State of the Art: Chirurgie bei Morbus Crohn
Autoren:
Priv.-Doz. DDr. Lukas W. Unger1,2
Dr. Lukas Schlager1
1Klinische Abteilung für Viszeralchirurgie
Universitätsklinik für Chirurgie
Medizinische Universität Wien
2Oxford Colorectal Unit
Churchill Hospital
Oxford University Hospitals NHS Foundation Trust, Oxford
Korrespondierender Autor:
Priv.-Doz. DDr. Lukas W. Unger
E-Mail: lukas.unger@meduniwien.ac.at
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Die chirurgische Behandlung von Morbus Crohn hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und erfordert ein zentrumsbasiertes und individualisiertes Therapiekonzept, das sich an Krankheits-lokalisation, Verhalten und Patient:innenpräferenzen orientiert. Fortschritte in der minimalinvasiven Chirurgie und neue bildgebende Verfahren können die Ergebnisse weiter verbessern.
Keypoints
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Chirurgie bei Morbus Crohn sollte in spezialisierten Zentren erfolgen.
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Operationen erfolgen in den meisten Fällen aufgrund von fehlendem medikamentösem Therapieansprechen oder Komplikationen.
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Das chirurgische Behandlungskonzept richtet sich nach den betroffenen Darmsegmenten und dem Erkrankungsverhalten.
Morbus Crohn ist, neben ulzerativer Kolitis, die lediglich den Dickdarm befällt, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die den gesamten Magen-Darm-Trakt betreffen kann.1
Prinzipiell werden Patient:innen mit Morbus Crohn mit medikamentöser Therapie behandelt, da eine chirurgische Intervention keine Heilung herbeiführen kann und das Rezidivrisiko hoch ist.2 Bei Auftreten von Komplikationen wie Perforation, fibrotischen Stenosen oder perianalem Befall sowie bei isoliertem Befall des terminalen Ileums spielt die Chirurgie jedoch weiterhin trotz der verbesserten konservativen Therapiemöglichkeiten eine Rolle. Rezente Studien mit Daten aus dem klinischen Alltag legen nahe, dass die Rate an Operationen aufgrund von Morbus Crohn trotz vermehrter Verwendung von Biologika weiterhin hoch ist.3 Obwohl in den häufigsten Fällen das terminale Ileum und Teile des Kolons betroffen sind, ist eine genaue Abklärung der betroffenen Darmabschnitte von besonderer Bedeutung, da dies insbesondere für eine chirurgische Therapieplanung eine große Rolle spielt. Zusätzlich beeinflusst das Erkrankungsverhalten – also, ob ein entzündlicher, stenosierender oder penetrierender Befall vorliegt – die chirurgische Therapie.
Die Montreal-Klassifikation unterteilt die Krankheitslokalisation in ileal (L1), kolisch (L2), ileokolisch (L3) und isolierte Erkrankung des oberen Gastrointestinaltrakts (L4). Das Verhalten wird in nicht-strikturierend und nichtpenetrierend (B1), strikturierend (B2) und penetrierend (B3) unterteilt.4,5 Durch die Notwendigkeit der individuellen Therapieplanung sollte die chirurgische Therapie nur in Zentren mit ausreichender Erfahrung erfolgen, um bestmögliche Ergebisse zu erzielen.6
Schnittbildgebende Verfahren sind für die Planung essenziell, eine Koloskopie sollte, wenn möglich, zur Evaluierung des kolonischen Befalls zusätzlich erfolgen. Eigene Analysen des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) Wien in den Jahren 2015 bis 2020 zeigten, dass im Beobachtungszeitraum knapp 60% der Patient:innen, die eine Operation erhalten haben, davor bereits zumindest eine Operation aufgrund von Morbus Crohn hatten (unpublizierte Ergebnisse), was die Notwendigkeit der richtigen Indikationsstellung und des Abwiegens von Vor- und Nachteilen vor einer chirurgischen Intervention unterstreicht.
In diesem Artikel werden der aktuelle Stand der chirurgischen Behandlung von Morbus Crohn und relevante Forschungsgebiete kurz vorgestellt.
Morbus Crohn des oberen Gastrointestinaltrakts
Morbus Crohn des oberen Gastrointestinaltrakts kann den Ösophagus, den Magen und das Duodenum betreffen und Strikturen, Erosionen, Ulzerationen und Fisteln verursachen. Diese Form der Erkrankung ist selten, bei Vorliegen jedoch für die Betroffenen schwerwiegend. Ösophagealer Morbus Crohn tritt bei 0,3–1,8% der Erwachsenen auf und erfordert selten eine Operation.7,8 Gastroduodenaler Morbus Crohn betrifft 0,5–4,0% der Patient:innen und kann zu Dysplasien und Entwicklung von Malignomen führen, was eine Operation notwendig macht.9 Bei Magenausgangs- oder Duodenalobstruktionen ist eine Antrektomie, ein (minimalinvasiver) Bypass oder seltener verwendete Strikturplastiken wie die Jaboulay-Strikturplastik indiziert. Randomisiert kontrollierte Studien in diesem Gebiet liegen aufgrund der geringen Fallzahl nicht vor.
Ilealer und ileokolischer Morbus Crohn
Für die chirurgische Behandlung komplexer ileokolischer Erkrankungen mit Abszessen, Obstruktionen oder Sepsis gibt es verschiedene Konsensrichtlinien,welche in Abbildung 1 zusammengefasst sind.6 Prinzipiell ist durch die Häufigkeit des ileokolischen Befalls die Datenlage in diesem Bereich vorteilhaft und erlaubt adäquate Risikoabschätzung.
Abb. 1: Empfehlung zur Therapieplanung je nach Befallsmuster (modifiziert nach Adamina M et al. 2020)6
Penetrierende und perforierende Erkrankung
Bis zu 40% der Patient:innen haben einen penetrierenden Erkrankungsverlauf mit der Entstehung von Fisteln, der häufig eine Operation erfordert. Die Behandlung umfasst oft die Resektion der betroffenen Darmabschnitte oder Exzision von Fisteln und Wiederherstellung der Integrität der betroffenen Organe. Die Urgenz einer Operation richtet sich nach relevanten Nebenerkrankungen. Nachdem eine Spontanheilung von Fisteln jedoch nur sehr selten erfolgt, sollte eine Operation nach Optimierung des Allgemeinzustandes angedacht werden.10,11 Bei enterokutanen Fisteln richtet sich die Urgenz der Operation unter anderem an den Fördermengen der Fistel.
Penetrierender/fistulierender Verlauf ist zusätzlich oftmals mit der Entstehung von Abszessen assoziiert, welche bevorzugt initial perkutan drainiert werden. Eine vorhergehende Drainage von Fisteln erhöht die Chance, die nachfolgende Operation minimalinvasiv durchzuführen, wobei das Konversionsrisiko trotzdem erhöht ist.6,12
Überwiegend entzündliche ileale Striktur
Patient:innen mit entzündlichen Strikturen werden meist medikamentös behandelt. Die LIR!C-Studie zeigte jedoch, dass Patient:innen mit laparoskopischer ileokolischer Resektion eine ähnliche Lebensqualität wie Patient:innen hatten, die mit TNF-Blockern behandelt wurden, aber eine geringere Krankheitslast aufwiesen.13 Zusätzlich zeigten die Langzeitergebnisse der LIR!C-Studie nach einem medianen Follow-up von mehr als 5 Jahren, dass 42% der Patient:innen nach primärer Operation weiterhin keinerAnti-TNF-Therapie bedurften, jedoch 48% der Patient:innen mit primärer Infliximab-Therapie eine Operation.14 Dies deutet darauf hin, dass eine frühzeitige Operation bei schweren Symptomen vorteilhaft sein kann.
Überwiegend fibrotischeileale Striktur
Patient:innen mit fibrotischen Strikturen sprechen meist nicht auf medikamentöse Therapie an. Eine Operation ist aufgrund des niedrigen Strikturrezidiv-Risikos nach Entfernung des erkrankten Segments gerechtfertigt. In Fällen mit langen oder multiplen Strikturen können Strikturplastiken eine Alternative sein. Neue bildgebende Verfahren können dabei helfen, entzündliche und fibrotische Abschnitte gut zu unterscheiden und die richtige Therapie zu wählen.15 Die Bedeutung neuer Anastomosentechniken (Kono-S-Anastomose) wird und wurde in randomisiert prospektiven Studien untersucht, und es kann derzeit keine eindeutige Empfehlung hinsichtlich verbesserter Rezidivraten gegeben werden.
Kolorektaler Befall
Kolorektaler Morbus Crohn betrifft bis zu 25% der Patient:innen und ist medikamentös schwer zu behandeln. Operationsindikationen umfassen Strikturen, welche im Kolon immer reseziert werden sollten, bis hin zu schweren Komplikationen wie toxischem Megakolon, schweren Blutungen oder medikamentös refraktären Erkrankungen. Bei schwerwiegendem und weitreichendem Befall kann, ähnlich wie bei ulzerativer Kolitis, eine Kolektomie mit endständigem Ileostoma erforderlich sein.10 Eine Ileorektalanastomose kann nach Abklingen der Akutphase und bei begrenzter rektaler Beteiligung in Betracht gezogen werden.
Perianale Erkrankung
Perianaler Morbus Crohn ist gekennzeichnet durch perianale Abszesse, Fisteln, Analfissuren und Marisken. Ein Viertel bis zu einem Drittel der Patient:innen haben perianale Fisteln. Die Behandlung erforderteine Kombination aus medikamentöser Therapie und chirurgischer Intervention, wobei chirurgische Therapie der alleinigen medikamentösen Therapie überlegen ist.16,17
Erstmaßnahme ist meistens das Einbringen einer Fadendrainage, um Infektionen zu kontrollieren und die Fistelöffnung offen zu halten. Komplexere Fisteloperationen werden von Patient:innen oftmals aus Angst vor Komplikationen abgelehnt, sollten aber angeboten werden. Neue minimalinvasive Therapien wie „Fistula Laser Closure“ (FiLaC) oder „Video Assisted Anal Fistula Therapy“ (VAAFT) zeigen gute Ergebnisse in retrospektiven Analysen, prospektive Studien sind jedoch nicht verfügbar.
Literatur:
1 Roda G et al.: Crohn‘s disease. Nat Rev Dis Primers 2020; 6: 22 2 Unger LW et al.: Mesenteric granulomas independently predict long-term risk of surgical recurrence in Crohn‘s disease. Colorectal Dis 2020; 22(2): 170-7 3 Atia O et al.: Improved outcomes of paediatric and adult Crohn‘s disease and association with emerging use of biologics - a nationwide study from the Epi-IIRN. J Crohns Colitis 2022; 16: 778-85 4 Satsangi J et al.: The Montreal classification of inflammatory bowel disease: controversies, consensus, and implications. Gut 2006; 55: 749-53 5 Torres J et al.: Crohn‘s disease. Lancet 2017; 389: 1741-55 6 Adamina M et al.: ECCO Guidelines on Therapeutics in Crohn‘s Disease: Surgical Treatment. J Crohns Colitis 2020; 14: 155-68 7 Geboes K et al.: Crohn‘s disease of the esophagus. J Clin Gastroenterol 1986; 8: 31-7 8 Legge DA et al.: Roentgenologic features of regional enteritis of the upper gastrointestinal tract. Am J Roentgenol Radium Ther Nucl Med 1970; 110: 355-60 9 Isaacs KL: Upper gastrointestinal tract endoscopy in inflammatory bowel disease. Gastrointest Endosc Clin N Am 2002; 12: 451-62 10 Unger LW, Riss S: Chirurgische Therapie der Crohn-Krankheit des Dick- und Mastdarms. coloproctology 2023; 45: 285-91 11 Unger LW et al.: Outcome of no oral antibiotic prophylaxis and bowel preparation in Crohn‘s diseases surgery. Wien Klin Wochenschr 2019; 131: 113-9 12 Kristo I et al.: Minimal-invasive approach for penetrating Crohn‘s disease is not associated with increased complications. Surg Endosc 2016; 30: 5239-44 13 Ponsioen CY et al.: Laparoscopic ileocaecal resection versus infliximab for terminal ileitis in Crohn‘s disease: a randomised controlled, open-label, multicentre trial. Lancet Gastroenterol Hepatol 2017; 2: 785-92 14 Stevens TW et al.: Laparoscopic ileocaecal resection versus infliximab for terminal ileitis in Crohn‘s disease: retrospective long-term follow-up of the LIR!C trial. Lancet Gastroenterol Hepatol 2020; 5: 900-7 15 Scharitzer M et al.: Evaluation of Intestinal Fibrosis with (68)Ga-FAPI PET/MR Enterography in Crohn Disease. Radiology 2023; 307: e222389 16 Meima-van Praag EM et al.: Short-term anti-TNF therapy with surgical closure versus anti-TNF therapy in the treatment of perianal fistulas in Crohn‘s disease (PISA-II): a patient preference randomised trial. Lancet Gastroenterol Hepatol 2022; 7: 617-26 17 Wasmann KA et al.: Treatment of perianal fistulas in Crohn‘s disease, seton versus anti-TNF versus surgical closure following Anti-TNF [PISA]: a randomised controlled trial. J Crohns Colitis 2020; 14: 1049-56
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