©
Getty Images/iStockphoto
Eine ganz normale Addisonkrise?
Jatros
Autor:
cand. med Katharina Maruszczak, MSc
<br>1. Medizinische Abteilung<br> Krankenanstalt Rudolfstiftung<br> Wien<br> E-Mail: christoph.schnack@wienkav.at
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Christoph Schnack
30
Min. Lesezeit
07.03.2019
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Nachdem wir im vorigen Teil unserer Serie einen jungen Patienten mit Morbus Addison präsentiert haben, möchten wir nun anhand einer Patientin zeigen, wie sich eine Addisonkrise im Klinikalltag darstellen kann. Sie hatte nicht nur einen Hormonausfall, sondern gleich mehrere.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei einer Addisonkrise ist sofort eine entsprechende Therapie zu beginnen.</li> <li>Bei Vitiligo sowie bei Verdacht auf andere endokrine Erkrankungen (speziell HLA-B8-DR3- positive Erkrankungen) und vorliegenden hormonellen Ausfällen ist an ein polyglanduläres Autoimmunsyndrom zu denken, sodass eine weitere endokrinologische Diagnostik mit Abnahme der entsprechenden Antikörper empfohlen ist.</li> <li>Ausführliche Familienanamnese essenziell</li> <li>Halbjährliche Kontrollen an einem Zentrum für Endokrinologie, um die Hormonsubstitutionstherapie zu kontrollieren sowie Komplikationen zu vermeiden</li> <li>Ausführliche Aufklärung (Notfallausweis) und Information über die Komplikationen der einzelnen Hormondrüsen sowie Therapieanpassung bei außergewöhnlichen Situationen</li> </ul> </div> <p>Im August 2018 wurde eine 72-jährige Patientin wegen Bauchschmerzen mit der Rettung an unsere Erstversorgung gebracht. Die Patientin war hypoton mit einem Blutdruck von 92/52mmHg bei einer normalen Herzfrequenz von 81/min. Sie berichtet, dumpfe Unterbauchschmerzen seit ca. 6 Wochen zu haben. Seit einer Woche seien diese stärker, die letzten 3 Tage vor der Aufnahme wären sie durchgehend unerträglich geworden. Aufgrund der heftigen Unterbauchschmerzen wurde die Patientin primär auf die chirurgische Ambulanz überwiesen. Dort zeigte sich ein leicht positiver Hämoccult, außerdem wurde eine erhöhte Stuhlfrequenz bei reduziertem Appetit angegeben. Die vor einem Jahr durchgeführte Koloskopie und Gastroskopie seien jedoch laut der Patientin unauffällig gewesen. Im Labor zeigten sich ein Nüchternzucker von 143mg/dl, eine Hyponatriämie von 126mmol/l und eine Hyperkaliämie mit 4,9mmol/l sowie eingeschränkte Nierenfunktionsparameter (GFR 42ml/min/1,7m<sup>2</sup> und Kreatinin 1,25mg/dl). Aufgrund der Hypotonie, des positiven Hämoccults unbekannter Ursache sowie der Elektrolytstörungen wurde entschieden, die Patientin stationär aufzunehmen.</p> <h2>Stationäre Aufnahme</h2> <p>Die Patientin wurde daher wegen eines Verdachts auf eine Addisonkrise mit diffusen Unterbauchschmerzen übernommen. Eine Endoskopie zur Abklärung des positiven Hämoccult-Tests wurde von der Patientin abgelehnt. Bei der körperlichen Untersuchung waren die braunverfärbte Haut sowie Vitiligo an Händen und Unterarmen auffällig. Bei ausführlicher Anamnese stellte sich heraus, dass die Patientin seit ca. 33 Jahren Vitiligo hat und vor ca. 38 Jahren ihre erste Addisonkrise hatte. Seit damals ist auch eine Hashimoto-Thyreoiditis bekannt. Zusätzlich besteht seit 1992 ein Diabetes mellitus Typ 1. Aufgrund der Anamnese und der Befunde (Elektrolyte) wurde nicht erst auf das Einlangen des Hormonbefundes (Serumcortisol) gewartet, sondern mit einer entsprechenden Hydrokortisontherapie – wie bei einer Addisonkrise üblich – begonnen. Zur Bestätigung des angenommenen Cortisol- Mangels und einer schlechten Diabetesstoffwechseleinstellung wurde um 8 Uhr in der Früh eine Laborprobe abgenommen. Das Cortisol lag bei 0,05μg/dl (Referenzbereich: 6,24–18,0μg/l) und der HbA<sub>1c</sub> bei 10,1 % . Um die Einstellung der Schilddrüsenhormonsubstitutionstherapie zu überprüfen, wurden ebenfalls die Schilddrüsenwerte bestimmt. Der TSH-Wert lag bei 14,7μU/ml (Referenzbereich: 0,200–3,700μU/ml), das freie T4 betrug 0,67ng/dl (0,90–1,70ng/dl) und das freie T3 lag bei 1,89pg/ml (2,00–4,50pg/ml). Aufgrund dieser Laborwerte wurde die SD-Hormontherapie adaptiert.<br /> Nachdem sich die Symptome und die Serumelektrolyte rasch besserten, konnte nach einigen Tagen die Kortisontherapie auf eine orale Gabe umgestellt werden. Die Blutzuckerwerte zeigten allerdings noch Schwankungen, weswegen die Insulintherapie der Patientin mehrfach adaptiert werden musste. Die Patientin gestand ein, die letzten Kontrollen nicht wahrgenommen und die Medikamente nicht so genau wie empfohlen genommen zu haben. Es wurden Kontrollen in der Endokrinen Ambulanz vereinbart. Der parallele Ausfall von drei endokrinen Drüsen ist durchaus bemerkenswert und beschreibt ein seltenes Syndrom, auch polyendokrines Autoimmunsyndrom oder Schmidt-Syndrom genannt.</p> <h2>Schmidt-Syndrom</h2> <p>Das polyendokrine Autoimmunsyndrom (PAS) ist eine autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, die aufgrund eines Autoimmunprozesses unbekannter Ursache zu einer Insuffizienz verschiedener endokriner Organe führt. Es werden zwei Formen unterschieden, einerseits Typ 1, die juvenile Form, Blizzard-Syndrom oder APECED (Autoimmun-Polyendokrinopathie- Candidiasis – Ektodermale Dystrophie) und andererseits das polyendokrine Autoimmunsyndrom Typ 2 (PAS-2), die adulte Form (Schmidt-Syndrom).<br />Bei der Pathogenese der juvenilen Form kommt es zu einer Mutation im AIRE-Gen („autoimmune regulator gene“), welches für die Kodierung der Proteinproduktion an der Zelle verantwortlich ist. AIRE ist vermehrt in der Thymusdrüse vorhanden, wo auch T-Lymphozyten produziert werden. Bei Fehlfunktion werden diese TZellen von Selbstantigenen präsentiert und wandern in den Körperkreislauf, wo es anschließend zu einer Autoimmunreaktion kommt. Die Autoimmunreaktion greift dann hauptsächlich endokrine Drüsen an. Wieso gerade mehrheitlich diese angegriffen werden, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Beim Schmidt- Syndrom (adulte Form) kommt es hingegen zu keiner Mutation, sondern pathophysiologisch zu einer reinen Autoimmunerkrankung. Die Pathogenese ist ebenfalls ungeklärt und weist lediglich eine Assoziation mit einer positiven Familienanamnese von Stoffwechselstörungen sowie HLA-B8-DR3-positiven Erkrankungen auf.</p> <p><strong>Typische Symptome des PAS-2</strong></p> <ul> <li>Nebenniereninsuffizienz (unsere Patientin)</li> <li>Hypothyreoidismus (unsere Patientin)</li> <li>DM Typ 1 (unsere Patientin)</li> <li>Zöliakie</li> <li>Vitiligo (unsere Patientin)</li> <li>Alopezie</li> <li>Perniziöse Anämie</li> <li>Myasthenia gravis</li> </ul> <h2>Diagnostische Untersuchungen und Therapie</h2> <p>Laborchemische Untersuchungen werden je nach Symptomen empfohlen. Eine Familienanamnese ist essenziell, um Differenzialdiagnosen nachzugehen. Ca. 10 % der PAS-2-Patienten mit Nebenniereninsuffizienz haben Verwandte ersten Grades mit Nebenniereninsuffizienz. Rund 10 % der Patienten mit PAS-2 und DM Typ 1 haben Verwandte ersten Grades mit gleicher Erkrankung, noch häufiger findet sich eine Autoimmunthyreoiditis. Antikörpernachweise, die schon vor Ausbruch der vollen Symptomatik die Autoimmungenese beweisen können, sind ggf. gegen 21-Hydroxylase (M. Addison), GAD-65 und IA2 (DM1), TSH-Rezeptor und Thyreoperoxidase (Autoimmunthyreoiditis) nachweisbar. Die Therapie besteht im Wesentlichen aus konsequenter Hormonersatztherapie sowie aus symptomorientierter Therapie von auftretenden Komplikationen.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<ul> <li>Husebye ES et al.: N Engl J Med 2018; 378(12): 1132-41</li> <li>Rare Disease Database; Autoimmune Polyglandular Syndrome Type 1: https://rarediseases.org/rare-diseases/autoimmune- polyglandular-syndrome-type-1/</li> <li>Rare Disease Database; Autoimmune Polyglandular Syndrome Type II: https://rarediseases.org/rare-diseases/autoimmune- polyendocrine-syndrome-type-ii/</li> </ul>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...
Neue Studiendaten zu Typ-2-Diabetes und Lebensstil
Dass gesunde Ernährung und Bewegung das Diabetesrisiko sowie verschiedene Risiken von Patienten mit Diabetes senken, ist seit Langem bekannt. Und das Detailwissen zur Bedeutung von ...
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Patienten mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer ...