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Atopische Dermatitis

Mit früher Intervention den atopischen Marsch aufhalten?

Es ist die klassische Henne-oder-Ei-Thematik: Begünstigt eine Nahrungsmittelallergie eine atopische Dermatitis oder umgekehrt? Welche Rolle spielt hierbei eine gestörte Hautbarriere? Und ist eine frühzeitige, regelmässige Anwendung von Emollienzien wirklich förderlich für die Verhinderung von atopischen Begleiterkrankungen?

Keypoints

  • Die Sensibilisierung gegenüber Nahrungsmitteln kann transkutan stattfinden.

  • Die Anwendung von Emollienzien beugt AD nicht vor, sondern scheint die transkutane Sensibilisierung zu erleichtern.

  • Zusätzlich zur Auseinandersetzung mit der Rolle der Hautbarriere sollte eine frühe Einführung oraler Allergene erwogen werden, um eine Toleranz gegenüber diesen zu fördern.

Die Annahme, dass Patientinnen und Patienten mit einer atopischen Dermatitis (AD) zwangsläufig und zahlreich allergische Komorbiditäten wie Asthma, allergische Rhinitis oder Lebensmittelallergien entwickeln, sei ein stark vereinfachtes Konzept, stellte Prof. Dr. med. Carsten Flohr, Lehrstuhlinhaber Dermatologie am King‘s College in London, eingangs seines Vortrages bei der EADV-Jahrestagung in Berlin fest.Initial basiere diese Idee auf Daten von Krankenhauskohorten und Querschnittsstudien anstelle von prospektiven Follow-up-Studien, kritisierte der Experte. Viele Menschen würden diese atopischen Erkrankungen auf unterschiedliche Weise durchlaufen – manche weisen ausschliesslich eine AD auf, andere beginnen mit Asthma und entwickeln erst im Verlauf eine AD etc. Es gebe also keinen klaren, vordefinierten atopischen Marsch.

Hautbarriere als Schlüsselmediator

Das wachsende Verständnis der Rolle der Hautbarriere ermögliche es, interessante Zusammenhänge zwischen AD und beispielsweise Nahrungsmittelsensibilisierung und Allergien zu erschliessen, führte Flohr aus. Aus seinem klinischen Alltag berichtete er, dass viele Betroffene davon überzeugt seien, ihre AD resultiere aus einer Nahrungsmittelallergie. Es stelle sich jedoch die Frage der Kausalität: Löst eventuell die Inflammation der Haut die Nahrungsmittelallergie aus? Dem ging die Forschungsgruppe um Flohr in einem systematischen Review nach:1 Es zeigte sich, dass AD mit erhöhtem Schweregrad und Chronizität insbesondere mit Nahrungsmittelallergie vergesellschaftet ist. Zudem ergab sich, dass die AD in rund 90% der Fälle der Entwicklung einer Nahrungsmittelsensibilisierung und -allergie vorausgeht, was einen kausalen Zusammenhang nahelegt.

Eine internationale Studie mit über 2000 Kindern unter drei Monaten, die an moderater bis schwerer AD litten, ging diesem möglichen Zusammenhang mittels spezifischer IgE-Testung auf Milch, Eiweiss und Erdnüsse nach: Früh auftretende schwere Ekzeme im Säuglingsalter waren demnach mit einem hohen Risiko für IgE-assoziierte Nahrungsmittelallergien verbunden. Bei ekzematösen Säuglingen gelte, je früher das Erkrankungsalter und je schwerer das Ekzem, desto häufiger treten damit verbundene Nahrungsmittelallergien auf.2 Im Rahmen der britischen EAT-Studie, die die Beikost-Einführung im Alter von drei bzw. sechs Monaten bei 1300 bis dahin ausschliesslich gestillten Kindern untersuchte, wurden neben der Erhebung des SCORAD und der Durchführung von Prick-Tests auch die Beschaffenheit der Hautbarriere mittels transepidermalen Wasserverlustes (TEWL) sowie die Filaggrin-Mutation bestimmt.3 Als Schlüsselmediator erwies sich die Beeinträchtigung der Hautbarriere, gemessen durch einen erhöhten TEWL, nicht die Filaggrin-Mutation, fasste Flohr die Ergebnisse zusammen.

Eine weitere Studie konnte zeigen, dass das Vorhandensein von Erdnussproteinen im Hausstaub das Risiko einer Erdnussallergie erhöhte, insbesondere bei Kindern mit einer schwereren AD.4 Diese Erkenntnisse unterstützen laut dem Experten das Konzept einer genetisch veranlagten Hautbarrierestörung, bei der getriggert durch Umweltfaktoren Antigen-präsentierende Zellen in Kontakt mit Nahrungsmittelallergenen kommen und in der Folge eine Allergie auslösen (s. Abb. 1).5

Abb. 1:Mechanismen der transkutanen Sensibilisierung (mod. nach Flohr C. et al.)5

Schutz der Hautbarriere als Therapieoption?

Wenn nun die AD in den meisten Fällen Auslöser einer Nahrungsmittelallergie ist, könnte dann nicht eine frühzeitige Verbesserung der Hautbarriere und der AD die Allergieentstehung verhindern? Eine kleine randomisiert-kontrollierte Studie aus Japan mit 118 Neugeborenen zeigte, dass die tägliche Anwendung einer Feuchtigkeitscreme während der ersten 32 Lebenswochen das Risiko für AD bei Säuglingen verringerte.6 Diese Daten konnten jedoch nicht in einer gross angelegten Untersuchung in Grossbritannien mit rund 1400 Neugeborenen mit einem hohen familiären Risiko einer AD bestätigt werden:7 Es gab keine Hinweise darauf, dass die tägliche Anwendung von Emollienzien während des ersten Lebensjahres Ekzemen bei Hochrisikokindern vorbeugt. Zudem traten in der Interventionsgruppe vermehrt Hautinfektionen auf. Ebenso erhöhte sich das Risiko von Nahrungsmittelallergien (Milch, Eiweiss und Erdnuss), so Flohr, wenn auch knapp nichtsignifikant. Begünstigt also der regelmäige Kontakt der Hände der Eltern mit der Haut ihrer Kinder eine transkutane Sensibilisierung? Dem ging eine weitere Studie nach, die den Zusammenhang zwischen der häufigen Verwendung von Feuchtigkeitscremes im frühen Säuglingsalter und der Entwicklung einer Nahrungsmittelallergie bis zum Alter von 3 Jahren untersuchte:8 Es wurde eine statistisch signifikante Relation zwischen der von den Eltern angegebenen Häufigkeit des Eincremens im Alter von 3 Monaten und der anschliessenden Entwicklung einer Nahrungsmittelallergie beobachtet. Jede zusätzliche Befeuchtung pro Woche war mit einer angepassten Odds Ratio (OR) von 1,20 (95% KI: 1,13–1,27; P<0,0005) für die Entwicklung einer Nahrungsmittelallergie verbunden. Für Säuglinge ohne sichtbares Ekzem bei Studieneinschluss betrug die entsprechend angepasste OR 1,18 (95%-KI: 1,07–1,30; P=0,001) und für Säuglinge mit Ekzemen 1,20 (95%-KI: 1,11–1,31; P<0,0005). Die Häufigkeit von Feuchtigkeitscremes zeigte nach 36 Monaten ähnliche Zusammenhänge mit der Entwicklung einer Nahrungsmittel-Sensibilisierung (s. Abb. 2).

Abb. 2: Die Häufigkeit der Anwendung von Emollienzien bei Kindern mit und ohne AD ab drei Monaten bis zum dritten Lebensjahr beeinflusste die Entwicklung von Nahrungsmittelallergien signifikant (mod. nach Perkin MR et al.)8

Was steckt nun dahinter? Aktuelle Forschungsansätze geben laut Flohr Anlass zur Vermutung, dass den Haarfollikeln eine essenzielle Rolle hierbei zukomme: Beim Eincremen und Massieren der Haut werden demnach die Follikel geöffnet und Erdnussproteine gelangen hinein. Dort kommen die dendritischen Zellen in Kontakt mit den Allergenen. Eine einfache Massnahme, um die Übertragung zu vermeiden, sei eine gute Händehygiene vor dem Eincremen, empfahl der Experte.

Nicht zu vernachlässigen sei laut Flohr eine frühe Gewöhnung des Kindes an allergene Lebensmittel über den Magen-Darm-Trakt. So sei erwiesen, dass eine orale im Gegensatz zur kutanen Exposition die Toleranz gegenüber Allergenen fördere und eine Sensitivierung über die Haut im Verlauf erschwere.

EADV-Kongress am 12. Oktober 2023 in Berlin

1 Tsakok T et al.: Does atopic dermatitis cause food allergy? A systematic review. J Allergy Clin Immunol. 2016; 137(4):1071-1078 2 Hill DJ et al. Confirmation of the association between high levels of immunoglobulin E food sensitization and eczema in infancy: an international study. Clin Exp Allergy. 2008 Jan;38(1):161-8 3 Flohr C et al.: Atopic dermatitis and disease severity are the main risk factors for food sensitization in exclusively breastfed infants. J Invest Dermatol. 2014 Feb;134(2):345-350 4 Brough HA et al.: Atopic dermatitis increases the effect of exposure to peanut antigen in dust on peanut sensitization and likely peanut allergy. J Allergy Clin Immunol. 2015; 135(1):164-70 5 Flohr C, Mann J.: New insights into the epidemiology of childhood atopic dermatitis. Allergy. 2014 Jan;69(1):3-16 6 Horimukai K et al.: Application of moisturizer to neonates prevents development of atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol. 2014; 134(4):824-830.e67 7 Chalmers JR et al. Daily emollient during infancy for prevention of eczema: the BEEP randomised controlled trial. Lancet. 2020 Mar 21;395(10228):962-972 8 Perkin MR et al.: Association of frequent moisturizer use in early infancy with the development of food allergy. J Allergy Clin Immunol. 2021; 147(3):967-976.e1

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