© Rita Newman/Aktion Regen

Aktion-Regen-Tools

Aufklärungsbehelfe für Familienplanung und sexuelle/reproduktive Gesundheit

Familienplanung, sexuelle und reproduktive Gesundheit sind Themen, die in vielen Regionen der Welt mit Unwissenheit, Scham und Tabus behaftet sind. Um Mädchen und Burschen, Frauen und Männern die Aufklärung zu erleichtern, hat die „Aktion Regen“, ein österreichischer Verein für Entwicklungszusammenarbeit, spezielle Aufklärungsbehelfe entwickelt. Diese Teaching-Tools ermöglichen das einfache, begreifbare und enttabuisierte Ansprechen komplizierter Sachverhalte und liefern Basiswissen zu Familienplanung und sexueller Gesundheit.

Seit Dr. Maria Hengstberger, die bekannte Wiener Gynäkologin, vor 30 Jahren das Zyklus-Tool „Babykette“ erfunden hat, wurden von ihr weitere Aufklärungsbehelfe entwickelt, die die Aktion Regen in Projekten in Ost- und Westafrika erfolgreich einsetzt. In Mali, Sudan, Kenia, Uganda und Äthiopien beispielsweise werden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, sogenannte Rain Workers, ausgebildet, die Wissen rund um die Themen Familienplanung, sexuelle/reproduktive Gesundheit und Mutter-Kind-Gesundheit in Communities, Jugendgruppen, Dörfern, Schulen und Gesundheitseinrichtungen verbreiten.

Das Wissen um Familienplanung ist zentral, um Geschlechtergleichstellung zu erreichen und Armut zu verringern. Es ist der Schlüssel zur Stärkung von Frauen, damit sie mithilfe ihrer Männer ein selbstbestimmtes Leben führen können!

„Warum Familienplanung“-Tool

© Rita Newman/Aktion Regen

Abb. 1: Das „Warum Familienplanung“-Tool: Die Familienplanungshand beschreibt die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen: Liebe, Gesundheit, Schutz/Frieden, Nahrung und Bildung © Rita Newman/Aktion Regen

„Die wenigsten beschäftigen sich mit den Folgen einer fehlenden Familienplanung und erkennen die direkte Kausalität zu Armut. Außerdem muss man erkennen, dass es wenig Sinn macht, Menschen die verschiedenen Arten von Verhütung zu erklären, wenn sie nicht zuvor wissen, warum plötzlich diese kulturell gefestigte Notwendigkeit, viele Kinder zu haben, nicht mehr passt“, erklärt Dr. Maria Hengstberger. Das „Warum Familienplanung“-Tool , ein zweifarbiger beschrifteter Handschuh, zeigt die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen nach Liebe, Gesundheit, Schutz/Sicherheit/Friede, Nahrung und Wasser sowie Bildung auf. Mit der roten Seite werden die negativen Konsequenzen fehlender Familienplanung bewusst gemacht. Die Familienplanungshand ist somit eine Metapher für die Auswirkungen mangelnder Familienplanung auf den Einzelnen, aber auch auf die Gemeinschaft und in der Folge auf ein ganzes Land. Dreht man die Hand auf die blaue Seite, so zeigt sie die Chancen auf, die bewusste Familienplanung eröffnen kann (Abb. 1). Mit geplanten Schwangerschaften und damit automatisch weniger Kindern können allen Familienmitgliedern diese Grundbedürfnisse erfüllt werden.

Bevor die Trainerinnen und Trainer von Aktion Regen daher über die verschiedenen Methoden der Empfängnisverhütung zu sprechen beginnen, kommt der Handschuh zum Einsatz, um bewusst zu machen, warum Familienplanung Sinn macht. „Die Welt, in der wir leben, können wir nicht ändern. Aber wir können unsere Einstellung zu einem Problem ändern. Wir ändern somit die Situation, in der wir leben“, erläutert Maria Hengstberger. „Daher ist die rot-blaue Hand auch ein Symbol für unsere Aufforderung: ,Grab the future‘ – nimm dein Schicksal selbst in die Hand!“

Zyklus-Tool„Babykette“

Der weibliche Zyklus und die Menstruation sind in vielen Regionen noch immer mit Tabus behaftet. Aber auch bei uns fehlt vielen Mädchen (und auch vielen Männern!) das Wissen über die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage. Das Zyklus-Tool der Aktion Regen, liebevoll „Babykette“ genannt, schafft Abhilfe. Sie wurde von Maria Hengstberger 1989 gemeinsam mit äthiopischen Frauen entwickelt und an deren Wünsche und Bedürfnisse angepasst. Als Dr. Hengstberger 1995 einen Vortrag bei der „Pastoral des Kindes“ in Brasilien hielt, war die Begeisterung groß. So groß, dass die Kette an die Georgetown University in den USA weitergegeben wurde, die auf dieser Basis die wissenschaftlich fundierte „Standard Days“-Methode entwickelte. Seit 2002 wird die modifizierte Kette als „CycleBeads“ international eingesetzt. Allerdings hat sie keine Risikoabstufungen, weshalb Dr. Hengstberger ihre eigene Kette überarbeitete und verbesserte.

© Rita Newman/Aktion Regen

Abb. 2: Das Zyklus-Tool „Babykette“ der Aktion Regen erklärt den weiblichen Zyklus undkann die natürliche Verhütung unterstützen © Rita Newman/Aktion Rege

Das Zyklus-Tool „Babykette“ der Aktion Regen ist bunt und daher optisch äußerst ansprechend (Abb. 2). Rot symbolisiert die Menstruationsblutung, die gelben Perlen (Gelb steht für Sonne, Dürre, Sand) zeigen die unfruchtbaren Tage an, die blauen Perlen (Blau symbolisiert Wasser, Fruchtbarkeit) stehen für die fruchtbaren Tage. Die blauen Perlen haben die Form von Babys und sind somit auch dafür geeignet, mit einem Bindfaden andere Fruchtbarkeitszeichen (Zervixschleim oder Mittelschmerz beim Eisprung) über mehrere Zyklen zu markieren. Mit dieser zusätzlichen einfachen Körperbeobachtung kann eine Frau ihre fruchtbaren Tage noch weiter eingrenzen.

Eines ist uns sehr wichtig zu betonen: Mehr als 200 Millionen Frauen in Ländern des globalen Südens haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln! Sie möchten verhüten, können es aber nicht. Mit dem Zyklus-Tool „Babykette“ der Aktion Regen kann jede Frau ihre fruchtbaren Tage erkennen, erlernen und dementsprechend aufgeklärt und selbstbewusst agieren.

„Little Mom“-Tool

© Aktion Regen

Abb. 3: Das „Little Mom“-Tool nimmt Angst, bricht Tabus und vermittelt Wissen über die inneren Geschlechtsorgane © Aktion Regen

Erklärungen, wie und wo die Befruchtung stattfindet oder wie eine Sterilisation durchgeführt wird, sind mit herkömmlichen Anatomiemodellen in Afrika nicht möglich, da die Modelle zu groß, zu sperrig und teils sogar furchteinflößend sind. Das Gebärmuttermodell der Aktion Regen ist aus Stoff (Abb. 3). Die sogenannte „Little Mom“ ermöglicht es, begreifbar und enttabuisiert die Anatomie des weiblichen Körpers und seine Funktionen zu erklären. Die rosa Farbe, das weiche Material, das Baby in der Gebärmutter, all das nimmt Angst, bricht Tabus und vermittelt Wissen zum Angreifen. Das Modell zeigt die inneren Geschlechtsorgane der Frau: Scheide, Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke. Schwangerschaftsverhütende Methoden, wie Verwendung eines Kondoms, Durchführung einer Sterilisation, Einsetzen eines Diaphragmas und Einlegen einer Spirale in die Gebärmutterhöhle, sind damit leicht zu erklären. Denn: Wissen nimmt Angst!

Mutterschutz-Tool

Eines unserer Ziele ist es, eine gesunde Mutterschaft und eine gute Mutter-Kind-Gesundheit zu gewähren. Besonders in Afrika verbluten viele Frauen bei der Geburt, weil sie in zu kurzer Zeit zu viele Kinder bekommen und die nötige Ruhezeit zwischen den Geburten, das „Birth Spacing“, nicht einhalten. Um das begreifbar zu machen, verwenden wir das Mutterschutz-Tool (Abb. 4). Dieser Kalender erklärt zum einen, dass sich der gesamte weibliche Körper von einer Schwangerschaft erholen muss, und zum anderen, dass es für die frühkindliche Entwicklung wichtig ist, dass die Mutter sich ausreichend um das Neugeborene kümmern kann.

Abb. 4: Das Mutterschutz-Tool bildet die Phasen einer gesunden Mutterschaft ab und zeigt, ab wann wieder eine Verhütung stattfinden muss © Aktion Regen

Das Mutterschutz-Tool zeigt leicht verständlich die Phasen einer gesunden Mutterschaft auf: Schwangerschaft, Geburt, Stillphase mit Empfängnisschutz und Phase ohne sicheren Schutz vor einer nächsten Schwangerschaft. Die Frau selbst kann diesen Kalender einfach verwenden, indem sie monatlich das Gummiband der Karte um eine Kerbe weiterzieht. Kommt sie dazu in das blaue Feld (wie die Farbe der fruchtbaren Tage auf der „Babykette“), so ist eine Empfängnis bereits wieder möglich, sollte aber unbedingt vermieden werden, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu bewahren.

Klitoris-Tool

Das 2019 von Maria Hengstberger entwickelte Klitoris-Tool (Abb. 5) ist leider unverzichtbarer Bestandteil unserer „Big 5 Tools“, denn weltweit sind etwa 200 Millionen Frauen genital verstümmelt. Jährlich kommen 3 Millionen Mädchen hinzu, die mit Messern, Glasscherben oder Rasierklingen den sinnlosen Qualen einer Verstümmelung ausgesetzt werden.

Abb. 5: Rain Worker Rose erklärt ihren Zuhörerinnen in Uganda, dass die Klitoris ein Organ ist, das nicht beschnitten werden darf © Aktion Regen

Während die Infibulation, bei der die gesamten Genitalien entfernt werden und danach die Vaginalöffnung bis auf ein stecknadelgroßes Loch zugenäht wird, rückläufig ist, nimmt die Beschneidung der Klitoris zu und wird oft als „milde“ Form der Beschneidung interpretiert. Sie ist aber keine „milde“ Variante, denn die Schmerzen für die Mädchen und Frauen sind unvorstellbar. Die Klitoris ist nicht, wie vielfach angenommen wird, einfach eine Hautfalte, die entfernt werden kann, sondern ein Organ! Die Klitoris ist ein Fortpflanzungsorgan wie der Penis mit zahlreichen Nervenfasern und größeren und kleineren Blutgefäßen. Ihre Aufgabe ist es, die Schwellkörper der Labien zur Füllung mit Blut anzuregen. Gerade deshalb kann es auch zu lebensbedrohlichen Blutungen bei einem scheinbar kleinen Eingriff kommen und es erklärt auch die extremen Schmerzen an der Spitze der Klitoris, wo alle Nervenendungen zusammenkommen. „Die Klitoris muss daher den Menschen als anatomisches Modell sichtbar und ,begreif‘bar gemacht werden und es muss klargestellt werden, dass Gott oder die Natur bei der Kreation des Menschen keinen Fehler gemacht hat, der von uns ,korrigiert‘ werden muss“, zeigt sich Maria Hengstberger diplomatisch.

Abb. 6: Rain Worker im Sudan erklären die Funktion der Gebärmutter © Aktion Regen

Aktion Regen hat in West- und Ostafrika bereits mehr als 700 sogenannte Rain Worker (Abb. 6) ausgebildet. Diese Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die das Wissen um Familienplanung und sexuelle und reproduktive Gesundheit weitergeben, können als Sozialarbeiter und Mitarbeiter nationaler Gesundheitseinrichtungen das erworbene Wissen sozial und kulturell angepasst vermitteln. Nachhaltigkeit beginnt dort, wo lokale Kompetenzen gestärkt und aufgebaut werden, damit Frauen in Zukunft selbstbestimmt die Anzahl ihrer Kinder beschließen und somit für das Wohlergehen aller sorgen können!

Back to top