© Getty Images/iStockphoto

Diabetes Mellitus – Empowerment, neue Technik und die Politik

<p class="article-intro">In den vergangenen Jahren wurden auch aus Patientensicht große Fortschritte in der Therapie des Diabetes mellitus erzielt. Trotzdem liegt noch ein weiter Weg vor uns meint Peter Hopfinger von Diabetes Austria. JATROS Diabetologie und Endokrinologie hat ihn im Interview zu historischen Entwicklungen und aktuellen Aktivitäten befragt, aber auch dazu, was aus seiner Sicht in Zukunft wichtig ist – wie etwa die Umsetzung der Diabetes-Strategie.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Herr Hopfinger, welches waren f&uuml;r Sie die wichtigsten Ereignisse f&uuml;r Menschen mit Diabetes in Bezug auf die Krankheit?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Historisch gesehen war das wichtigste Ereignis die Entdeckung des Insulins durch Frederick Banting und Charles Best. Das zweitwichtigste Ereignis war die k&uuml;nstliche und damit massenhafte Herstellung von Insulin. Und das f&uuml;r die Betroffenen drittwichtigste Ereignis war die M&ouml;glichkeit, den Blutzuckerwert selbst zu messen und nicht mehr auf Harnteststreifen angewiesen zu sein. Hinzu kommt in j&uuml;ngster Zeit die Information. Als Beispiel sehe ich etwa die Entwicklung unseres Webportals &ndash; www.diabetes-austria.com &ndash; als Informationsplattform f&uuml;r Menschen, die an Diabetes erkrankt sind. Warum? Weil damit erstmals ein schnelles Nachrichtenmedium entstanden ist, das nicht nur alle 2 Monate erscheint, sondern f&uuml;r anspruchsvollere Patienten st&auml;ndig Neues bringt. Viele M&ouml;glichkeiten, die wir haben, werden heute von 40 000 bis 50 000 Menschen im Monat genutzt. So entsteht ein interaktives Monatsmagazin mit Tagesaktualit&auml;t.<br /><br /><strong> Was hat sich in den letzten 20 Jahren f&uuml;r die Typ-1-Patienten ge&auml;ndert?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Bei Typ-1-Diabetes haben sich die Systeme, mit denen man diesen behandeln kann, enorm verbessert. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass Patienten fr&uuml;her Stahlspritze und den Urinteststreifen verwendet haben. Auch gab es Apparaturen f&uuml;r die Blutzuckermessung, diese waren jedoch f&uuml;r heutige Verh&auml;ltnisse unvorstellbar gro&szlig;. Zum Zeitpunkt, als ich die Diagnose erhalten habe &ndash; vor genau 22 Jahren &ndash;, waren bereits Einwegplastikpackspritzen f&uuml;r das Insulin auf dem Markt. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Es kamen die Pens heraus, die immer besser wurden und heute sogar schon Daten an Apps weitergeben k&ouml;nnen. &Auml;hnlich war es bei den Blutzuckermessger&auml;ten, die immer einfacher zu bedienen werden und immer genauer und zuverl&auml;ssiger arbeiten.<br /><br /><strong> Wie hat sich das bei Kindern und &auml;lteren Typ-1-Diabetikern ausgewirkt?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Bei den Kindern geht es vor allem darum, das Diabetesmanagement zu lernen. Sobald die Kinder es gelernt haben, ist der Umgang mit den Pens und Messger&auml;ten f&uuml;r sie mit dem Beherrschen eines Videospiels vergleichbar. Die Schwierigkeit ist eher die, dass man es erst einmal akzeptieren muss, Diabetes zu haben. Ich vergleiche das gerne mit dem Autofahren &ndash; jeder m&ouml;chte fahren, man muss daf&uuml;r aber den F&uuml;hrerschein machen. Auch f&uuml;r den geriatrischen Diabetiker ist es viel einfacher geworden. Oft sind bei diesen Patienten die Finger schon ganz d&uuml;nnh&auml;utig. Jedes Mal f&uuml;r die Blutzuckerkontrolle zu stechen ist problematisch. Heute gibt es die kontinuierliche Glukosemessung oder die Flash-Glukosemessung mit einem Sensor. Da kann auch ein Betreuer mit einem Leseger&auml;t pr&uuml;fen, wie der Wert ist, oder das Ger&auml;t zeigt es von selbst an. Das Equipment, das ich heute mit mir herumtrage, sind 2 Pens, ein kleiner Scanner und ein Handy. Es hat sich also alles vereinfacht, sowohl in Bezug auf die Blutzuckermessung als auch auf die Insulingabe.<br /><br /><strong> Und was hat sich in den letzten 20 Jahren f&uuml;r die Typ-2-Patienten ge&auml;ndert?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> W&auml;hrend es sich beim Typ-2-Diabetes vor 20 Jahren mit Sulfonylharnstoff, Metformin und 2 Arten von Insulin mit den Therapiem&ouml;glichkeiten im Wesentlichen erledigt hat, gibt es heute eine Palette von etwa 40 Medikamenten, die alle miteinander kombiniert werden k&ouml;nnen. Die neuesten sind SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Inhibitoren, aber auch DPP-4-Inhibitoren und Sulfonylharnstoff sowie Glitazone stehen nach wie vor zur Verf&uuml;gung. Es ist gut, dass es so viele Optionen gibt. Dies erfordert zwar vom Arzt, dass er sich sehr gut auskennt, aber es gibt ihm die M&ouml;glichkeit, so lange nach der optimalen Therapie zu suchen, bis der Patient die bestm&ouml;glichen Werte erreicht. Das ist auch notwendig, da nur etwa einer von 300 Diabetespatienten in den Bereichen Zucker, Bluthochdruck und Cholesterin die Therapieziele erreicht. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, wie etwa die Compliance der Patienten, ihr Wissen um die Erkrankung, die knappe Zeit der &Auml;rzte, das Wissen &uuml;ber den Diabetes und die Bedeutung der Therapien an die Patienten weiterzugeben, aber auch zum Teil mangelndes Wissen &ndash; etwa weil der Hausarzt sich bei der Vielzahl der Erkrankungen und deren Therapieoptionen einfach nicht mehr auskennen kann. Hier gibt es viele Komponenten, die verbessert werden k&ouml;nnen. Man muss auch bedenken, dass alle Medikamente billiger sind als die Behandlung eventueller Sp&auml;tfolgen aufgrund von Diabetes.<br /><br /><strong> Wie hat sich die gesellschaftliche Sicht auf die Erkrankung und die Betroffenen ver&auml;ndert?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> In der Zeit der Stahlspritzen und der langen Nadeln war man als Diabetiker schnell stigmatisiert. Niemand hat sich Insulin in der &Ouml;ffentlichkeit gespritzt. Das hat sich durch die Pens ge&auml;ndert. Ein weiterer Faktor ist, dass es zu dieser Zeit etwa 250 000 Diabetiker gab, heute aber 600 000 bis 800 000. Daher befassen sich auch die Medien heute wesentlich st&auml;rker mit dem Thema als fr&uuml;her. Dass es das Thema Diabetes vom Medienecho her auch ganz nach oben schafft, zeigt etwa die ORF-Kampagne mit Dirk Stermann, die wir vor 2 Jahren zusammen mit der &Ouml;DG entworfen haben. Auch andere Aktionen, z.B. mit Sigi Bergmann oder Jazz Gitti, die regelm&auml;&szlig;ig von Gruppen wie der unseren ausgehen, haben nat&uuml;rlich dazu beigetragen, dass Diabetes mehr im Fokus der Bev&ouml;lkerung ist. Jeder Vierte hat einen Bekannten, der Diabetiker ist. Damit ist das Stigma von fr&uuml;her somit heute kein Thema mehr. Aber Achtung: Es hat sich gewandelt.<br /> Heute sind es vor allem die Typ-2-Diabetiker, bei denen die Gesellschaft eine Schuld an der Erkrankung sieht &ndash; insbesondere dann, wenn die Betroffenen auch &uuml;bergewichtig sind. Nach dem Motto: Du hast dir den Diabetes selber raufgefressen, schau, dass du ihn selber wieder loswirst. So einfach ist es aber, wie wir wissen, nicht. Nat&uuml;rlich kann man zur Pr&auml;vention beitragen und seinen Lebensstil ver&auml;ndern. Jedoch wissen wir heute auch, dass es genetische Pr&auml;dispositionen f&uuml;r &Uuml;bergewicht, aber auch f&uuml;r Diabetes gibt. Die Gr&uuml;nde, weshalb jemand Diabetes bekommt, ein anderer aber nicht, sind noch nicht vollst&auml;ndig gekl&auml;rt.<br /> Daher ist es heute umso wichtiger, die Menschen &ndash; sowohl Typ-1- als auch Typ- 2-Diabetiker &ndash; gerade am Anfang der Erkrankung abzuholen. Insgesamt gab es gesellschaftlich gesehen also dramatische Ver&auml;nderungen, wiewohl es noch immer auf die soziale Schicht ankommt.<br /><br /><strong> Wie hat sich das Verh&auml;ltnis zwischen Patient und Behandler ver&auml;ndert?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Grunds&auml;tzlich besteht heute die M&ouml;glichkeit f&uuml;r gute und engagierte Diabetologen, vieles auf Augenh&ouml;he zu erkl&auml;ren. Auch das Disease- Management-Programm Therapie Aktiv ist eine M&ouml;glichkeit, die dieses &bdquo;Auf- Augenh&ouml;he-Sein&ldquo; unterst&uuml;tzt. Die Zeit der G&ouml;tter in Wei&szlig; sollte heute vorbei sein. Aber es gibt auch Patienten, die sich nicht so sehr mit der Krankheit besch&auml;ftigen m&ouml;chten und einfach 2 Tabletten verschrieben bekommen m&ouml;chten, ohne gro&szlig; nachzufragen. Insgesamt sind die Patienten aber m&uuml;ndiger und aktiver geworden. Sie wissen, dass sie sich f&uuml;r ihre Gesundheit einsetzen m&uuml;ssen und sich bestimmte Dinge holen m&uuml;ssen. Ein relativ neuer Weg sind Zielvereinbarungen, wie sie in Therapie Aktiv zwischen Arzt und Patient getroffen werden. Dies sind Vereinbarungen, die etwa das Gewicht betreffen, den Zuckerwert, aber auch das Raucheneinstellen oder das Sportbetreiben. Leider ist diese Entwicklung aber nicht durchg&auml;ngig.<br /><br /><strong> Wie weit haben sich Politik, Krankenkassen bzw. &auml;hnliche Stakeholder des Themas Diabetes angenommen?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Es tut sich etwas, wenn auch langsam. Als Beispiel m&ouml;chte ich die Haftpflichtversicherung f&uuml;r P&auml;dagogen nennen, die auf unsere B&uuml;rgerinitiative hin auch auf freiwillig &uuml;bernommene T&auml;tigkeiten ausgeweitet wird. Bisher gab es die Ausrede, dass chronisch kranke Kinder z.B. auf Ausfl&uuml;ge nicht mitgenommen werden k&ouml;nnen, wegen der fehlenden Haftpflichtversicherung. Nun gibt es einen Erlass und eine Aussendung des Bundesministeriums f&uuml;r Unterricht, in denen festgehalten ist, dass P&auml;dagogen solche Kinder mitnehmen und sich um sie k&uuml;mmern m&uuml;ssen.<br /> Zweiter Punkt: Die leider verstorbene Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser hat die Entwicklung einer Diabetesstrategie f&uuml;r &Ouml;sterreich in Auftrag gegeben, an der unter anderem auch ich mitarbeiten durfte und die von Oberhausers Nachfolgerin Pamela Rendi- Wagner fortgesetzt wurde. Wir werden nat&uuml;rlich auch jetzt nach der Wahl auf die Umsetzung dr&auml;ngen. Die Strategieentwicklung hat viel Geld gekostet, sie nicht umzusetzen kostet aber ein Vielfaches mehr. Bereits 2006 ist es schon einmal passiert, dass so etwas wieder in der Schublade verschwunden ist. Wir werden darauf schauen, dass dies nicht nochmals passiert.<br /> Kommen wir zu den Krankenkassen: Ich glaube, dass diese, wenn auch mit Zeitverz&ouml;gerung, gelernt haben, dass es wichtig und richtig ist, moderne Medikamente, Therapie- und Diagnostikformen grunds&auml;tzlich nicht zu verteufeln. Nat&uuml;rlich steht bei den Kassen der Spargedanke im Vordergrund. Wo nicht gespart werden sollte, ist nat&uuml;rlich bei den Patienten. Nicht vergessen werden darf auch, dass ein gut eingestellter Patient, der compliant ist, insgesamt ein &bdquo;billiger Patient&ldquo; ist, denn Folgeerkrankungen sind extrem teuer. Weil wir dies wissen, haben wir z.B. f&uuml;r die Erstattung des &bdquo;FreeStyle Libre&ldquo;-Systems gek&auml;mpft, weil wir der Meinung sind, dass der willige Diabetiker etwas bekommen muss, was ihm den Umgang mit seiner Erkrankung so leicht wie m&ouml;glich macht. Der Patient soll nicht nur compliant sein, er soll &bdquo;empowered&ldquo; sein. Der Diabetiker ist eigentlich ein Klient und Kunde des Systems und sollte auch so behandelt werden: d.h. mit Service, mit Freundlichkeit und mit den besten M&ouml;glichkeiten, die es gibt. Das haben die Kassen schon ein bisschen verinnerlicht. W&uuml;nschenswert w&auml;re noch, dass alle Kassen allen Diabetikern das Gleiche erstatten.<br /> Sieht man sich die zu erwartende Entwicklung genau an, kann man sagen, dass auf uns ein Diabetes-Tsunami zukommt. Es wird daher noch viele zus&auml;tzliche Stakeholder ben&ouml;tigen. Wie stark die Zahl der Betroffen gestiegen ist, habe ich vorhin erw&auml;hnt, und eine Trendwende ist nicht zu sehen &ndash; insofern m&uuml;sste man sagen: Es ist nichts erledigt. Es wird immer teurer werden. Um den Effekt zu d&auml;mpfen, m&uuml;ssten verst&auml;rkt fl&auml;chendeckende Aufkl&auml;rungsma&szlig;nahmen, beginnend in den Schulen, betrieben werden. Auch EU-weite Ma&szlig;nahmen w&auml;ren notwendig, die den Zucker- und Fettkonsum einschr&auml;nken. Dass das so kommen wird, ist f&uuml;r mich mehr als fraglich. Dennoch sollte es verantwortungsbewusste Politiker sehr wohl interessieren, wiewohl man wei&szlig;, dass sie oft nur kurz an der Macht sind.<br /><br /><strong> Welche Rolle &uuml;bernehmen Selbsthilfegruppen als Stakeholder?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Die Selbsthilfegruppen sind zum Teil schon wesentlich &auml;lter als Diabetes Austria, und sie sind nach wie vor wichtige Stakeholder. Sie k&auml;mpfen aber mit einem Mitgliederr&uuml;ckgang, weil sich vieles in die sozialen Netzwerke und generell ins Internet verlagert. Trotzdem zeigt eine Umfrage, die wir unter 250 Mitgliedern von Selbsthilfegruppen durchgef&uuml;hrt haben, dass Bew&auml;hrtes wichtig bleibt, etwa: &bdquo;Wir wollen uns einmal im Monat treffen; wir wollen, dass ein guter Arzt Vortr&auml;ge h&auml;lt und uns &uuml;ber Neues informiert; wir wollen eine Zeitung haben, aber auch &uuml;ber das Internet eine M&ouml;glichkeit haben, schnell miteinander zu kommunizieren.&ldquo; Der Vorteil f&uuml;r die Selbsthilfegruppen ist, dass Aktivit&auml;ten im Internet recht einfach sind und die Mitglieder selbst t&auml;tig werden k&ouml;nnen. Ich sehe darin eine gro&szlig;e Chance zu einem aktiveren Umgang mit der Krankheit. Die Gefahr, dass Falschinformationen und Unsinn &uuml;ber diese Seiten verbreitet werden, ist gering, da solche Dinge von den Administratoren schnell entfernt werden. Zus&auml;tzlich ist in den Pr&auml;ambeln festgelegt, dass keine medizinischen Ratschl&auml;ge gegeben werden d&uuml;rfen, kein Umlegen einer Therapie, die man selbst hat, auf die Therapie von jemand anderem usw. Im Zentrum der Diskussionen stehen Fragen von allgemeinem Interesse oder auch nur, wie es den Betroffenen geht. Aber es werden z.B. auch spezielle Fragen gestellt, wie: &bdquo;Ich m&ouml;chte Kinder haben, wohin kann ich mich wenden?&ldquo; Die in unserer Studie befragten Selbsthilfegruppenmitglieder gaben auch Interesse an zus&auml;tzlichen Hintergrundinformationen an. All das, was der Arzt ihnen in den dreieinhalb Minuten einer Konsultation nicht geben kann, erwarten sie sich von der Selbsthilfegruppe. Den Mitgliedern ist dies auch etwas wert &ndash; eine deutliche Mehrheit war bei der Umfrage bereit, 50 Euro im Jahr in eine gute Selbsthilfegruppe zu investieren. Eine Frage war auch, wie eine moderne Selbsthilfegruppe hei&szlig;en soll. Eine deutliche Mehrheit war f&uuml;r &bdquo;Face Diabetes&ldquo; &ndash; aktiv statt passiv. Man sieht, das ist die moderne Internet-Community, mit englischen Worten hat sie kein Problem.<br /><br /><strong> Ist die N&auml;he zu den Betroffenen wichtig?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Ja, eine wichtige Rolle spielen lokale Stakeholder und regionale Gruppen und jemand, der diese f&uuml;hrt. Auch Internetauftritte oder Facebookseiten k&ouml;nnen regional organisiert werden &ndash; hier gibt es aber noch Lernbedarf. Ebenso bei der Zusammenarbeit mit lokalen Medien &ndash; etwa um &uuml;ber Veranstaltungen zu informieren und Publikum &uuml;ber die lokale Presse zu gewinnen. Bei den gro&szlig;en Selbsthilfegruppen ADA und &Ouml;DV ist einiges im Umbruch und auch ein Generationenwechsel k&uuml;ndigt sich an. Eines wird aber bleiben &ndash; Selbsthilfe ist weiblich, und daran wird sich auch nichts &auml;ndern.<br /><br /><strong> Wie sieht es bei Aktivit&auml;ten aus?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Unser aktueller Schwerpunkt, bei dem wir im Rahmen einer Art SOKO Diabetes mitarbeiten, thematisiert Diabetes und kardiovaskul&auml;re Erkrankungen. &Auml;rztegesellschaft und Selbsthilfegruppen setzen zunehmend auf eine Kooperation, um dem Anliegen mehr Gewicht zu geben. Dabei ist auch mehr Professionalit&auml;t m&ouml;glich. Und wir planen auch ein Projekt in Nieder&ouml;sterreich zur Information von P&auml;dagogen. Dabei sollen gemeinsam mit der &Ouml;DG die Lehrer mit einem Schulungsprogramm &uuml;ber Diabetes informiert werden und z.B. das Verabreichen einer Glukagonspritze lernen. Die Angst vor Fehlern ist dabei unbegr&uuml;ndet. Ich habe in 20 Jahren noch von keinem einzigen Fall geh&ouml;rt, in dem ein Lehrer einem Kind eine Glukagonspritze geben musste und dann etwas passierte, was nicht in Ordnung war. Weil aber das Wissen immer da ist, dass das sein kann, f&uuml;rchten sich die P&auml;dagogen. Die Wahrheit ist nat&uuml;rlich: Erste Hilfe muss jeder leisten.<br /> Auch pers&ouml;nlich sind noch ein paar Sachen in der Pipeline: Nach dem Erfolg mit dem Kochbuch gibt es &Uuml;berlegungen, ein weiteres Thema als Buch aufzugreifen. Im n&auml;chsten Jahr sind ein Kabarettprogramm zum Thema Diabetes und Herzinsuffizienz sowie Fernsehspots angedacht, die den Zusammenhang thematisieren. Eine wichtige Frage f&uuml;r alle, die von Diabetes betroffen sind &ndash; rund 600 000 Menschen und ihre Angeh&ouml;rigen &ndash;, ist nat&uuml;rlich die Diabetesstrategie. Wir werden ein Auge darauf haben, dass sie auch umgesetzt wird. Egal wie die Konstellationen aussehen werden, die Regierung kann sich darauf verlassen, dass wir l&auml;stig sein werden. Denn leider gibt es noch viele Schwachstellen, vor allem auf dem Land. Ich bin ein Fan der Diabetesstrategie und fordere die m&ouml;glichst schnelle Ausrollung in Gesamt&ouml;sterreich.<br /> Es ist viel billiger, in die Pr&auml;vention zu investieren, als Diabetiker zu behandeln. Dazu bedarf es der Integration anderer Gesundheitsberufe und der Aufkl&auml;rung. Leider fehlen hier nach wie vor die Weitsicht und das Geld, obwohl es zumindest etwas besser als fr&uuml;her geworden ist. Nehmen wir als Beispiel die 10 Spots umfassende Kampagne mit Dirk Stermann im ORF. Es gab viele Sendungen zum Thema Diabetes: So hat sich Barbara St&ouml;ckl in ihrer Gesundheitssendung einen &bdquo;Libre&ldquo; gesetzt, um dies einer gr&ouml;&szlig;eren &Ouml;ffentlichkeit zu zeigen. Das Thema Diabetes hat so etwas wie Stammtischhoheit bekommen. Ideal w&auml;re es, wenn es uns zweimal im Jahr gel&auml;nge, solche Schwerpunkte &ouml;ffentlichkeitswirksam zu setzen, vielleicht in einem noch gr&ouml;&szlig;eren Ausma&szlig; als bisher. Zu w&uuml;nschen w&auml;re, dass auch die Politik hinter solchen Aktionen steht, damit diese mit ausreichendem Budget auch nachhaltig durchgef&uuml;hrt werden k&ouml;nnen. Man muss das auf lange Zeit machen, damit man irgendetwas erreicht. &Ouml;sterreich steht nicht schlecht da, aber es gibt noch viel zu tun.<br /> In der Zusammenarbeit mit der &Ouml;DG wird es interessant sein, was unter der n&auml;chsten Pr&auml;sidentin passiert. Diese wird sicher in eine andere Richtung gehen als jetzt. Sie wird sicher ein Hauptaugenmerk auf die Genderaspekte legen, was nicht unwichtig ist. Wir freuen uns schon auf die Zusammenarbeit und werden sicher mit ihr genauso gut kooperieren wie mit der aktuellen Pr&auml;sidentschaft. Bei der Kontinuit&auml;t der Zusammenarbeit hilft das Prinzip mit Past-Pr&auml;sident, Pr&auml;sident und Pr&auml;sident-elect der &Ouml;DG nat&uuml;rlich sehr.<br /><br /><strong> Welche Entwicklungen w&uuml;nschen Sie sich f&uuml;r die Zukunft?<br /><br /> P. Hopfinger:</strong> Nat&uuml;rlich w&uuml;rde ich mir eine Heilung von Diabetes w&uuml;nschen. Bei Kindern mit Typ-1-Diabetes gibt es Versuche mit Stammzellen aus der Nabelschnur. Ich glaube zwar, dass es so funktionieren k&ouml;nnte, die Frage ist aber: wann? Die Schl&uuml;sselfrage wird dabei sein, wie man verhindert, dass neu eingesetzte eigene Betazellen nicht wieder zerst&ouml;rt werden.<br /> Au&szlig;erdem w&uuml;rde ich mir w&uuml;nschen, dass die Betroffenen von passiven Patienten zu aktiven, wissenden, &bdquo;empowered&ldquo; Klienten werden. Die Diagnose Diabetes bedeutet eine komplette gedankliche und auch physische Ver&auml;nderung des Lebens. Dies sollten m&ouml;glichst viele Diabetiker verinnerlichen, um damit letztlich trotz und mit Diabetes ein gutes, erf&uuml;lltes Leben ohne Nebenerscheinungen, ohne Amputationen, ohne Blindheit, ohne Nierenversagen etc. f&uuml;hren zu k&ouml;nnen. Leider gibt es dabei keinen Tag Urlaub vom Diabetes.<br /> Mein dritter Wunsch an die Zukunft sind technische Systeme, die autonom die Blutzuckermessung und die passende Insulingabe vereinen und &uuml;ber eine App steuerbar sind. Die Letztkontrolle sollte auch im Hinblick auf Ausf&auml;lle aber immer der Mensch haben. Daher geh&ouml;rt eine gute Diabetesschulung weiterhin dazu.<br /> Mein vierter Wunsch richtet sich an die Politik. Diese sollte verstehen, dass man in das Thema chronische Erkrankung durchaus investieren muss, um den Menschen massives Leid, aber auch massive Kosten zu ersparen. Das w&auml;re gesellschaftspolitisch ein sehr wichtiger Wunsch.<br /><br /><strong> Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p>
Back to top