreich in Auftrag gegeben, an der unter anderem auch ich mitarbeiten durfte und die von Oberhausers Nachfolgerin Pamela Rendi- Wagner fortgesetzt wurde. Wir werden natürlich auch jetzt nach der Wahl auf die Umsetzung drängen. Die Strategieentwicklung hat viel Geld gekostet, sie nicht umzusetzen kostet aber ein Vielfaches mehr. Bereits 2006 ist es schon einmal passiert, dass so etwas wieder in der Schublade verschwunden ist. Wir werden darauf schauen, dass dies nicht nochmals passiert.<br /> Kommen wir zu den Krankenkassen: Ich glaube, dass diese, wenn auch mit Zeitverzögerung, gelernt haben, dass es wichtig und richtig ist, moderne Medikamente, Therapie- und Diagnostikformen grundsätzlich nicht zu verteufeln. Natürlich steht bei den Kassen der Spargedanke im Vordergrund. Wo nicht gespart werden sollte, ist natürlich bei den Patienten. Nicht vergessen werden darf auch, dass ein gut eingestellter Patient, der compliant ist, insgesamt ein „billiger Patient“ ist, denn Folgeerkrankungen sind extrem teuer. Weil wir dies wissen, haben wir z.B. für die Erstattung des „FreeStyle Libre“-Systems gekämpft, weil wir der Meinung sind, dass der willige Diabetiker etwas bekommen muss, was ihm den Umgang mit seiner Erkrankung so leicht wie möglich macht. Der Patient soll nicht nur compliant sein, er soll „empowered“ sein. Der Diabetiker ist eigentlich ein Klient und Kunde des Systems und sollte auch so behandelt werden: d.h. mit Service, mit Freundlichkeit und mit den besten Möglichkeiten, die es gibt. Das haben die Kassen schon ein bisschen verinnerlicht. Wünschenswert wäre noch, dass alle Kassen allen Diabetikern das Gleiche erstatten.<br /> Sieht man sich die zu erwartende Entwicklung genau an, kann man sagen, dass auf uns ein Diabetes-Tsunami zukommt. Es wird daher noch viele zusätzliche Stakeholder benötigen. Wie stark die Zahl der Betroffen gestiegen ist, habe ich vorhin erwähnt, und eine Trendwende ist nicht zu sehen – insofern müsste man sagen: Es ist nichts erledigt. Es wird immer teurer werden. Um den Effekt zu dämpfen, müssten verstärkt flächendeckende Aufklärungsmaßnahmen, beginnend in den Schulen, betrieben werden. Auch EU-weite Maßnahmen wären notwendig, die den Zucker- und Fettkonsum einschränken. Dass das so kommen wird, ist für mich mehr als fraglich. Dennoch sollte es verantwortungsbewusste Politiker sehr wohl interessieren, wiewohl man weiß, dass sie oft nur kurz an der Macht sind.<br /><br /><strong> Welche Rolle übernehmen Selbsthilfegruppen als Stakeholder?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Die Selbsthilfegruppen sind zum Teil schon wesentlich älter als Diabetes Austria, und sie sind nach wie vor wichtige Stakeholder. Sie kämpfen aber mit einem Mitgliederrückgang, weil sich vieles in die sozialen Netzwerke und generell ins Internet verlagert. Trotzdem zeigt eine Umfrage, die wir unter 250 Mitgliedern von Selbsthilfegruppen durchgeführt haben, dass Bewährtes wichtig bleibt, etwa: „Wir wollen uns einmal im Monat treffen; wir wollen, dass ein guter Arzt Vorträge hält und uns über Neues informiert; wir wollen eine Zeitung haben, aber auch über das Internet eine Möglichkeit haben, schnell miteinander zu kommunizieren.“ Der Vorteil für die Selbsthilfegruppen ist, dass Aktivitäten im Internet recht einfach sind und die Mitglieder selbst tätig werden können. Ich sehe darin eine große Chance zu einem aktiveren Umgang mit der Krankheit. Die Gefahr, dass Falschinformationen und Unsinn über diese Seiten verbreitet werden, ist gering, da solche Dinge von den Administratoren schnell entfernt werden. Zusätzlich ist in den Präambeln festgelegt, dass keine medizinischen Ratschläge gegeben werden dürfen, kein Umlegen einer Therapie, die man selbst hat, auf die Therapie von jemand anderem usw. Im Zentrum der Diskussionen stehen Fragen von allgemeinem Interesse oder auch nur, wie es den Betroffenen geht. Aber es werden z.B. auch spezielle Fragen gestellt, wie: „Ich möchte Kinder haben, wohin kann ich mich wenden?“ Die in unserer Studie befragten Selbsthilfegruppenmitglieder gaben auch Interesse an zusätzlichen Hintergrundinformationen an. All das, was der Arzt ihnen in den dreieinhalb Minuten einer Konsultation nicht geben kann, erwarten sie sich von der Selbsthilfegruppe. Den Mitgliedern ist dies auch etwas wert – eine deutliche Mehrheit war bei der Umfrage bereit, 50 Euro im Jahr in eine gute Selbsthilfegruppe zu investieren. Eine Frage war auch, wie eine moderne Selbsthilfegruppe heißen soll. Eine deutliche Mehrheit war für „Face Diabetes“ – aktiv statt passiv. Man sieht, das ist die moderne Internet-Community, mit englischen Worten hat sie kein Problem.<br /><br /><strong> Ist die Nähe zu den Betroffenen wichtig?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Ja, eine wichtige Rolle spielen lokale Stakeholder und regionale Gruppen und jemand, der diese führt. Auch Internetauftritte oder Facebookseiten können regional organisiert werden – hier gibt es aber noch Lernbedarf. Ebenso bei der Zusammenarbeit mit lokalen Medien – etwa um über Veranstaltungen zu informieren und Publikum über die lokale Presse zu gewinnen. Bei den großen Selbsthilfegruppen ADA und ÖDV ist einiges im Umbruch und auch ein Generationenwechsel kündigt sich an. Eines wird aber bleiben – Selbsthilfe ist weiblich, und daran wird sich auch nichts ändern.<br /><br /><strong> Wie sieht es bei Aktivitäten aus?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Unser aktueller Schwerpunkt, bei dem wir im Rahmen einer Art SOKO Diabetes mitarbeiten, thematisiert Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen. Ärztegesellschaft und Selbsthilfegruppen setzen zunehmend auf eine Kooperation, um dem Anliegen mehr Gewicht zu geben. Dabei ist auch mehr Professionalität möglich. Und wir planen auch ein Projekt in Niederösterreich zur Information von Pädagogen. Dabei sollen gemeinsam mit der ÖDG die Lehrer mit einem Schulungsprogramm über Diabetes informiert werden und z.B. das Verabreichen einer Glukagonspritze lernen. Die Angst vor Fehlern ist dabei unbegründet. Ich habe in 20 Jahren noch von keinem einzigen Fall gehört, in dem ein Lehrer einem Kind eine Glukagonspritze geben musste und dann etwas passierte, was nicht in Ordnung war. Weil aber das Wissen immer da ist, dass das sein kann, fürchten sich die Pädagogen. Die Wahrheit ist natürlich: Erste Hilfe muss jeder leisten.<br /> Auch persönlich sind noch ein paar Sachen in der Pipeline: Nach dem Erfolg mit dem Kochbuch gibt es Überlegungen, ein weiteres Thema als Buch aufzugreifen. Im nächsten Jahr sind ein Kabarettprogramm zum Thema Diabetes und Herzinsuffizienz sowie Fernsehspots angedacht, die den Zusammenhang thematisieren. Eine wichtige Frage für alle, die von Diabetes betroffen sind – rund 600 000 Menschen und ihre Angehörigen –, ist natürlich die Diabetesstrategie. Wir werden ein Auge darauf haben, dass sie auch umgesetzt wird. Egal wie die Konstellationen aussehen werden, die Regierung kann sich darauf verlassen, dass wir lästig sein werden. Denn leider gibt es noch viele Schwachstellen, vor allem auf dem Land. Ich bin ein Fan der Diabetesstrategie und fordere die möglichst schnelle Ausrollung in Gesamtösterreich.<br /> Es ist viel billiger, in die Prävention zu investieren, als Diabetiker zu behandeln. Dazu bedarf es der Integration anderer Gesundheitsberufe und der Aufklärung. Leider fehlen hier nach wie vor die Weitsicht und das Geld, obwohl es zumindest etwas besser als früher geworden ist. Nehmen wir als Beispiel die 10 Spots umfassende Kampagne mit Dirk Stermann im ORF. Es gab viele Sendungen zum Thema Diabetes: So hat sich Barbara Stöckl in ihrer Gesundheitssendung einen „Libre“ gesetzt, um dies einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen. Das Thema Diabetes hat so etwas wie Stammtischhoheit bekommen. Ideal wäre es, wenn es uns zweimal im Jahr gelänge, solche Schwerpunkte öffentlichkeitswirksam zu setzen, vielleicht in einem noch größeren Ausmaß als bisher. Zu wünschen wäre, dass auch die Politik hinter solchen Aktionen steht, damit diese mit ausreichendem Budget auch nachhaltig durchgeführt werden können. Man muss das auf lange Zeit machen, damit man irgendetwas erreicht. Österreich steht nicht schlecht da, aber es gibt noch viel zu tun.<br /> In der Zusammenarbeit mit der ÖDG wird es interessant sein, was unter der nächsten Präsidentin passiert. Diese wird sicher in eine andere Richtung gehen als jetzt. Sie wird sicher ein Hauptaugenmerk auf die Genderaspekte legen, was nicht unwichtig ist. Wir freuen uns schon auf die Zusammenarbeit und werden sicher mit ihr genauso gut kooperieren wie mit der aktuellen Präsidentschaft. Bei der Kontinuität der Zusammenarbeit hilft das Prinzip mit Past-Präsident, Präsident und Präsident-elect der ÖDG natürlich sehr.<br /><br /><strong> Welche Entwicklungen wünschen Sie sich für die Zukunft?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Natürlich würde ich mir eine Heilung von Diabetes wünschen. Bei Kindern mit Typ-1-Diabetes gibt es Versuche mit Stammzellen aus der Nabelschnur. Ich glaube zwar, dass es so funktionieren könnte, die Frage ist aber: wann? Die Schlüsselfrage wird dabei sein, wie man verhindert, dass neu eingesetzte eigene Betazellen nicht wieder zerstört werden.<br /> Außerdem würde ich mir wünschen, dass die Betroffenen von passiven Patienten zu aktiven, wissenden, „empowered“ Klienten werden. Die Diagnose Diabetes bedeutet eine komplette gedankliche und auch physische Veränderung des Lebens. Dies sollten möglichst viele Diabetiker verinnerlichen, um damit letztlich trotz und mit Diabetes ein gutes, erfülltes Leben ohne Nebenerscheinungen, ohne Amputationen, ohne Blindheit, ohne Nierenversagen etc. führen zu können. Leider gibt es dabei keinen Tag Urlaub vom Diabetes.<br /> Mein dritter Wunsch an die Zukunft sind technische Systeme, die autonom die Blutzuckermessung und die passende Insulingabe vereinen und über eine App steuerbar sind. Die Letztkontrolle sollte auch im Hinblick auf Ausfälle aber immer der Mensch haben. Daher gehört eine gute Diabetesschulung weiterhin dazu.<br /> Mein vierter Wunsch richtet sich an die Politik. Diese sollte verstehen, dass man in das Thema chronische Erkrankung durchaus investieren muss, um den Menschen massives Leid, aber auch massive Kosten zu ersparen. Das wäre gesellschaftspolitisch ein sehr wichtiger Wunsch.<br /><br /><strong> Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
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