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GLP-1-Analoga: Second Line nach Metformin?
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner
Krankenhaus Hochzirl-Natters<br>E-Mail: monika.lechleitner@tirol-kliniken.at
30
Min. Lesezeit
08.03.2018
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<p class="article-intro">Entsprechend nationalen und internationalen Leitlinienempfehlungen stellt Metformin in der Behandlung von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 grundsätzlich die medikamentöse Basistherapie dar. Im Fall der Notwendigkeit einer Therapieerweiterung ergibt sich eine Reihe von Möglichkeiten einer sinnvollen Kombinationstherapie, wobei GLP-1-Analoga viele vorteilhafte Effekte aufweisen. Wichtige Entscheidungskriterien bei der Auswahl der Kombinationstherapie sind die Bezugnahme auf den Glukophänotyp und Ergänzungen im Wirkprofil, die Effektivität in der Verbesserung der glykämischen Kontrolle, das Nebenwirkungsprofil und die Sicherheit der Medi­kation, insbesondere auch hinsichtlich des Hypoglykämierisikos.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Therapieerweiterung einer Basismedikation mit Metformin durch GLP-1-Analoga bietet eine Reihe von Vorteilen hinsichtlich der glykämischen Kontrolle, des Körpergewichts und des kardiovaskulären Risikos.</li> <li>Die Akzeptanz einer Injektionstherapie durch den Patienten und die potenziellen Neben­wirkungen sind abzuwägen.</li> <li>Begrenzungen ergeben sich insbesondere durch die Kosten und die Erstattungssituation für die unterschiedlichen GLP-1-Analoga in Österreich.</li> </ul> </div> <p>Da ein Großteil der Typ-2-Diabetiker übergewichtig oder adipös ist, sind gewichtsneutrale oder gewichtsreduzierende Substanzklassen von Vorteil. Die in rezenten Studien dargestellten günstigen kardiovaskulären Effekte von GLP-1-Analoga und SGLT2-Inhibitoren (Tab. 1) führen zu Empfehlungen, diese Substanzklassen bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen bevorzugt einzusetzen.<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Diabetes_1801_Weblinks_s46.jpg" alt="" width="1419" height="884" /></p> <h2>Glykämische Kontrolle</h2> <p>GLP-1-Analoga ähneln in der Struktur humanem GLP-1, weisen jedoch aufgrund der Veränderungen in der Peptidstruktur eine längere biologische Halbwertszeit auf. Der Wirkmechanismus der GLP-1-Analoga beruht vor allem auf einer Steigerung der nahrungsabhängigen Insulinsekretion und Hemmung der Glukagonsekretion.<sup>2</sup> Für eine Erweiterung der Basistherapie mit Metformin durch ein GLP-1-Analogon sprechen die Ergänzungen im Wirkprofil und vor allem die Effektivität in der Verbesserung der glykämischen Kontrolle bei niedrigem Hypoglykämierisiko. Derzeit stehen mehrere GLP-1-Analoga für die Therapie des Typ-2-Diabetes zur Verfügung (als kurz wirksame Präparate Exenatid und Lixisenatid, als lang wirksame Liraglutid, Dulaglutid und Exenatid LAR). In klinischen Studien und Metaanalysen konnte für die unterschiedlichen GLP-1-Analoga eine HbA1c-Reduktion von 0,5 % bis 1,9 % beschrieben werden.<sup>3–5</sup> GLP-1-Analoga verzögern die Magenentleerung und stimulieren Sättigungsmechanismen. Das Ausmaß der Gewichtsreduktion unter GLP-1-Analoga betrug in klinischen Studien etwa 2–4kg.<sup>4</sup></p> <h2>Nebenwirkungsprofil</h2> <p>Als häufige Nebenwirkung einer Therapie mit GLP-1-Analoga finden sich gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö), deren Intensität jedoch mit zunehmender Behandlungsdauer abnimmt. Bei bis zu 70 % der Patienten kommt es zum Auftreten von Antikörpern, die entsprechend den Literaturangaben jedoch zu keiner Wirkabschwächung führen. Problematisch für die Therapieadhärenz kann das Auftreten von Lokalreaktionen im Bereich der Injektionsstelle sein, auch im Hinblick auf die grundsätzlichen Vorbehalte von Patienten gegenüber einer Infektionstherapieform. <br />Viele kritische Einschätzungen der GLP-1-Analoga haben sich auf ein potenziell erhöhtes Tumorrisiko bezogen. So fand sich in Tiermodellen ein erhöhtes Risiko bezüglich der Entwicklung eines medullären Schilddrüsenkarzinoms. Da die Expression von GLP-1-Rezeptoren in den menschlichen Schilddrüsen signifikant geringer ist, wird dies auch mit einem signifikant geringeren Tumorrisiko interpretiert. Metaanalysen, wie auch die Daten aus den großen rezent publizierten Studien zur kardiovaskulären Sicherheit, ergaben keine zusätzlichen Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Pankreatitis oder eines Pankreaskarzinoms.<sup>6, 7</sup> In der LEADER-Studie war die Inzidenz für Pankreatitis unter Liraglutid sogar niedriger als unter Placebo. Dennoch wird insgesamt von einem Einsatz von GLP-1-Analoga bei Patienten im Zustand nach Pankreatitis oder bei chronischer Pankreatitis abgeraten. <br />Für die klinische Praxis von Bedeutung ist die mögliche Interaktion von GLP-1-Analoga mit weiteren Pharmaka. Zu beachten ist die verzögerte Magenentleerung, die zu einer Veränderung der duodenalen Absorption von Medikamenten führen könnte (orale Antikonzeptiva, Antibiotika).<sup>8</sup></p> <h2>Kardiovaskuläre Effekte und mikrovaskuläre Spätkomplikationen</h2> <p>In den Studien zur kardiovaskulären Sicherheit der GLP-1-Analoga zeigte sich für Lixisenatid und Exenatid ein neutrales Ergebnis (Tab. 1). Für Liraglutid konnte in der LEADER-Studie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem hohen kardiovaskulären Risiko gegenüber Placebo eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes nicht fataler Myokardinfarkt, nicht fataler Schlaganfall und kardiovaskulärer Tod beschrieben werden.<sup>9</sup> Auch die Gesamtmortalität war in der mit Liraglutid behandelten Patientengruppe niedriger als in der Vergleichsgruppe. Eine nicht signifikante Reduktion wurde für die Rate von Myokardinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz beobachtet. Subanalysen der LEADER-Studie konnten außerdem aufzeigen, dass Liraglutid zu einer Verringerung der Manifestationsrate an persistierender Makroalbuminurie führt.<sup>10</sup></p> <h2>Komorbiditäten</h2> <p>Als ein Teilsymptom des metabolischen Syndroms werden die nicht alkoholische Fettlebererkrankung und das polyzystische Ovarsyndrom definiert. GLP-1-Analoga zeigen in klinischen Studien günstige Effekte auf die nicht alkoholische Fettlebererkrankung<sup>11</sup>, wie eine Reduktion erhöhter Transaminasewerte, sowie histologisch eine Verminderung der Steatohepatitis und der Fibrosierung.<sup>12–14</sup> Bei Frauen mit polyzystischem Ovarsyndrom wurde unter Liraglutid eine deutliche Gewichtsabnahme, die von einer Verminderung des Spiegels von freiem Testosteron und einem Anstieg von SHBG gefolgt war, beobachtet.<sup>15</sup><br />Der Stellenwert einiger Effekte einer Therapie mit GLP-1-Analoga ist derzeit noch unklar. So führen kurz wirksame GLP-1-Analoga (Exenatid und Lixisenatid) zu einer transienten Zunahme der Herzfrequenz um 1–3 Schläge pro Minute, lang wirksame GLP-1-Analoga (Liraglutid, Albiglutid) um bis zu 6–10 Schläge pro Minute.<sup>16</sup> Die Datenlage hinsichtlich der Einflussnahme von GLP-1-Analoga in Bezug auf das ossäre Frakturrisiko ist divergent. In einer aktuellen Metaanalyse unter Einbeziehung von 16 Studien fand sich für Liraglutid eine signifikante Reduktion des Frakturrisikos, für Exenatid jedoch ein erhöhtes Risiko.<sup>17</sup></p></p>
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<p><strong>1</strong> American Diabetes Association: Diabetes Care 2018; 41(Suppl 1): S73-S85 <strong>2</strong> Degn KB et al.: Diabetes 2004; 53(5): 1187-94 <strong>3</strong> Levin PA et al.: Diabetes Obes Metab 2017; 10: 123-39 <strong>4</strong> Leiter LA, Nauck MA: Exp Clin Endocrinol Diabetes 2017; 125(7): 419-35 <strong>5</strong> Htike ZZ et al.: Diabetes Obes Metab 2017; 19(4): 524-36 <strong>6</strong> Monami M et al.: Diabetes Res Clin Pract 2014; 103(2): 269-75 <strong>7</strong> Thomsen RW et al.: Diabetes Care 2015; 38(6): 1089-98 <strong>8</strong> Hurren KM et al.: Ann Pharmacother 2012; 46(5): 710-7 <strong>9</strong> Marso SP et al.: N Engl J Med 2016; 375(4): 311-22 <strong>10</strong> Mann JFE et al.: N Engl J Med 2017; 377(9): 839-48 <strong>11</strong> Gupta NA et al.: Hepatology 2010; 51(5): 1584-92 <strong>12</strong> Gluud LL et al.: BMJ 2014; 4(12): e005325 <strong>13</strong> Armstrong MJ et al.: Lancet 2016; 387(10019): 679-90 <strong>14</strong> Khoo J et al.: Diabetes Obes Metab 2017; 19(12): 1814-7 <strong>15</strong> Nylander M et al.: Reprod Biomed Online 2017; 35(1): 121-7 <strong>16</strong> Lorenz M et al.: Cardiovasc Diabetol 2017; 16(1): 6 <strong>17</strong> Su B et al.: Endocrine 2015; 48(1): 107-15</p>
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