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Rezidivierende Vulvovaginalcandidose: Überblick und Ausblick

<p class="article-intro">Die chronisch-rezidivierende Vulvovaginalcandidose (RVVC) betrifft etwa 5 % aller Frauen weltweit. Bei der RVVC gesellt sich zur Infektion eine fortgesetzte Entzündungsreaktion. Neue Therapiekonzepte müssen der Erreger-Wirt-Interaktion und spezifischen Biofilm-vermittelten Resistenzmechanismen Rechnung tragen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die vulvovaginale Candidose (VVC) ist eine der h&auml;ufigsten gyn&auml;kologischen Infektionen. Die Pr&auml;valenz betr&auml;gt etwa 25&ndash;30 % der Frauen im Alter zwischen 15 und 65. W&auml;hrend die sporadische Candida-Vaginitis in der Mehrzahl der F&auml;lle mit einer Standardtherapie erfolgreich zu behandeln ist, stellt die chronisch-rezidivierende Form der Erkrankung ein gro&szlig;es therapeutisches Problem dar. Die H&auml;ufigkeit der R&uuml;ckf&auml;lle, die in einem Teil der F&auml;lle bis zu ununterbrochen andauernden Beschwerden reicht, erzeugt bei den betroffenen Frauen einen sehr hohen Leidensdruck.<sup>1&ndash;3</sup></p> <h2>Klinische Charakteristik und Diagnosestellung</h2> <p>Unter vulvovaginaler Candidose (VVC) versteht man eine Infektion der Vaginalschleimhaut durch Candida-Hefepilze. Leitsymptom ist der vaginale Juckreiz. H&auml;ufig treten auch brennende Schmerzen und Wundgef&uuml;hl auf. Von chronisch-rezidivierender Vulvovaginalcandidose (RVVC) spricht man, wenn es innerhalb von 12 Monaten mindestens viermal zu Krankheitsepisoden kommt. Der vaginale Fluor ist bei chronisch-entz&uuml;ndlichem Verlauf &ndash; im Gegensatz zum sporadischen Verlauf &ndash; oft stark vermindert. Die Diagnosestellung erfolgt durch das klinische Bild in Kombination mit dem Nachweis von Hyphen durch Mikroskopie. Die Sekretkultur kann zus&auml;tzlich zur Absicherung der Diagnose und zur Speziestypisierung dienen.<br /> Die mikroskopische Befundaufnahme ist einfach und deswegen von gro&szlig;er Bedeutung, weil eine &auml;hnliche klinische Symptomatik auch h&auml;ufig durch bakterielle Fehlbesiedelungen hervorgerufen werden kann &ndash; sowohl durch eine reine bakterielle Vaginose (BV) als auch durch Mischinfektionen (= gleichzeitiges Vorliegen einer bakteriellen Vaginose und einer Pilzinfektion). Die H&auml;ufigkeit einer &auml;rztlichen Fehldiagnose ohne mikroskopische oder mikrobiologische Untersuchung wird mit bis zu 50 % angegeben, die Selbstdiagnostik durch die Patientin hat eine noch h&ouml;here Fehlerquote.<sup>2, 4</sup> H&auml;ufig ergibt sich daher eine Chronifizierung der Beschwerden durch eine unzureichende Behandlung beim Vorliegen von Mischinfektionen oder eine g&auml;nzliche Fehlbehandlung bei einer BV als Ursache der Beschwerden. Eine direkte mikroskopische Untersuchung (nativ oder Gramf&auml;rbung) ist in diesen F&auml;llen auch zielf&uuml;hrender als die Sekretkultur, weil im Mikroskop eine bessere Quantifizierung der Milchs&auml;urebakterien im Verh&auml;ltnis zu anderen Bakterien erfolgen kann.<sup>5</sup></p> <h2>Pathogenese</h2> <p>Was im Einzelfall der Ausl&ouml;ser einer Chronifizierung ist, bleibt letztlich unklar. Als Risikofaktoren werden in der Regel Stress und Immunsuppression wie bei Diabetes mellitus oder unter immunsuppressiver Therapie genannt. Auch nach Antibiotikaeinnahme wird h&auml;ufig &uuml;ber R&uuml;ckf&auml;lle berichtet. Hormonelle Faktoren spielen sicherlich eine gewisse Rolle, was durch die typische H&auml;ufung in der zweiten Zyklush&auml;lfte oder auch in der Schwangerschaft belegt wird. In beiden Situationen ergibt sich eine gewisse Immunsuppression. Aber schon bei den ebenfalls h&auml;ufig zitierten hormonellen Kontrazeptiva wird das Bild etwas unklarer, da diese nat&uuml;rlich auch ein Hinweis auf die sexuelle Aktivit&auml;t sind, was f&uuml;r sich einen Risikofaktor darstellt. Insgesamt spricht vieles daf&uuml;r, dass RVVC sich aus dem Zusammentreffen verschiedener krankheitserhaltender Faktoren entwickelt und dass die fortgesetzte Interaktion zwischen Mikroorganismus und Wirt einen entscheidenden Beitrag zur Chronifizierung liefert.</p> <h2>Resistenzmechanismen</h2> <p>Publikationen, in denen bei RVVC &uuml;ber vermehrtes Auftreten resistenter Candida-Hefen, entweder aufgrund der Spezies oder einer Resistenzentwicklung, berichtet wird, bleiben vereinzelte Befunde. Mit gro&szlig;em Abstand ist Candida albicans, welche in 85&ndash;90 % der F&auml;lle isoliert wird, das h&auml;ufigste Pathogen.<sup>6</sup> Candida albicans weist keine pharmakologische Resistenz gegen Clotrimazol und Fluconazol auf.<sup>4</sup> Unabh&auml;ngig von der erhaltenen Suszeptibilit&auml;t gegen&uuml;ber Antimykotika kommt es jedoch bei der RVVC h&auml;ufig zu einer klinischen Resistenz, die sich zun&auml;chst in einer deutlich verminderten Ansprechrate in der prim&auml;ren Heilungsrate nach Standardtherapie &auml;u&szlig;ert. So liegt die prim&auml;re Ansprechrate bei RVVC-Patientinnen bei topischer Clotrimazol-Therapie oder der &auml;quivalenten Therapie mit einer Einmaldosis 150 mg Fluconazol bei 57 % (vs. 80 % bei Patientinnen mit sporadischer VVC).</p> <h2>Biofilm</h2> <p>Einer der Gr&uuml;nde f&uuml;r das Auftreten von Resistenzen d&uuml;rfte in der Ausbildung von Biofilmen liegen.<sup>7</sup> Die verminderte Empfindlichkeit gegen&uuml;ber antimykotischer Therapie beruht in diesem Fall im Wesentlichen auf drei Faktoren:</p> <ul> <li>Schutz der im Biofilm enthaltenen Zellen durch die umgebende Matrix</li> <li>Austausch bzw. &bdquo;gemeinsame Nutzung&ldquo; von Resistenzfaktoren</li> <li>&bdquo;Persister&ldquo;-Zellen: metabolisch inaktive Zellen an der Basis des Biofilms, die durch Antimykotika, deren Wirkung in den meisten F&auml;llen gegen wachsende Zellen (Zellwandsynthese) gerichtet ist, nicht angegriffen werden</li> </ul> <p>Diese Mechanismen sind ein Grund f&uuml;r das Auftreten der h&auml;ufigen R&uuml;ckf&auml;lle, da immer ein ausreichend gro&szlig;es Reservoir an Pilzzellen im Organismus verbleibt, um bei g&uuml;nstigen Bedingungen einen neuen Krankheitsschub auszul&ouml;sen.</p> <h2>Chronische Entz&uuml;ndung</h2> <p>Der zweite wesentliche Faktor bei der Entstehung einer RVVC ist die Ausbildung einer chronischen Entz&uuml;ndung, die auch nach dem Abklingen einer akuten Episode auf niedrigem Niveau weiter bestehen bleibt. W&auml;hrend der Umwandlung der Candida-albicans-Hefe vom harmlosen Kommensalen zum pathogenen Organismus beginnt der Hefepilz Prostaglandin E andere Entz&uuml;ndungsmediatoren sowie direkt zellsch&auml;digende Substanzen zu produzieren.<sup>8&ndash;10</sup> Gleichzeitig erfolgt eine morphologische Transformation mit der Aussprossung von Hyphen. Im Rahmen der Entz&uuml;ndungsreaktion wird &uuml;berdies sowohl beim Wirt als auch in den Pilzhyphen die Bildung von Adh&auml;sionsmolek&uuml;len induziert. Diese erm&ouml;glichen die Anheftung der Pilzkolonien an den Schleimhautepithelien des Wirtsorganismus und sind die Grundlage der Ausbildung von Biofilmen und f&uuml;r die Invasion der Pilzzellen in tiefere Epithelschichten. Da der Pilz in seiner Hyphenform durch die laufende Produktion von Prostaglandinen und zellsch&auml;digenden Substanzen den Nachschub an Entz&uuml;ndungsmediatoren im Biofilm st&auml;ndig aufrechterh&auml;lt, kommt es zu einer Verselbstst&auml;ndigung der krankheitserhaltenden Mechanismen und zu einer chronischen Entz&uuml;ndung.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Die chronisch-rezidivierende Vulvovaginalcandidose (RVVC) ist therapeutisch oft schwer zu beherrschen. Die Behandlungserfolge nehmen mit zunehmender Verlaufsdauer und steigender R&uuml;ckfallh&auml;ufigkeit ab.<sup>11</sup> Leitlinienkonform wird f&uuml;r die Behandlung der RVVC nach einer hoch dosierten oralen antimykotischen Induktionstherapie eine antimykotische orale Langzeittherapie empfohlen. Die vorgeschlagenen Therapieschemata mit sechsbis zw&ouml;lfmonatiger Behandlungsdauer reduzieren die R&uuml;ckfallh&auml;ufigkeit zwar unter laufender Therapie, jedoch betr&auml;gt die R&uuml;ckfallrate nach Absetzen der Therapie 45 bis 57 % innerhalb von sechs Monaten.<sup>11, 12</sup> Bei RVVC wirkt die antimykotische Behandlung also in einer Vielzahl der F&auml;lle nur beschwerdelindernd und supprimierend, aber nicht kurativ.</p> <h2>Zukunftsaussichten</h2> <p>Die RVVC wurde &uuml;ber lange Zeit prim&auml;r als eine Krankheit angesehen, welche lediglich ein pers&ouml;nliches Problem f&uuml;r wenige Frauen sei. Daher ist die Verbreitung von kaum effizienten Gelegenheitstherapien weiter nicht &uuml;berraschend. Erst in j&uuml;ngerer Zeit finden sich gesteigerte Bem&uuml;hungen zu einer gezielten Therapie von RVVC.<br /> Die Entwicklung von Impfungen geht nur schleppend voran, es gibt derzeit keine Fortschritte zu vermelden.<br /> Derzeit laufen klinische Phase-III-Studien mit zwei neuen Vertretern von Azolwirkstoffen (Oteseconazol, VT-1161 und Ibrexafungerp, Scy-078) zur systemischen Anwendung. Diese sind pharmakologisch aktiver als Fluconazol und verfolgen im Grunde den gleichen Therapieansatz, n&auml;mlich die Hemmung der Ergosterolbiosynthese. F&uuml;r Oteseconazol zeigte sich in einer ersten Phase-IIa-Studie eine reduzierte R&uuml;ckfallrate nach Langzeittherapie im Vergleich zu Placebo.<br /> Mit Prof-001 (Clotrimazol und Diclofenac) wird ein neues Therapiekonzept umgesetzt, welches durch gleichzeitige Hemmung von Entz&uuml;ndung, Adh&auml;sion und antimykotische Wirkung die &Uuml;berwindung der biofilmspezifischen Resistenzmechanismen und der chronischen Entz&uuml;ndung zum Ziel hat. In einer von 2017 bis 2018 durchgef&uuml;hrten klinischen Studie wurde bereits eine deutlich verbesserte Ansprechrate in der Behandlung akuter Episoden bei RVVC gezeigt. Somit wird eine vollst&auml;ndige Ausheilung als Voraussetzung f&uuml;r eine erniedrigte R&uuml;ckfallrate erm&ouml;glicht. Seit Oktober 2019 l&auml;uft eine multinationale Phase-IIb/III-Studie unter anderem an den Universit&auml;tskliniken f&uuml;r Frauenheilkunde in Wien und Innsbruck sowie in sechs zus&auml;tzlichen Zentren in Wien, Tirol und Vorarlberg.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ramsay S et al.: Practical management of recurrent vulvovaginal candidiasis. Trends in Urology, Gynaecology &amp; Sexual Health 2009; 14(6): 18-22 <strong>2</strong> Blostein F et al.: Recurrent vulvovaginal candidiasis. Ann Epidemiol 2017; 27(9): 575-82 <strong>3</strong> Denning DW et al.: Global burden of recurrent vulvovaginal candidiasis: a systematic review. Lancet Infect Dis 2018; 18(11): e339-e347 <strong>4</strong> eigene unver&ouml;ffentlichte Arbeiten <strong>5</strong> Donders G: Das Mikroskop in der gyn&auml;kologischen Praxis: Obsolet oder unzureichend gen&uuml;tzt? Speculum 2004; 1: 14-23 <strong>6</strong> Dovnik A et al.: Treatment of vulvovaginal candidiasis: a review of the literature. Acta Dermatovenerol Alp Pannonica Adriat 2015; 24(1): 5-7 <strong>7</strong> Muzny CA, Schwebke JR: Biofilms: an underappreciated mechanism of treatment failure and recurrence in vaginal infections. Clin Infect Dis 2015; 61(4): 601-6 <strong>8</strong> Noverr MC et al.: Pathogenic yeasts Cryptococcus neoformans and Candida albicans produce immunmodulatory prostaglandins. Infect Immun 2001; 69(5): 2957-63 <strong>9</strong> Noverr MC et al.: Regulation of Candida albicans morphogenesis by fatty acid metabolites. Infect Immun 2004; 72(11): 6206-10 <strong>10</strong> Naglik J et al.: Candida albicans proteinases and host/pathogen interactions. Cell Microbiol 2004; 6(10): 915-26 <strong>11</strong> Donders G et al.: Individualized decreasing-dose maintenance fluconazole regimen for recurrent vulvovaginal candidiasis (ReCi- DiF trial). Am J Obstet Gynecol 2008; 199(6): 613.e1-9 <strong>12</strong> Sobel JD et al.: Maintenance fluconazole therapy for recurrent vulvovaginal candidiasis. N Engl J Med 2004; 351(9): 876-83</p> </div> </p>
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