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Mammakarzinom: Knochenschutz bei endokriner Therapie
Leading Opinions
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01.09.2016
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<p class="article-intro">Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom profitieren nachweislich von einer adjuvanten endokrinen Therapie. Eine solche fördert jedoch auch den Knochenabbau. In welchen Situationen eine Begleitbehandlung mit einem Antiresorptivum Sinn macht, erläuterte Dr. med. Emmanuel Biver vom Universitätsspital Genf an der Jahresversammlung der Schweizerischen Vereinigung gegen Osteoporose (SVGO) in Bern.</p>
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<p class="article-content"><p>Für die endokrine Therapie von Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom stehen heute zwei Medikamentengruppen zur Verfügung: der SERM oder selektive Östrogenrezeptormodulator Tamoxifen und die Aromatasehemmer Exemestan, Anastrozol sowie Letrozol.<br /> »Tamoxifen und die Aromatasehemmer vermindern die Aktivierung der Östrogenrezeptoren. Die beiden Substanzgruppen unterscheiden sich jedoch in ihrem Wirkmechanismus«, erklärte Dr. Biver. Die Aromataseinhibitoren blockieren die residuelle Produktion von Östrogen aus Androgenen und Testosteron nach der Menopause. Tamoxifen hingegen wirkt je nach Gewebe unterschiedlich, indem es kompetitiv an intrazelluläre Östrogenrezeptoren bindet und deren transskriptionelle Aktivität moduliert. In der Brust entfaltet Tamoxifen eine antiöstrogene Wirkung.</p> <h2>Abnahme der Knochendichte</h2> <p>Die Auswirkung auf die Knochen hängen direkt mit der Verminderung der Östrogenrezeptoraktivität zusammen. »Die Wirkung von Tamoxifen auf den Knochen hängt vom Alter und vom Menopausenstatus resp. vom basalen Östrogenspiegel ab, der in der Prä- und Postmenopause unterschiedlich hoch ist«, erklärte der Osteologe. So reduziert Tamoxifen bei prämenopausalen Frauen die Knochendichte, während die Substanz bei postmenopausalen Frauen einen auf die Knochen neutralen bis protektiven Effekt hat. Bei prämenopausalen Frauen führen die ossäre und die gonadale Toxizität einer allfälligen Chemotherapie, die zusammen mit Tamoxifen verabreicht wird, dazu, dass die junge Frauen rasch in einen vorzeitigen Menopausenstatus versetzt werden, der mit Therapieende jedoch teilweise reversibel ist. Bei postmenopausalen Frauen verstärkt die Therapie in der Regel die typischen klimakterischen Symptome wie Hitzewallungen und Schweissausbrüche. <br /> Die Aromatasehemmer hingegen, die nur nach der Menopause eingesetzt werden, haben eine negative Wirkung auf die Knochen, indem sie den Knochenabbau induzieren.<sup>1–4</sup></p> <h2>Erhöhtes Frakturrisiko unter Aromatasehemmern</h2> <p>Aromatasehemmer und Tamoxifen unterscheiden sich auch hinsichtlich des Frakturrisikos. Die meisten Studien, die Aromatasehemmer mit Tamoxifen verglichen haben, zeigen ein erhöhtes Frakturrisiko bei den mit Aromatasehemmern behandelten Frauen. Eine kürzlich publizierte Studie bestätigt die negative Wirkung der Aromatasehemmer auf das Frakturrisiko, jedoch keinen protektiven Effekt von Tamoxifen, wie dies hätte erwartet werden können (Abb. 1). Nach fünf Jahren Therapie mit einem Aromataseinhibitor kommt es bei 17,6 % der Patientinnen zu einer Fraktur, mit Tamoxifen bei 8,8 % , was etwa der Frakturrate von Frauen ohne Mammakarzinom entpricht.<sup>5</sup> <br /> Trotz negativer Effekte auf die Knochengesundheit bleiben die Aromatasehemmer in der adjuvanten Mammakarzinomtherapie bei postmenopausalen Frauen die Therapie der ersten Wahl. »Grund ist die erwiesene Überlegenheit der Aromatasehemmer in Bezug auf die antitumorale Wirkung (Rezidivrisiko) und die Mortalität im Vergleich zu Tamoxifen«, berichtete Biver. Aktuelle Daten zeigen eine im Vergleich zu Tamoxifen bis 30 % niedrigere Rezidivrate unter der Behandlung mit einem Aromatasehemmer.<sup>6</sup> Die 10-Jahres-Mortalität ist nach 5 Jahren Behandlung mit einem Aromatasehemmer 15 % niedriger als nach einer Therapie mit Tamoxifen und 40 % niedriger als ohne adjuvante endokrine Behandlung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite47.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Bedeutung der antiresorptiven Therapie</h2> <p>»Sowohl Bisphosphonate als auch Denosumab beugen einem durch die endokrine Behandlung induzierten Knochenschwund vor«, sagte Biver. Für Denosumab ist zudem eine Reduktion des Frakturrisikos um 50 % belegt, die von der initialen Knochenmineraldichte unabhängig ist.<sup>7</sup> Für die Bisphophonate fehlen Daten zu den Frakturen, da keine Studien zu dieser Frage gemacht wurden. »Für die Bisphosphonate belegen Studien aber zusätzliche positive onkologische Effekte«, betonte der Knochenspezialist. So reduziert die Begleittherapie mit einem Bisphosphonat die Rezidivrate um 14–18 % , das Risiko für Knochenmetastasen um 28 % und die Mortalität um 18 % .<sup>6</sup> Laufende Studien gehen der Frage nach, ob Denosumab einen ähnlich positiven Effekt auf die Krebserkrankung per se hat.</p> <h2>Antiresorptive Therapien bei Risikopatientinnen ab dem Beginn der adjuvanten Behandlung</h2> <p>»Aufgrund der Datenlage steht fest, dass Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom unter einer endokrinen Therapie eine Osteoporoseprävention jenseits der klassischen Schwelle eines T-Scores von –2,5 benötigen«, so Biver. Mehrere Fachgesellschaften schlagen in der Praxis daher ein risikoadaptiertes Vorgehen unter Berücksichtigung des globalen Risikos und der klinischen Risikofaktoren vor. Die Europäische Gesellschaft für klinische und ökonomische Aspekte der Osteoporose und Osteoarthritis (ESCEO) beispielsweise rät, bei allen Brustkrebspatientinnen unter einer endokrinen Therapie das 10-Jahres-Frakturrisiko mittels FRAX-Tool und einer Messung der Knochenmineraldichte zu berechnen (Abb. 2).<sup>8</sup> Die Empfehlungen unterstreichen auch die Wichtigkeit einer genügenden Zufuhr von Kalzium und Vitamin D, einer ausgewogenen Ernährung sowie von regelmässiger körperlicher Aktivität. Die ESCEO empfiehlt ausserdem eine antiresorptive Begleittherapie (Bisphosphonate oder Denosumab) konkret bei:<br /> - postmenopausalen Frauen mit einem T-Score <–2,5, einem T-Score <–1,5 plus mindestens einem klinischen Risikofaktor für Osteoporose, einem T-Score <–1,0 plus mindestens zwei klinische Risikofaktoren oder mit einem FRAX-10-Jahres-Frakturrisiko von ≥3 % für die Hüfte;<br /> - postmenopausalen Frauen mit einer osteoporotischen Fraktur in der Vorgeschichte oder im Alter ≥75 Jahre;<br /> - prämenopausalen Frauen unter einer Therapie mit Tamoxifen oder einem Aromatasehemmer und mit einem T-Score <–1,0 oder einer vertebralen oder nichtvertebralen nichttraumatischen Fraktur in der Vorgeschichte.<br /> »In der Schweiz ist gegenwärtig jedoch einzig Denosumab als Begleitbehandlung bei Frauen mit Brustkrebs unter adjuvanter Therapie mit Aromatasehemmern zugelassen. Die Bisphosphonate können gemäss ihren Indikationen im Rahmen einer Osteoporose eingesetzt werden«, schloss Biver.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite48.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Howell A et al: Results of the ATAC (Arimidex, Tamoxifen, Alone or in Combination) trial after completion of 5 years’ adjuvant treatment for breast cancer. Lancet 2005; 365: 60-2 <br /><strong>2</strong> Coleman R et al: Skeletal effects of exemestane on bone-mineral density, bone biomarkers, and fracture incidence in postmenopausal women with early breast cancer participating in the Intergroup Exemestane Study (IES): a randomised controlled study. Lancet Oncol 2007; 8: 119-27 <br /><strong>3</strong> Goss PE et al: Randomized trial of letrozole following tamoxifen as extended adjuvant therapy in receptor-positive breast cancer: updated findings from NCIC CTG MA.17. J Natl Cancer Inst 2005; 97: 1262-71 <br /><strong>4</strong> Hadji P: Cancer treatment-induced bone loss in women with breast cancer. Bonekey Rep 2015; 4: 692 <br /><strong>5</strong> Schmidt N et al: The impact of treatment compliance on fracture risk in women with breast cancer treated with aromatase inhibitors in the United Kingdom. Breast Cancer Res Treat 2016; 155: 151-7 <br /><strong>6</strong> Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG): Adjuvant bisphosphonate treatment in early breast cancer: meta-analyses of individual patient data from randomised trials. Lancet 2015; 386: 1353-61<br /><strong>7</strong> Gnant M et al; Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group: Adjuvant denosumab in breast cancer (ABCSG-18): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2015; 386: 433-43 <br /><strong>8</strong> Rizzoli R et al: Guidance for the prevention of bone loss and fra-ctures in postmenopausal women treated with aromatase inhibitors for breast cancer: an ESCEO position paper. Osteoporos Int 2012; 23: 2567-76</p>
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