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Gynécologie suisse

«Die Förderung des Nachwuchses ist für uns ein ganz zentrales Thema»

Ende Juni fand in Interlaken der Jahreskongress der Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) statt. Prof. Michael Mueller sprach mit Leading Opinions im Vorfeld über sein erstes Jahr als Präsident der Gesellschaft sowie über die Organisation und die Schwerpunkte des Kongresses.

2023 wurden Sie im Rahmen der Mitgliederversammlung zum neuen Präsidenten der SGGG gewählt. Wie ist es Ihnen im ersten Jahr ergangen?

M. Mueller: Es war viel mehr Arbeit, als ich mir vorstellen konnte, aber es war auch gleichzeitig eine sehr spannende Arbeit. In diesem Jahr habe ich realisiert, dass alle Mitglieder sehr motiviert sind, und auch, dass es der Gesellschaft gut geht.

In der Medizin herrscht allgemein eine Umbruchsstimmung und es wird immer deutlicher – auch innerhalb der Gesellschaft –, dass wir nur eine Chance haben, wenn wir gemeinsam an einem Strick ziehen.

Worauf haben Sie bei der Planung der ersten Jahrestagung mit Ihnen als Kongresspräsident besonders grossen Wert gelegt?

M. Mueller: Bei der Planung haben wir versucht, den Fokus auf praxisnahe Themen zu legen. Aus diesem Grund konnten die verschiedenen Arbeitsgruppen der Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Themenvorschläge einbringen und wir haben dann versucht, mehrere dieser Themen in eine Session zu integrieren. So ist es uns gelungen, alle Arbeitsgruppen zu involvieren und gleichzeitig auch sicherzustellen, dass die diskutierten Themen wirklich praxisnah sind.

Ich glaube, die hochspezifischen und wissenschaftlichen Themen sind besser bei spezialisierten Kongressen aufgehoben. Wir hatten z.B. dieses Jahr das Glück, dass in Genf der Kongress der Society of Endometriosis and Uterine Disorders (SEUD) stattgefunden hat. Dieser war mit über 1200 Teilnehmer:innen ein Riesenerfolg.

Diese Art von Kongressen ist aber mehr für spezialisierte Mediziner:innen geeignet.

Welche Themenschwerpunkte haben Sie gesetzt und was sind Ihre Highlights?

M. Mueller: Mein Highlight ist, verschiedene Leute zu treffen und mit ihnen zu diskutieren. Das ist das eine.

Das andere sind die Themenschwerpunkte. Bei denen haben wir versucht, verschiedene Bereiche zusammenzulegen und als gemeinsames Thema zu behandeln, z.B. Gynäkoonkologie und Brustkrebs oder auch Urogynäkologie und Phytotherapie. Alle diese Themen sind Highlights für mich.

Eines Ihrer Highlights sind also das Zusammentreffen und die Diskussion mit Kolleg:innen. Ist das ein Grund, warum die Jahrestagung nicht mehr als Hybridveranstaltung angeboten wird? Warum haben Sie sich dieses Jahr für einen Präsenzkongress entschieden?

M. Mueller: Die Idee war, den persönlichen Austausch zu fördern, gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass alle Vorträge nach dem Kongress per Stream abrufbar sind.

Was dieses Jahr neu ist, ist eine durch künstliche Intelligenz unterstütze Simultanübersetzung. Das ist ein wichtiger Punkt, da ein Schweizer Kongress natürlich alle Teile der Schweiz vereint und das immer schwieriger wird, weil es immer mehr Teilnehmer gibt, die aus der deutschen Schweiz stammen und kein Französisch sprechen, oder umgekehrt aus der französischen Schweiz und nicht Deutsch sprechen. Die KI ist hier eine kosteneffiziente Unterstützung.

<< In der Medizin herrscht Umbruchsstimmung, wir haben nur eine Chance, wenn wir gemeinsam an einem Strick ziehen.>>
M. Mueller
Wie wichtig ist Ihnen die Förderung des Nachwuchses im Rahmen der Jahrestagung?

M. Mueller: Die Förderung des Nachwuchses ist für uns ein ganz zentrales Thema. Wichtig ist, zu erwähnen, dass ab diesem Jahr Personen in Weiterbildung nichts für die Teilnahme am Kongress bezahlen müssen. Wenn man also z.B. Mitglied des Jungen Forums ist oder nachweisen kann, dass man sich in Weiterbildung befindet, entstehen keine Kosten, bis man den Facharzt hat.

Zusätzlich offerieren wir dieses Jahr denneuen Fachärzt:innen oder jenen, die 2023 einen Schwerpunkt erreicht haben, ein spezielles Aperitif. Traditionell gab es ein Aperitif, bei dem sich die früheren Präsident:innen der Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe trafen. Das ändern wir in diesem Jahr und laden zu einem gemeinsamen Aperitif ein, um Jung und Alt zu durchmischen.

Ausserdem investieren wir dieses Jahr einen ganzen Tag in «Quo vadis Gynäkologie und Geburtshilfe», mit dem Ziel, nicht nur den Kongress, sondern auch den Beruf den nachkommenden Generationen anzupassen.

Es gibt auch Workshops, unter anderem einen, der «Meet the Seniors» heisst. In diesem Rahmen kann man sich am runden Tisch mit Personen, die schon im Beruf sind, eine Praxis haben oder die in einem Spital arbeiten, austauschen und diskutieren.

<< Die künstliche Intelligenz wird sich zunehmend in unserem Fachbereich etablieren, insbesondere wegen des Fachkräftemangels.>>
M. Mueller
Welche Themen werden Ihrer Meinung nach die Gynäkologie und Geburtshilfe in näherer Zukunft fachlich sowie berufspolitisch verändern?

M. Mueller: Berufspolitisch wird sich in relativ naher Zukunft sehr viel verändern. Einerseits wird «ambulant vor stationär» immer wichtiger, andererseits geht es um den Fachkräftemangel und die Arbeitsstunden. Ich bin überzeugt davon, dass die jungen Generationen gleich gut wie wir oder noch besser sein möchten, aber gleichzeitig auch viel spezialisierter. Das heisst, man wird in Zukunft vorwiegend auf einem Gebiet spezialisiert sein. Dazu zählt z.B. auch die allgemeine Gynäkologie in der Sprechstunde: Gynäkolog:innen führen eine Sprechstunde in der Praxis, sind aber nicht operativ tätig. In der Onkologie wird der Weg die individualisierte Medizin sein. Allgemein werden Genetik, Immunbiologie und Histologie sicherlich unsere Zukunft bestimmen.

Ein grosses Thema wird natürlich auch die künstliche Intelligenz werden. Ich gehe ganz klar davon aus, dass sich diese zunehmend in unserem Fachgebiet etablieren wird, insbesondere wegen des Fachkräftemangels. Die professionelle medizinische Versorgung auf dem Gebiet der Gynäkologie und Geburtshilfe in der Schweiz liegt mir sehr am Herzen.

Vielen Dank für das Gespräch!
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