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Polyendokrines Autoimmunsyndrom

Eine ganz normale Addisonkrise?

<p class="article-intro">Nachdem wir im vorigen Teil unserer Serie einen jungen Patienten mit Morbus Addison präsentiert haben, möchten wir nun anhand einer Patientin zeigen, wie sich eine Addisonkrise im Klinikalltag darstellen kann. Sie hatte nicht nur einen Hormonausfall, sondern gleich mehrere.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei einer Addisonkrise ist sofort eine entsprechende Therapie zu beginnen.</li> <li>Bei Vitiligo sowie bei Verdacht auf andere endokrine Erkrankungen (speziell HLA-B8-DR3- positive Erkrankungen) und vorliegenden hormonellen Ausf&auml;llen ist an ein polyglandul&auml;res Autoimmunsyndrom zu denken, sodass eine weitere endokrinologische Diagnostik mit Abnahme der entsprechenden Antik&ouml;rper empfohlen ist.</li> <li>Ausf&uuml;hrliche Familienanamnese essenziell</li> <li>Halbj&auml;hrliche Kontrollen an einem Zentrum f&uuml;r Endokrinologie, um die Hormonsubstitutionstherapie zu kontrollieren sowie Komplikationen zu vermeiden</li> <li>Ausf&uuml;hrliche Aufkl&auml;rung (Notfallausweis) und Information &uuml;ber die Komplikationen der einzelnen Hormondr&uuml;sen sowie Therapieanpassung bei au&szlig;ergew&ouml;hnlichen Situationen</li> </ul> </div> <p>Im August 2018 wurde eine 72-j&auml;hrige Patientin wegen Bauchschmerzen mit der Rettung an unsere Erstversorgung gebracht. Die Patientin war hypoton mit einem Blutdruck von 92/52mmHg bei einer normalen Herzfrequenz von 81/min. Sie berichtet, dumpfe Unterbauchschmerzen seit ca. 6 Wochen zu haben. Seit einer Woche seien diese st&auml;rker, die letzten 3 Tage vor der Aufnahme w&auml;ren sie durchgehend unertr&auml;glich geworden. Aufgrund der heftigen Unterbauchschmerzen wurde die Patientin prim&auml;r auf die chirurgische Ambulanz &uuml;berwiesen. Dort zeigte sich ein leicht positiver H&auml;moccult, au&szlig;erdem wurde eine erh&ouml;hte Stuhlfrequenz bei reduziertem Appetit angegeben. Die vor einem Jahr durchgef&uuml;hrte Koloskopie und Gastroskopie seien jedoch laut der Patientin unauff&auml;llig gewesen. Im Labor zeigten sich ein N&uuml;chternzucker von 143mg/dl, eine Hyponatri&auml;mie von 126mmol/l und eine Hyperkali&auml;mie mit 4,9mmol/l sowie eingeschr&auml;nkte Nierenfunktionsparameter (GFR 42ml/min/1,7m<sup>2</sup> und Kreatinin 1,25mg/dl). Aufgrund der Hypotonie, des positiven H&auml;moccults unbekannter Ursache sowie der Elektrolytst&ouml;rungen wurde entschieden, die Patientin station&auml;r aufzunehmen.</p> <h2>Station&auml;re Aufnahme</h2> <p>Die Patientin wurde daher wegen eines Verdachts auf eine Addisonkrise mit diffusen Unterbauchschmerzen &uuml;bernommen. Eine Endoskopie zur Abkl&auml;rung des positiven H&auml;moccult-Tests wurde von der Patientin abgelehnt. Bei der k&ouml;rperlichen Untersuchung waren die braunverf&auml;rbte Haut sowie Vitiligo an H&auml;nden und Unterarmen auff&auml;llig. Bei ausf&uuml;hrlicher Anamnese stellte sich heraus, dass die Patientin seit ca. 33 Jahren Vitiligo hat und vor ca. 38 Jahren ihre erste Addisonkrise hatte. Seit damals ist auch eine Hashimoto-Thyreoiditis bekannt. Zus&auml;tzlich besteht seit 1992 ein Diabetes mellitus Typ 1. Aufgrund der Anamnese und der Befunde (Elektrolyte) wurde nicht erst auf das Einlangen des Hormonbefundes (Serumcortisol) gewartet, sondern mit einer entsprechenden Hydrokortisontherapie &ndash; wie bei einer Addisonkrise &uuml;blich &ndash; begonnen. Zur Best&auml;tigung des angenommenen Cortisol- Mangels und einer schlechten Diabetesstoffwechseleinstellung wurde um 8 Uhr in der Fr&uuml;h eine Laborprobe abgenommen. Das Cortisol lag bei 0,05&mu;g/dl (Referenzbereich: 6,24&ndash;18,0&mu;g/l) und der HbA<sub>1c</sub> bei 10,1 % . Um die Einstellung der Schilddr&uuml;senhormonsubstitutionstherapie zu &uuml;berpr&uuml;fen, wurden ebenfalls die Schilddr&uuml;senwerte bestimmt. Der TSH-Wert lag bei 14,7&mu;U/ml (Referenzbereich: 0,200&ndash;3,700&mu;U/ml), das freie T4 betrug 0,67ng/dl (0,90&ndash;1,70ng/dl) und das freie T3 lag bei 1,89pg/ml (2,00&ndash;4,50pg/ml). Aufgrund dieser Laborwerte wurde die SD-Hormontherapie adaptiert.<br /> Nachdem sich die Symptome und die Serumelektrolyte rasch besserten, konnte nach einigen Tagen die Kortisontherapie auf eine orale Gabe umgestellt werden. Die Blutzuckerwerte zeigten allerdings noch Schwankungen, weswegen die Insulintherapie der Patientin mehrfach adaptiert werden musste. Die Patientin gestand ein, die letzten Kontrollen nicht wahrgenommen und die Medikamente nicht so genau wie empfohlen genommen zu haben. Es wurden Kontrollen in der Endokrinen Ambulanz vereinbart. Der parallele Ausfall von drei endokrinen Dr&uuml;sen ist durchaus bemerkenswert und beschreibt ein seltenes Syndrom, auch polyendokrines Autoimmunsyndrom oder Schmidt-Syndrom genannt.</p> <h2>Schmidt-Syndrom</h2> <p>Das polyendokrine Autoimmunsyndrom (PAS) ist eine autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, die aufgrund eines Autoimmunprozesses unbekannter Ursache zu einer Insuffizienz verschiedener endokriner Organe f&uuml;hrt. Es werden zwei Formen unterschieden, einerseits Typ 1, die juvenile Form, Blizzard-Syndrom oder APECED (Autoimmun-Polyendokrinopathie- Candidiasis &ndash; Ektodermale Dystrophie) und andererseits das polyendokrine Autoimmunsyndrom Typ 2 (PAS-2), die adulte Form (Schmidt-Syndrom).<br />Bei der Pathogenese der juvenilen Form kommt es zu einer Mutation im AIRE-Gen (&bdquo;autoimmune regulator gene&ldquo;), welches f&uuml;r die Kodierung der Proteinproduktion an der Zelle verantwortlich ist. AIRE ist vermehrt in der Thymusdr&uuml;se vorhanden, wo auch T-Lymphozyten produziert werden. Bei Fehlfunktion werden diese TZellen von Selbstantigenen pr&auml;sentiert und wandern in den K&ouml;rperkreislauf, wo es anschlie&szlig;end zu einer Autoimmunreaktion kommt. Die Autoimmunreaktion greift dann haupts&auml;chlich endokrine Dr&uuml;sen an. Wieso gerade mehrheitlich diese angegriffen werden, ist bis heute noch nicht eindeutig gekl&auml;rt. Beim Schmidt- Syndrom (adulte Form) kommt es hingegen zu keiner Mutation, sondern pathophysiologisch zu einer reinen Autoimmunerkrankung. Die Pathogenese ist ebenfalls ungekl&auml;rt und weist lediglich eine Assoziation mit einer positiven Familienanamnese von Stoffwechselst&ouml;rungen sowie HLA-B8-DR3-positiven Erkrankungen auf.</p> <p><strong>Typische Symptome des PAS-2</strong></p> <ul> <li>Nebenniereninsuffizienz (unsere Patientin)</li> <li>Hypothyreoidismus (unsere Patientin)</li> <li>DM Typ 1 (unsere Patientin)</li> <li>Z&ouml;liakie</li> <li>Vitiligo (unsere Patientin)</li> <li>Alopezie</li> <li>Pernizi&ouml;se An&auml;mie</li> <li>Myasthenia gravis</li> </ul> <h2>Diagnostische Untersuchungen und Therapie</h2> <p>Laborchemische Untersuchungen werden je nach Symptomen empfohlen. Eine Familienanamnese ist essenziell, um Differenzialdiagnosen nachzugehen. Ca. 10 % der PAS-2-Patienten mit Nebenniereninsuffizienz haben Verwandte ersten Grades mit Nebenniereninsuffizienz. Rund 10 % der Patienten mit PAS-2 und DM Typ 1 haben Verwandte ersten Grades mit gleicher Erkrankung, noch h&auml;ufiger findet sich eine Autoimmunthyreoiditis. Antik&ouml;rpernachweise, die schon vor Ausbruch der vollen Symptomatik die Autoimmungenese beweisen k&ouml;nnen, sind ggf. gegen 21-Hydroxylase (M. Addison), GAD-65 und IA2 (DM1), TSH-Rezeptor und Thyreoperoxidase (Autoimmunthyreoiditis) nachweisbar. Die Therapie besteht im Wesentlichen aus konsequenter Hormonersatztherapie sowie aus symptomorientierter Therapie von auftretenden Komplikationen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <ul> <li>Husebye ES et al.: N Engl J Med 2018; 378(12): 1132-41</li> <li>Rare Disease Database; Autoimmune Polyglandular Syndrome Type 1: https://rarediseases.org/rare-diseases/autoimmune- polyglandular-syndrome-type-1/</li> <li>Rare Disease Database; Autoimmune Polyglandular Syndrome Type II: https://rarediseases.org/rare-diseases/autoimmune- polyendocrine-syndrome-type-ii/</li> </ul> </div> </p>
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