Epidemiologie der eosinophilen Ösophagitis
Autor:
Dr. med. Philipp Schreiner
Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Medizinische Universität Wien
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Die eosinophile Ösophagitis ist eine chronische immunmediierte Erkrankung der Speiseröhre mit steigender Inzidenz und Prävalenz seit der Erstentdeckung vor 30 Jahren.
Keypoints
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Die eosinophile Ösophagitis ist eine Erkrankung mit steigender Inzidenz und Prävalenz in westlichen Ländern.
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Umweltfaktoren haben einen höheren Stellenwert als genetische Faktoren in der Entstehung der EoE.
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Der Stereotyp einer EoE ist ein Kaukasier im jungen/mittleren Alter mit bekannten Allergien und männlichem Geschlecht.
Charakterisiert wird die eosinophile Ösophagitis (EoE) durch eine ösophageale Symptomatik – bei Erwachsenen typischerweise eine Dysphagie – und eine Infiltration des Ösophagus mit Eosinophilen. Ausgelöst wird die Entzündung durch Nahrungsmittelproteine und seltener Aeroallergene. Man geht heute von einer Th2-vermittelten Entzündung des Ösophagus aus, bei der neben Eosinophilen auch verschiedene T-Zellen und Mastzellen eine relevante Rolle spielen. Hervorzuheben ist, dass die EoE nicht als eine IgE-vermittelte Erkrankung angesehen wird.
Da Männer 2- bis3-mal häufiger als Frauen von der Krankheit betroffen sind und Geschwister von Betroffenen ein circa 50-fach erhöhtes Risiko für eine EoE haben, wurde schon früh eine genetische Komponente postuliert. Die jedoch deutlich zunehmende Inzidenz der EoE innerhalb der letzten Jahre deutet auf einen noch grösseren Stellenwert von Umweltfaktoren hin.
Inzidenz und Prävalenz
Die jährliche Inzidenz der EoE in westlichen Ländern liegt momentan bei circa 5−10/100000 und ist weiterhin steigend.1 Es stellt sich damit die Frage, ob dieser Anstieg der neuen Fälle durch ein erhöhtes Bewusstsein der Ärzte und konsekutiv eine erhöhte Rate von Biopsien bedingt ist oder ob es in den letzten Jahren zu einer realen Zunahme der Krankheit kam. Die Antwort ist wahrscheinlich eine Kombination von beiden, wobei aber die Zunahme der Biopsien klar geringer ausfällt als die Zunahme der Fälle. Dies wurde anhand von Daten aus der Schweiz, Holland, Dänemark und den USA gezeigt. Eine populationsbasierte Studie aus Dänemark bestätigte über einen Zeitraum von 15 Jahren eine 20-fache Zunahme von Fällen mit EoE bei einer nur doppelten Anzahl Ösophagusbiopsien im gleichen Zeitraum.2 Zusätzlich belegte das Auswerten von archivierten Biopsieblöcken klar, dass die EoE deutlich weniger häufiger vorkam als heutzutage, auch wenn man die verpassten Fälle hinzuzählte.
Die Prävalenz der EoE in populationsbasierten Studien in westlichen Ländern liegt bei circa 50−100 Fällen/100000 Personen. Somit sollten in der Schweiz circa 4000−8000 Personen unter einer EoE leiden. Die Prävalenz in Westeuropa, Nordamerika und Australien ist ähnlich hoch, jedoch deutlich geringer in China oder Japan. Für Südostasien, Nordafrika, den mittleren Osten und Südamerika existieren nur wenige Fallberichte. Bis heute gibt es noch keine bekannten Fälle aus der Subsaharazone. Neben geografischen Prävalenzunterschieden spielt die untersuchte Population eine Rolle. Wenn Patienten mit ösophagealen Symptomen eine Gastroskopie erhalten, liegt die Prävalenz folglich deutlich höher: Bei Patienten mit einer Dysphagie liegt die Prävalenz einer EoE bei circa 12−23%, bei Patienten mit einer Bolusimpaktierung um die 55%.3 Um eine EoE nicht zu verpassen, sollten somit zwingend bei jedem Patienten mit einer ösophagealen Symptomatik und/oder einer Bolusimpaktierung, unabhängig vom endoskopischen Befund, Biopsien im distalen und proximalen Ösophagus abgenommen werden.
Abb. 1: Der klassische EoE-Patient ist ein junger Mann mit bekannter Atopie und guter Schulbildung
Risikofaktoren und Umwelteinflüsse
Der klassische EoE-Patient ist ein junger Mann (Geschlechtsverhältnis 3:1) mit einer bekannten Atopie (circa 70% der EoE-Patienten) und einer guten Schulbildung. Obwohl die EoE, wie oben bereits erwähnt, keine IgE-vermittelte Erkrankung ist, haben Patienten mit einer bekannten IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie eine EoE-Prävalenz von 4,7%, was einer knapp 100-fachen Erhöhung im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung bedeutet.
In genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) wurden multiple Gene identifiziert, welche mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung einer EoE assoziiert sind. Es konnte gezeigt werden, dass ein «single nucleotide polymorphism» (SNP) im Gen für TSLP («thymic stromal lymphopoietin») zu einem erhöhten EoE-Risiko bei Männern führt.4 Zwillings- und Geschwisterstudien deuten jedoch darauf hin, dass die Vererbung bei der EoE nur einen geringen Anteil hat und Umwelteinflüsse den grösseren Teil des Risikos ausmachen. Monozygotische Zwillinge haben eine Konkordanz von 44% für eine EoE, was einen genetischen Einfluss bestätigt. Interessanter ist jedoch die Erkenntnis, dass dizygote Zwillinge ein 10x höheres Risiko haben als «normale» Geschwister, obwohl sie dieselbe Menge an gemeinsamer DNA besitzen.5 Man geht somit davon aus, dass perinatale und frühkindliche Umweltfaktoren eine wichtige Komponente bei der Entstehung einer EoE darstellen. Die stärkste und in mehreren Studien gezeigte Assoziation liegt im frühkindlichen Gebrauch von Antibiotika. Schwächere Daten zeigen auch eine mögliche Assoziation zu einer Frühgeburtlichkeit, dem Gebrauch eines Protonenpumpenhemmers in den ersten Lebensjahren und einem Kaiserschnitt.6 Eine Interaktion zwischen Umwelteinflüssen und Genetik ist wahrscheinlich, zeigt doch eine Studie klar, dass Kinder, die nicht gestillt wurden und einen SNP im CAPN14-Gen haben, ein deutlich erhöhtes Risiko für EoE haben. Diese Assoziation geht jedoch bei Kindern verloren, welche den SNP im CAPN14-Gen nicht besitzen, aber auch nicht gestillt wurden.7,8
Obwohl die EoE als eine Nahrungsmittelallergie angesehen wird und man mit einer Eliminationsdiät die EoE in Remission bringen kann, gibt es heutzutage keinerlei Forschung, welche die Veränderung unserer Ernährung (z.B. durch genetische Modifikationen der Lebensmittel, Massenproduktion, moderne Tierhaltung) und die steigende Inzidenz der Erkrankung untersucht hat.
Wenige Daten zeigen eine mögliche inverse Relation zwischen einer Helicobacter-pylori-Infektion und einer EoE.8 Interessanterweise gibt es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Entdeckung der Helicobacter-pylori-Infektion und deren Therapie und den ersten Fällen der EoE und der anschliessend steigenden Inzidenz. Das Fehlen von Helicobacter pylori ist auch mit anderen atopischen Erkrankungen assoziiert.
Weitere mögliche Assoziationen sind in Tabelle 1 aufgeführt.
Tab. 1: Faktoren, die mit einer eosinophilen Ösophagitis (EoE) assoziiert sind
Zusammenfassung
Die eosinophile Ösophagitis ist eine Erkrankung mit steigender Inzidenz und Prävalenz, was nicht nur auf ein erhöhtes Bewusstsein der Ärzte zurückzuführen ist, sondern einer realen Zunahme der Erkrankung entspricht. Über die Ursache der steigenden Zahlen kann nur gemutmasst werden. Die meisten Hinweise deuten auf Umweltfaktoren im frühkindlichen Alter hin.
Literatur:
1 de Rooij WE et al.: Emerging incidence trends of eosinophilic esophagitis over 25 years: results of a nationwide register-based pathology cohort. Neurogastroenterol Motil 2021; 33: e14072 2 Dellon ES et al.: The increasing incidence and prevalence of eosinophilic oesophagitis outpaces changes in endoscopic and biopsy practice: national population-based estimates from Denmark. Aliment Pharmacol Ther 2015; 41: 662-70 3 Hiremath GS et al.: Esophageal food impaction and eosinophilic esophagitis: a retrospective study, systematic review, and meta-analysis. Dig Dis Sci 2015; 60: 3181-93 4 Sherrill JD et al.: Variants of thymic stromal lymphopoietin and its receptor associate with eosinophilic esophagitis. J Allergy Clin Immunol 2010; 126: 160-5 5 Alexander ES et al.: Twin and family studies reveal strong environmental and weaker genetic cues explaining heritability of eosinophilic esophagitis. J Allergy Clin Immunol 2014; 134: 1084-92 6 Cianferoni A et al.: The role of the environment in eosinophilic esophagitis. J Allergy Clin Immunol Pract 2021; 9: 3268-74 7 Jensen ET et al.: Early-life environmental exposures interact with genetic susceptibility variants in pediatric patients with eosinophilic esophagitis. J Allergy Clin Immunol 2018; 141: 632-7 8 Shah SC et al.: Association between helicobacter pylori exposure and decreased odds of eosinophilic esophagitis - a systematic review and meta-analysis. Clin Gastroenterol Hepatol 2019; 17: 2185-98
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