
Geschlechter-spezifische Analyse: Einfluss von 25-OH-Vitamin D auf Prädiabetes
Autorin:
Dr. Teresa Gisinger
Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Medizinische Universität Wien
E-Mail: teresa.gisinger@meduniwien.ac.at
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Vitamin D ist ein wichtiger Mikronährstoff in der menschlichen Ernährung.1Nichtsdestotrotz leiden ungefähr 13% der europäischen Bevölkerung unter einem Vitamin-D-Mangel.1Dementsprechend wirdderzeit eine Vielzahl an Studiendurchgeführt, die sich mit der Auswirkung des Vitamin-D-Mangels auf den menschlichen Körper beschäftigen.
Keypoints
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Vitamin-D-Mangel ist sehr häufig.
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Vitamin D könnte das Outcome bei Diabetes mellitus beeinflussen.
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Vitamin D hat wahrscheinlich einen positiven Effekt auf das metabolische Profil von Patienten mit Prädiabetes.
Vitamin D hat nicht nur einen Effekt auf die Skelettmuskulatur, sondern auch auf andere Organe, wie auf das Pankreas.2 In Studien wurde festgestellt, dass ein Vitamin-D-Rezeptor auf den Betazellen des Pankreas existiert, welcher durch Insulin beeinflusst wird.3,4 Zusätzlich wird behauptet, dass die Insulinresistenz und -sekretion durch die unterschiedliche Expression dieses Vitamin-D-Rezeptors auf den Betazellen beeinflusst werden können.5 Es wird vermutet, dass Vitamin D einen schützenden Effekt auf die Betazellen des Pankreas gegen entzündliche Prozesse hat.6 25-Hydroxy-Vitamin-D dient als Indikator für den Vitamin-D-Status im menschlichen Organismus. Studien zeigten, dass niedrige Level von 25-Hydroxy-Vitamin-D mit gestörter Glukosetoleranz und erhöhter Prävalenz von Diabetes mellitus zusammenhängen.7 Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass niedrige Level von 25-Hydroxy-Vitamin-D mit einem höheren Risiko für diabetische Komplikationen wie Nephropathie, Retinopathie und Neuropathie einhergehen.8
Prädiabetes und Vitamin D
Nicht nur Diabetes mellitus ist verbreitete, sondern auch Prädiabetes als Vorstufe.92017 wurde vom National Diabetes Report der U.S. Center for Disease Control and Prevention vermutet, dass in den USA ungefähr 34% der Erwachsenen an Prädiabetes leiden.10 Eine frühere Studie aus China konnte zeigen, dass niedrige Level von 25-Hydroxy-Vitamin-D mit einer höheren Prävalenz von Diabetes mellitus und Prädiabetes zusammenhängen.11 Zusätzlich wurde berichtet, dass Menschen schon 4 Jahre vor ihrer Diagnose mit Prädiabetes oder Diabetes mellitus niedrige Level von 25-Hydroxy-Vitamin-D hatten.11 Auch die Weiterentwicklung von Prädiabetes zu Diabetes mellitus könnte demnach von Vitamin D beeinflusst werden. Eine schwedische Studie untermauerte, dass der 25-Hydroxy-Vitamin-D-Status einen indirekten Einfluss auf die Prävalenz von Diabetes mellitus in einer Kohorte mit Prädiabetes hatte.12 Jedoch wurde nach Adjustierung der statistischen Modelle festgestellt, dass dieser Effekt nur bei Männern nachweisbar ist.12 Eine Erklärung dafür könnte der Body-Mass-Index sein.12
Negativer Effekt auf Insulinresistenz
Eine chinesische Studie bewies bei männlichen Studienteilnehmern mit neudiagnostiziertem Diabetes, dass Vitamin D einen negativen Einfluss auf Insulinresistenz hat.13 In der weiblichen Studienkohorte sowie in der gesamten Studienkohorte war dieser Effekt jedoch nicht sichtbar.13 Zu diesem Thema gibt es prospektive Studien, welche den Verdacht nahelegen, dass die orale Substitution von Vitamin D bei Studienteilnehmern mit Prädiabetes zur geringeren Weiterentwicklung von Diabetes mellitus führt.14 Dennoch gibt es erst wenige Studien, die sich mit dem Einfluss von Vitamin D auf das metabolische Profil von Menschen mit Prädiabetes beschäftigen. Vor allem gibt es keine Studien, die sich den geschlechterspezifischen Effekt anschauen.
Effekte von Vitamin D abhängig vom Geschlecht?
In der Prädiabetes-Ambulanz des Sanatoriums Hera in Wien haben wir Patienten anhand ihres Vitamin-D-Status in eine Gruppe mit niedrigem Vitamin D und eine mit hohem Vitamin D eingeteilt. Zusätzlich haben wir die Studienkohorte entsprechend ihrem biologischem Geschlecht geteilt (männlich vs. weiblich). In einem linearen Regressionsmodell konnten wir uns den Zusammenhang zwischen 25-Hydroxy-Vitamin-D und den metabolischen Parametern ansehen (Tab. 1).
Tab. 1: Frequenz, Mittelwert und Standardabweichung für alle Parameter in der Gruppe mit niedrigem Vitamin D/hohem Vitamin D. Niedriges Vitamin D ist definiert als 25-OH-Vitamin-D < 26,5 ng/ml. Hohes Vitamin D ist definiert als ≥ 26,5 ng/ml
Diese Analysen führten wir für die gesamte Studienkohorte, die männliche und die weibliche Gruppe sowie die Gruppen mit niedrigem und hohem Vitamin D durch. In der gesamten Studienkohorte konnten wir einen negativen Einfluss des 25-Hydroxy-Vitamin-D-Levels auf die Triglyzerid-, HDL-Cholesterin-, LDL-Cholesterin-, Gesamtcholesterinwerte, Body-Mass-Index, Bauchumfang und Insulin-Level sehen. In der geschlechterspezifischen Analyse konnten in der männlichen Gruppe die gleichen Effekte wie in der Analyse der Gesamtkohorte gezeigt werden. Jedoch sahen wir zusätzlich einen negativen Effekt des 25-Hydroxy-Vitamin-D-Levels auf die Blutzuckerwerte und die HbA1c-Werte. In der weiblichen Gruppe wurden abermals die Effekte der Analyse auf die Gesamtkohorte verifiziert. Jedoch zeigte sich zusätzlich ein negativer Zusammenhang zwischen 25-Hydroxy-Vitamin-D und den systolischen und diastolischen Blutdruckwerten. Vereinfacht wurde in unserer Studie nachgewiesen, dass Menschen mit normwertigem Vitamin D und Prädiabetes ein besseres metabolisches Profil haben als Menschen mit Vitamin-D-Mangel und Prädiabetes.
Fazit
Da die Studienkohorte aus Menschen mit Prädiabetes besteht, war für uns vor allem der Zusammenhang zwischen Vitamin D und Insulin sowie dem HbA1c-Wert von Relevanz. Die negative Korrelation zwischen Vitamin D und den HbA1c-Werten war vor allem in der weiblichen Gruppe sichtbar. Schon frühere Studien konnten einen negativen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Level und Insulinresistenz, Nüchternblutzucker und Insulinwerten nachweisen.15–17 Diese Studien wurden jedoch immer bei Individuen mit Diabetes mellitus und mit Prädiabetes durchgeführt.
Praxistipp
Beim nächsten Patienten mit Prädiabetes oder Diabetes mellitus können Sie den Vitamin-D-Status bestimmen und gegebenenfalls optimieren.Der Effekt von Vitamin D auf die Cholesterinwerte ist in der Literatur kontrovers. Es gibt Studien, die eine positive Korrelation von Vitamin D mit dem Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin zeigen.18 Jedoch berichten andere Studien von niedrigeren Gesamtcholesterin- und LDL-Cholesterinwerten nach Substitution von Vitamin D.16 In unserer Studie zeigten wir eine negative Korrelation von 25-Hydroxy-Vitamin-D mit den Gesamtcholesterin- und LDL-Cholesterinwert. Dieser Effekt war besonders in der weiblichen Kohorte zu beobachten. Die Ursache dieses Phänomens könnte sein, dass Vitamin D die Expression der Apolipoproteine beeinträchtigt.19 Zusätzlich könnte dieser Effekt stärker bei Frauen sichtbar sein, da Frauen mehr subkutanes Fettgewebe haben.20
Zusammengefasst können unsere Studienergebnisse vermuten lassen, dass Menschen mit Prädiabetes von einer Vitamin-D-Substitution profitieren würden und vor allem ihr metabolisches Profil positiv beeinflusst werden könnte.
Literatur:
1 Cashman KD et al.: Vitamin D deficiency in Europe: Pandemic? Am J Clin Nutr 2016; 103(4): 1033-44 2 Szymczak-Pajor I et al.: The molecular mechanisms by which vitamin D prevents insulin resistance and associated disorders. Int J Mol Sci 2020; 21(8): 6644 3 Fan Y et al.: Vitamin D3/Vdr resists diet-induced obesity by modulating Ucp3 expression in muscles. J Biomed Sci 2016; 23(1): 56 4 Chen S et al.: Expression of the vitamin D receptor is increased in the hypertrophic heart. Hypertension 2008; 52(6): 1106-12 5 Li L et al.: Vitamin D receptor gene polymorphisms and type 2 diabetes: A meta-analysis. Arch Med Res 2013; 44(3): 235-41 6 Pilz S et al.: Role of vitamin D in the development of insulin resistance and type 2 diabetes. Curr Diab Rep 2013; 13(2): 261-70 7 Park SK et al.: Plasma 25-hydroxyvitamin D concentration and risk of type 2 diabetes and pre-diabetes: 12-year cohort study. PLoS One 2018; 13(4): e0193070 8 Zhukouskaya VV et al.: Bone health in type 1 diabetes: Focus on evaluation and treatment in clinical practice. J Endocrinol Invest 2015; 38(9): 941-50 9 Mainous AG 3rdet al.: Prediabetes diagnosis and treatment in primary care. J Am Board Fam Med 2016;29(2): 283-5 10 Centers for Disease Control and Prevention: National diabetes statistics report. Estimates of diabetes and its burden in the United States. https://www.cdc.gov/diabetes/data/statistics-report/index.html ; zuletzt aufgerufen am 25.01.2023 11 Gao Y et al.: Vitamin D and incidence of prediabetes or type 2 diabetes: A four-year follow-up community-based study. Dis Markers 2018; 1926308 12 Deleskog A et al.: Low serum 25-hydroxyvitamin D level predicts progression to type 2 diabetes in individuals with prediabetes but not with normal glucose tolerance. Diabetologia 2012; 55(6): 1668-78 13 Wang W et al.: Sex-specific association of serum 25-hydroxyvitamin D(3) with insulin resistance in Chinese han patients with newly diagnosed type 2 diabetes mellitus. J Nutr Sci Vitaminol 2018; 64(3): 178-8 14 Dawson-Hughes B et al.: Intratrial exposure to vitamin D and new-onset diabetes among adults with prediabetes: A secondary analysis from the vitamin D and type 2 diabetes (D2d) study. Diabetes Care 2020; 43(12): 2916-22 15 Raygan F et al.: The effects of vitamin D and probiotic co-supplementation on mental health parameters and metabolic status in type 2 diabetic patients with coronary heart disease: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 2018; 84(Pt A): 50-5 16 El Hajj C et al.: Effect of vitamin D treatment on glucose homeostasis and metabolism in lebanese older adults: A randomized controlled trial. J Nutr Health Aging 2018; 22(9): 1128-32 17 Chiang J et al.: Vitamin D levels, body composition, and metabolic factors in Asian Indians: Results from the metabolic syndrome and atherosclerosis in South Asians living in America pilot study. Ann Nutr Metab 2018; 72(3): 223-30 18 Schwetz V et al.: Vitamin D supplementation and lipoprotein metabolism: A randomized controlled trial. J Clin Lipidol 2018; 12(3): 588-96.e4 19 Wehmeier K et al.: Inhibition of apolipoprotein Ai gene expression by 1,25-dihydroxyvitamin D3. Biochim Biophys Acta 2005; 1737(1): 16-26 20 Muscogiuri G et al.: Sex differences of vitamin D status across BMI classes: An observational prospective cohort study. Nutrients 2019; 11(12): 3034
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