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Urologische Tumoren

Aktuelle Daten zu wichtigen Forschungsansätzen beim Prostatakarzinom

Am diesjährigen Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago wurden interessante Studien zum Prostatakarzinom vorgestellt. Konkrete Empfehlungen für die tägliche Praxis lassen sich daraus aber noch nicht ableiten.

PSMAfore: aktuelle Daten zur Radioligandentherapie

Die PSMAfore-Studie wurde bereits am ESMO 2023 vorgestellt1 und ist noch nicht vollumfänglich publiziert worden. In diese Studie wurden Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom (CRPC) und Progress unter beziehungsweise nach einer Behandlung mit einem ARPI («androgen receptor pathway inhibitor») eingeschlossen, welche Kandidaten für einen ARPI-Wechsel waren. Sie wurden randomisiert auf die Radioligandentherapie mit 177Lu-PSMA-617 oder einen ARPI-Wechsel. Die Radioligandentherapie wurde in der Standarddosis alle sechs Wochen bis maximal sechs Zyklen verabreicht. Bei Progress der Patienten im Kontrollarm war ein Cross-over möglich, sofern die Kriterien dafür erfüllt waren. Beim primären Endpunkt, dem radiografisch progressionsfreien Überleben (rPFS), hat sich bereits bei der Präsentation am ESMO 2023 ein signifikantes Ergebnis gezeigt.1

In der zweiten Interimsanalyse, die am AUA-Kongress 2024 gezeigt wurde, hat sich dieser Vorteil im rPFS bestätigt (12,02 vs. 5,59 Monate, HR: 0,43, 95% CI: 0,33–0,54).2 Das Gesamtüberleben (OS) als sekundärer Endpunkt war bei der initialen Präsentation am ESMO 2023 für die Radioligandentherapie gegenüber dem ARPI-Switch nicht signifikant länger.

In der nun vorgestellten dritten Interimsanalyse am ASCO 2024 zeigt sich weiterhin kein signifikanter Vorteil im OS (23,66 vs. 23,85 Monate, HR: 0,98, 95% CI: 0,75–1,28).Dass es keinen Gesamtüberlebensvorteil gibt, mag daran liegen, dass ein relevanter Anteil der Patienten im Kontrollarm bei Progress auf die aktive Therapie gewechselt ist. Insgesamt konnten 57,3% der Patienten im Kontrollarm bei Progress auf die aktive Therapie wechseln. Karim Fizazi hat nun auch Lebensqualitätsdaten gezeigt, welche alle auch einen Vorteil für die Radioligandentherapie zeigen, zum Beispiel im FACT-P-Score, aber auch in der Zeit bis zur Verschlimmerung von Schmerzen. Bezüglich der Nebenwirkungen hat sich das bereits initial vorgestellte Bild nicht relevant geändert. Die Radioligandentherapie ist insgesamt gut verträglich. Die häufigste Nebenwirkung ist Mundtrockenheit, welche bei 57,3% aller Patienten auftritt (alle Grade), auch Übelkeit tritt verglichen mit dem ARPI-Kontrollarm häufiger auf (31,3% vs. 12,1%) und ebenso Verstopfung (22% vs. 13,4%), Durchfall (16,3% vs. 8,6%) und Anämie (24,2% vs. 16,8%).3

Die Daten der PSMAfore-Studie zeigen insgesamt eine wirksame Therapie für Patienten mit metastasiertem CRPC (mCRPC) und Vorbehandlung mit einer endokrinen Therapie. Wenn man berücksichtigt, dass der Vergleichsarm (ARPI-Switch) ein schwacher und wenig wirksamer Kontrollarm ist, so ist die Antitumoraktivität in der PSMAfore-Studie insgesamt nicht herausragend. Wahrscheinlich könnte mit einer besseren Patientenselektion in einer Subgruppe der Patienten eine relevantere, längere und bessere Wirksamkeit erreicht werden (z.B. abhängig vom Metastasierungsmuster oder von der Intensität der PSMA-Expression). Für Patienten, die für Chemotherapie oder die Radioligandentherapie fit sind, und wenn eine rasche Therapieumstellung notwendig ist (z.B. aufgrund der Metastasierung oder der Tumorerkrankungskinetik), dann ist der rasche Einsatz der Chemotherapie mit Docetaxel und der Radioligandentherapie als dritte Therapieoption in Erwägung zu ziehen.

Diagnostische Relevanz zirkulierender Tumor-DNA

Eine zweite Arbeit aus der PSMAfore-Studie, präsentiert von Johann De Bono, hat Resultate zur Bestimmung der zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA) und ihrer Assoziation mit Ansprechen untersucht.4 Bei Baseline hatten in beiden Armen der Studien etwa 65% der Patienten eine ctDNA-Fraktion von >0,5%, was sich in den vorgestellten Analysen als prognostisch wichtiger Faktor herausgestellt hat. Patienten mit einer ctDNA-Fraktion von >0,5% hatten ein deutlich kürzeres rPFS (2,55 Monate) verglichen mit jenen, die eine ctDNA-Fraktion ≤0,5% hatten (13,63 Monate). Interessant ist auch die Dynamik unter der Therapie. Patienten mit einer nachweisbaren ctDNA-Fraktion, die unter der Therapie unter die Nachweisgrenze fiel, hatten ein deutlich längeres rPFS (12 Monate) als Patienten, deren ctDNA-Fraktion nicht abfiel (3,7 Monate).

Verschiedene zusätzliche Biomarker wurden untersucht und die 8q-Amplifikation, die AR-Amplifikation oder die TP53-Alterationen waren wichtige prognostische Biomarker, die mit einem kürzeren rPFS und einem schlechteren Tumoransprechen assoziiert waren. Die ctDNA-Analysen, wie sie im Rahmen der PSMAfore-Studie untersucht wurden, sind für den Einsatz im klinischen Alltag noch nicht bereit, liefern aber wichtige Informationen, zum Beispiel für das Design oder die Stratifikation weiterer klinischer Studien.

CYCLONE 2: kein Vorteil von Abemaciclib beim mCRPC

Die CYCLONE-2-Studie hat bei Patienten mit CRPC in der ersten Therapielinie den Einsatz des CDK4/6-Inhibitors Abemaciclib in Kombination mit Abirateron/Prednison verglichen mit Abirateron/Prednison und Placebo.5 Basierend auf der Wirksamkeit des CDK4/6-Inhibitors bei Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom und da der Androgenrezeptor-Signalweg auch CDK4/6 aktiviert, lag ein gutes Rationale für die Untersuchung dieser Therapie in der ersten Therapielinie bei mCRPC vor. Leider zeigte diese zielgerichtete Therapie keinen relevanten Zusatznutzen und konnte den primären Endpunkt des rPFS nicht verbessern. In der Subgruppenanalyse schien ein Vorteil für Patienten mit einem höheren PSA-Wert oder einem Gleason-Score von 8–10 bzw. einer synchron metastasierten Erkrankung bei Diagnosestellung vorzuliegen. Diese Daten sind hypothesengenerierend und eine weitere Phase-III-Studie (CYCLONE 3) ist noch nicht ausgewertet. Nach dem ASCO 2024 gibt es aber aktuell keine Indikation für den Einsatz von Abemaciclib in der kastrationsresistenten Situation.

MAST-Studie: Metformin bei lokalisiertem Niedrigrisiko-PC

Eine weitere interessante Studie wurde als Late-breaking Abstract präsentiert. Im Rahmen der MAST-Studie wurde bei Patienten, die mit lokalisiertem Niedrigrisiko-Prostatakarzinom für eine aktive Überwachung qualifizierten, der Einsatz von Metformin 850mg 2x pro Tag über 35 Monate verglichen mit Placebo.6 Es gibt ein gutes biologisches Rationale und auch gute epidemiologische Daten, welche den Einsatz von Metformin beim Prostatakarzinom unterstützen.

Im Rahmen der MAST-Studie konnte aber die Zeit bis zur Progression der Patienten unter aktiver Überwachung und damit bis zum Entscheid bezüglich der aktiven Therapie nicht verlängert werden. Bei Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) von ≥30 war die Gruppe mit Metformin sogar signifikant schlechter als die Gruppe mit Placebo, wobei hier eine Subgruppenanalyse mit einer eingeschränkten Aussagekraft vorliegt. Metformin kann also bei Patienten mit aktiver Überwachung mit dem Ziel einer Verhinderung der Krankheitsprogression nicht empfohlen werden.

Daten aus der STAMPEDE-Studie, die den Einsatz von Metformin in der metastasierten, hormonsensitiven Situation untersucht, werden in Kürze erwartet und wir dürfen gespannt auf diese Ergebnisse sein.

NEPTUNES

Die NEPTUNES-Studie ist eine biomarkerselektionierte Phase-II-Studie mit zwei Kohorten, welche Nivolumab und Ipilimumab beim mCRPC untersucht (einmal mit dem Schema Nivolumab 1mg/kg+Ipilimumab 3mg/kg Körpergewicht und einmal mit Nivolumab 3mg/kg+Ipilimumab 1mg/kg Körpergewicht).7 Wichtig in dieser Studie ist, dass eine Biomarkerselektion vorgenommen wurde: mit dem Nachweis von DNA-Reparaturdefekten, einer defekten Mismatch-Reparatur (dMMR) oder lymphozytären Tumorinfiltraten, welche immunhistochemisch nachgewiesen wurden. Es wurden insgesamt 73 Patienten eingeschlossen. Es ist nicht überraschend, dass die Kombination mit Nivolumab 3mg/kg und Ipilimumab 1mg/kg besser toleriert wurde als das andere Schema. Bei Nachweis einer dMMR zeigte sich ein Ansprechen von 80% (10 Patienten), bei Patienten mit BRCA1/2-Alterationen ein Ansprechen von 50% (8 Patienten). Bei Patienten mit Nachweis von lymphozytären Tumorinfiltraten lag das Ansprechen bei 33% (21 Patienten) und bei Nachweis einer CDK12-Alteration konnte ein Ansprechen von 25% (8 Patienten) dokumentiert werden.

Nur sehr geringe Ansprechraten zeigten sich bei Patienten mit ATM-Alterationen, CHD1-Alterationen oder CHECK2-Alterationen. Die Studie zeigt schön, dass die kombinierte Checkpoint-Inhibition beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom sinnvollerweise nur dann eingesetzt wird, wenn ein guter Biomarker vorliegt. Das beste Ansprechen – nicht überraschend – zeigt sich bei Nachweis einer dMMR. Nicht untersucht wurden in der NEPTUNES-Studie Patienten mit MSI-high oder TMB-high, aber weitere Analysen aus dieser Studie werden erwartet.

Fazit für die Praxis

Nach dem ASCO-Kongress 2024 sind für den klinischen Alltag keine unmittelbar praxisrelevanten Änderungen umzusetzen. Biomarkeranalysen, wie sie etwa aus der PSMAfore-Studie oder auch aus der NEPTUNES-Studie vorgestellt wurden, sind aber wichtig, um Fortschritte auf diesem Gebiet zu erreichen, wo nun gerade beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom doch viele therapeutische Optionen zur Verfügung stehen.

Erneut sind viele Fragen aufgeworfen worden und man darf auf Updates in künftigen Konferenzen gespannt sein. Die Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC) bespricht und integriert die neuen Daten laufend. Die Publikation der Konferenz von 2024 wird in Kürze veröffentlicht werden, sie hat besonders zur Therapiesequenz und zum Einsatz der Radioligandentherapie viele Aspekte und Fragen behandelt.

1 Sartor O et al.: LBA13 Phase III trial of [177Lu]Lu-PSMA-617 in taxane-naive patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (PSMAfore). Ann Oncol 2023; 34: S1324-5 2 Wei XX et al.: P2-04 efficacy of [177Lu]Lu-PSMA-617 versus ARPI change in taxane-naive patients with metastatic castration-resistant prostate cancer by pre-randomisation ARPI (PSMAfore).J Urol 2024; 211 (5S2): e2 3 Fizazi K et al.: Health-related quality of life and pain in a phase 3 study of [177Lu]Lu-PSMA-617 in taxane-naïve patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (PSMAfore). J Clin Oncol 2024; 42(suppl 16); Abstr. #5003 4 De Bono JS et al.: Baseline ctDNA analyses and associations with outcomes in taxane-naive patients with mCRPC treated with 177Lu-PSMA-617 versus change of ARPI in PSMAfore. J Clin Oncol 2024; 42: Abstr. #5008 5 Smith MR et al.: CYCLONE 2: A phase 3 study of abemaciclib with abiraterone in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer. J Clin Oncol 2024; 42 (suppl 16): Abstr. #5001 6 Fleshner NE et al.: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial of metformin in reducing progression among men on expectant management for low-risk prostate cancer: The MAST (Metformin Active Surveillance Trial) study. J Clin Oncol 2024; 42(suppl 17): Abstr. #LBA5002 7 Linch MD et al.: Nivolumab and ipilimumab for metastatic prostate cancer with an immunogenic signature: the NEPTUNES multi-centre two-cohort, biomarker-selected phase 2 trial. J Clin Oncol 2024; 42(suppl 16): Abstr. #5013

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