Biliary tract cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up
Unser Gesprächspartner:
Prof. Dr. Arndt Vogel
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie der MH
E-Mail: vogel.arndt@mh-hannover.de
Bericht:
Ingeborg Morawetz, MA
Das Update der ESMO-Guideline „Biliary tract cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up“ zu Gallengangskarzinomen, das im November 2022 erschienen ist, hat vier wichtige Änderungen zu verzeichnen:
Es wird eine adjuvante Therapie nach Tumorresektion empfohlen, es sollte bei Patient:innen mit auf die Leber limitierter Erkrankung die Möglichkeit lokaler Therapie geprüft werden, zudem sollte in Erstlinientherapie eine Kombination Chemotherapie+Immuntherapie erfolgen. Auch wird nachdrücklich molekulare Diagnostik zu Beginn palliativer Therapie empfohlen.
Die adjuvante Situation
Für die adjuvante Situation gibt es inzwischen eine Empfehlung zur adjuvanten Therapie mit Capecitabin auf Basis der BILCAP-Studie. Zuvor wurde Ärzt:innen nur die chirurgische Intervention nahegelegt, nun wird auch eine adjuvante Chemotherapie mit Capecitabin empfohlen.
Ob eine weitere Intensivierung der Chemotherapie mit Gemcitabin und Cisplatin sinnvoll ist, wird derzeit in der AIO-ACTICCA-Studie untersucht.
Lokal fortgeschrittene Tumoren
In den neuen Algorithmus der Guideline wurden auch die lokal fortgeschrittenen Tumoren aufgenommen. Zusätzlich zur systemischen Chemotherapie wird nun auch empfohlen, den Einsatz additiver lokaler Therapien zu prüfen, zum Beispiel den Einsatz selektiver interner Radiotherapie (SIRT).
Bei Patient:innen ohne extrahepatische Manifestationen sollen die chirurgischen Optionen zudem wiederholt neu evaluiert werden, um einschätzen zu können, ob die Patient:innen auf die Therapie angesprochen haben bzw. ob es nicht doch zu einer Resektion kommen kann.
Therapie in Erst- und Zweitlinie
In der Erstlinie wird basierend auf den Daten der Phase-III-Studie TOPAZ-1 eine Kombination von Gemcitabin/Cisplatin (Gem/Cis) in Kombination mit dem Checkpoint-Inhibitor Durvalumab empfohlen. Damit ändert sich die Erstlinientherapie von Gem/Cis zu Gem/Cis plus Checkpoint-Inhibitor.
Zusätzlich hat sich die gesamte Zweitlinientherapie geändert und wurde entsprechend in der Leitlinie dezidiert angepasst. In der letzten Leitlinie lagen nur wenige Daten aus prospektiven Studien vor. Die aktuellen Empfehlungen bauen auf der Phase-III-Studie ABC-06 zu FOLFOX auf. Aufgeschlüsselt wird aber auch eine Reihe molekularer Therapien für Patient:innen mit genetischen Alterationen. Für diese Alterationen stehen spezifische Inhibitoren zur Verfügung, u.a. für FGFR2-Fusionen, IDH1-/BRAF-Mutationen und für MSI-Tumoren.
Aufgrund der Vielzahl von genetischen Alterationen, für die es bereits zielgerichtete Therapiengibt, wird zu einer frühen Sequenzierung der Tumoren geraten.
Insgesamt haben sich damit die systemischen Therapien in der Erstlinie zu einer Kombination von Immuntherapie mit dem bisherigen Standard Gem/Cis geändert, während in der Zweitlinie nunmehr eine Chemotherapie-Kombination mit Phase-III-Evidenz empfohlen werden kann und insbesondere eine Reihe von zielgerichteten Therapien mit EMA- und/oder FDA-Zulassung zur Verfügung steht.
Die palliative Situation
In der palliativen Situation ist es nunmehr essenziell wichtig, dass sehr früh eine molekulare Sequenzierung der Tumoren durchgeführt wird. Next-Generation-Sequencing (NGS) sollte also im Prinzip möglichst zum Zeitpunkt der Erstdiagnose stattfinden.
Es gibt multiple Alterationen und ein breites Panel, das auch FGFR-Fusionen oder Fusionen überhaupt detektiert. Dementsprechend wird auch die mRNA-Sequenzierung ausdrücklich empfohlen.
Man könne gar nicht genug darauf hinweisen, wie wichtig es sei, diese molekularen Testungen in Anspruch zu nehmen und frühzeitig durchzuführen, so der Leitlinienautor Prof. Dr. Arndt Vogel.
Nächste Updates
Sobald es neue Substanzen oder neue Zulassungen dieser Substanzen gibt, werden sie in die Leitlinie aufgenommen.
Zum Beispiel istvor Kurzem die Zulassung von Futibatinib erfolgt. Im nächsten Update der Leitlinie werden auch die Ergebnisse der Phase-III-Studie KEYNOTE-966 zu Pembrolizumab enthalten sein, die ebenfalls sehr wahrscheinlich zur Zulassung führen werden. Damit würde in der nächsten Version der Leitlinie zu einem zweiten Checkpoint-Inhibitor in der Erstlinientherapie geraten werden.
Die Leitlinie „Biliary tract cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up“ ist keine klassische „Living Guideline“, aber es wird dennoch versucht, ihre Algorithmen bei größeren Neuerungen fortlaufend und zeitnah zu aktualisieren, erklärt Prof. Dr. Vogel.
Quelle:
Vogel A et al.: Biliary tract cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2023; 34(2): p127-40
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