© Paul Scherrer Institut PSI/Mahir Dzambegovic

PSI setzt neuen Workflow zu täglich individueller Tumorbestrahlung um

Forschende des Paul Scherrer Instituts (PSI) haben einen neuen Ablauf bei der Behandlung von Krebskranken in den klinischen Alltag eingebaut, der die Behandlung verbessern und die Strahlenbelastung reduzieren soll.

Villigen. Forschende des Paul Scherrer Instituts (PSI) haben erstmals einen neuen Workflow bei der Behandlung von Krebskranken in den täglichen klinischen Alltag einer Protonentherapie eingebaut: Die Bestrahlung lässt sich täglich neu an die Lage des Tumors und die Gegebenheiten im Körper anpassen. Damit kann ein weiterer wichtiger Schritt in der Individualisierung der Therapie gesetzt werden. Die Studie erschien diese Woche im Fachblatt Physics in Medicine and Biology.
Die meisten Unterschiede, die sich im Körper von einem Tag zum anderen zeigen, sind nur gering und spielen sich in Ausmassen von Millimetern ab. Der Darm ist mal mehr und mal weniger gefüllt, die Nase gestern noch frei, heute sind die Nasennebenhöhlen verschleimt. «Aber bei Krebskranken, die mit Protonen bestrahlt werden, können selbst solche kleinen Veränderungen erhebliche Auswirkungen auf die optimale Strahlendosis haben», sagt Francesca Albertini, Medizinphysikerin am Protonentherapiezentrum des PSI. Mehr oder weniger Schleim, Luft, Muskulatur oder Fett – all das ist bei der Berechnung des Behandlungsplans zu berücksichtigen.
Forschenden am PSI ist es nach eigenen Angaben in einer weltweiten Premiere nun erstmals gelungen, diese Vorgehensweise erfolgreich in den täglichen klinischen Alltag zu integrieren.
Genau wie Photonen bei der gewöhnlichen Strahlentherapie töten Protonen Krebszellen ab. Protonen sind allerdings Teilchen mit Masse und Ladung, und ihre Eindringtiefe ins Gewebe ist physikalisch ganz genau vorbestimmt. Sie verlieren auf dem Weg durch den Körper nur wenig Energie und geben den grössten Teil in ihrem Ziel, dem Tumor, ab. Damit dieser möglichst vollständig bestrahlt und das umliegende Gewebe geschont wird, werden Patient:innen vor Beginn der Protonentherapie im Computertomografen (CT) gescannt. Darauf aufbauend wird der Behandlungsplan erstellt: Dabei berechnet die Ärztin oder der Arzt, welche Körperareale genau mit dem Protonenstrahl dreidimensional abzurastern sind und wie energiereich der Strahl dabei sein muss. Während der Therapie wird der Tumor an fünf Tagen in der Woche bestrahlt – meist über zwei bis sieben Wochen.
Den neuen Workflow kennzeichnet, dass vor jeder Bestrahlung eine niedrig dosierte CT-Aufnahme angefertigt wird. Die Strahlendosis der Protonentherapie wird dementsprechend − je nach tagesaktueller Anatomie sowie Positionierung der Patientin oder des Patienten auf der Behandlungsliege − neu berechnet. Die entsprechende Software für diesen Prozess haben die PSI-Forschenden um Francesca Albertini entwickelt. Die Vorteile fasst sie wie folgt zusammen: «Wir können sicherstellen, dass das Zielvolumen – sprich der Tumor – genau getroffen wird. Dabei verkleinert sich insgesamt die Strahlenlast, da gesundes Gewebe weniger belastet wird.» Möglicher Nachteil: Jede Anwendung kann mit einem längeren Zeitaufwand verbunden sein, weshalb die Patientinnen und Patienten länger auf der Liege verharren müssen. Als Folge könnten pro Tag weniger Menschen behandelt werden. Zudem bedeutet eine zusätzliche CT-Aufnahme pro Tag zunächst eine erhöhte Strahlenbelastung. «Wir gehen aber davon aus, dass sich das Risiko für sekundäre Krebserkrankungen, die erst durch die Bestrahlung ausgelöst werden, durch den neuen Prozess nicht erhöht», erklärt Damien Weber, Leiter und Chefarzt des Protonentherapiezentrum. Denn am Ende stünde eine Nettoreduktion an Strahlenbelastung.
In einer ersten Machbarkeitsstudie, die nun veröffentlicht wurde, wurde das neue Verfahren bei fünf Patientinnen und Patienten umgesetzt. (red)

Quelle: Medieninformation Bundesrat/Paul Scherrer Institut

Originalstudie: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1361-6560/ad7cbd

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