
Darmbakterien beeinflussen die Alkoholsucht
Bericht: Reno Barth
Medizinjournalist
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Eine placebokontrollierte Pilotstudie zur Wirksamkeit der Stuhltransplantation bei alkoholkranken Patienten mit Leberzirrhose macht Hoffnung auf eine neue Interventionsmöglichkeit. Die Prozedur wurde von den Patienten gut vertragen, reduzierte zumindest über zwei Wochen den Alkoholsuchtdruck und verbesserte die Lebensqualität.
Veränderungen des Darmmikrobioms haben signifikanten Einfluss auf das Trinkverhalten von Patienten mit alkoholischer Lebererkrankung. Das legen zumindest die Ergebnisse einer im Rahmen des digitalen International Liver Congress (ILC) 2020 vorgestellten Pilotstudie nahe.1 Dass die bakterielle Besiedelung des Darms für die alkoholische Lebererkrankung (ASH) von Bedeutung ist, weiss man seit einigen Jahren.2 In Fällen von chronischem Alkoholabusus bilden sich durch den Alkoholmetabolismus reaktive Sauerstoffspezies (ROS), die im Darm oxidativen Stress erzeugen und zu einer chronischen Entzündung führen können, was eine erhöhte Permeabilität der Darmbarriere verursacht und die Zusammensetzung des Mikrobioms verändert.3,4 Unter anderem kommt es zur Expansion entzündungsassoziierter Bakterien wie zum Beispiel Proteobacteria sowie zum Rückgang der als protektiv eingeschätzten Besiedelung beispielsweise mit Faecalibacterium.5 Die Schwächung der Darmbarriere führt zur Translokation von bakterieller DNA und Endotoxinen in die Leber. Diese begünstigen über den Signalweg des «toll-like» Rezeptors 4 (TLR4) die Karzinogenese.6
Diese Zusammenhänge legen eine Manipulation des Darmmikrobioms als therapeutische Intervention bei Patienten mit ASH nahe. Die wirksamste und invasivste Methode zur Veränderung der bakteriellen Darmbesiedelung ist die Stuhltransplantation. Diese wurde nun in einer doppelblinden, placebokontrollierten Pilotstudie mit 20 alkoholabhängigen Patienten mit Leberzirrhose untersucht. Es handelte sich um ein Kollektiv von Patienten mit ausgesprochen hohem Risiko, die bereits mehrere erfolglose Entzugsversuche hinter sich hatten. Die Patienten erhielten entweder Placebo oder Faeces von einem gesunden Spender mit einem hohen Gehalt an Lachnospiraceae und Ruminococcaceae in einer einzigen Prozedur. Studienvisiten fanden an den Tagen 1, 8, 15 und 30 nach der Intervention statt. Es wurden während dieser Zeit keine weiteren Versuche unternommen, die Alkoholkrankheit zu behandeln. Erhoben wurden die Sicherheit sowie das Suchtverhalten mittels des «alcohol craving questionnaire» (ACQ) und das «sickness impact profile» (SIP) für Lebensqualität («quality of life», QOL). Zusätzlich wurden vor der Intervention sowie am Tag 15 Stuhlproben für die 16S-mikrobielle Analyse gesammelt.
Weniger Suchtdruck, mehr Lebensqualität
Patienten nach Stuhltransplantation zeigten im Vergleich zu den Ausgangswerten am Tag 15 nach der Behandlung reduzierten Suchtdruck sowie eine Verbesserung ihrer Lebensqualität. In der Placebogruppe wurde keine Veränderung beobachtet, es kam jedoch zu zwei medizinischen Notfällen, einmal wegen Hyponatriämie, einmal wegen Vorhofflimmern. In der stuhltransplantierten Gruppe traten keine Notfälle auf. Die Verbesserungen korrespondierten mit signifikanten Veränderungen des Darmmikrobioms im Sinne einer signifikanten Zunahme der bakteriellen Diversität, namentlich eines verstärkten Vorkommens von Odoribacter, Alistipes und Roseburia bei Patienten nach Stuhltransplantation. «In der Praxis sehen wir häufig, dass unsere Patienten ungeachtet ihrer Leberzirrhose weiter trinken», sagt dazu der präsentierende Studienautor Jasmohan S. Bajaj vom McGuire VA Medical Center in den USA, «und wir haben Hinweise, dass sich eine Stuhltransplantation günstig auf die Leber auswirken kann. Wozu wir keine Daten hatten, waren die Effekte der Stuhltransplantation auf die Alkoholkrankheit. Wir haben nun gesehen, dass die Stuhltransplantation bei alkoholkranken Patienten mit Leberzirrhose sicher ist und zumindest kurzfristig den Alkoholsuchtdruck reduzieren und die psychosoziale Lebensqualität verbessern kann.» Es müsse nun in grösseren und längeren Studien untersucht werden, ob die Stuhltransplantation in der Behandlung alkoholabhängiger Patienten mit Leberzirrhose hilfreich sein kann.
Quelle:
European Association for the Study of the Liver (EASL): The Digital International Liver Congress 2020
Literatur:
1 Bajaj JS et al.: ILC 2020; Abstract AS081 2 Meroni M et al.: Int J Mol Sci 2019; 20: 4568 3 Engen PA et al.: Alcohol Res 2015; 37: 22336 4 Bjørkhaug ST et al.: Gut Microbes 2019; 10: 66375 5 Li F et al.: Liver Res 2019; 3: 218-26 6 Wan MLY, El-Nezami H: Hepatobiliary Surg Nutr 2018; 7: 11-20
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