„Wir planen, mittels Stuhltransplantation das Ansprechen auf eine Immuntherapie bei Non-Respondern zu verbessern“
Unser Gesprächspartner:
Ap. Prof. Priv.-Doz. Dr. Matthias Pinter, PhD
Leiter der Hepatom-Ambulanz
Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Medizinische Universität Wien
E-Mail: matthias.pinter@meduniwien.ac.at
Das Interview führte
Dr. Katrin Spiesberger
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Mit einem respektablen Forschungsoutput gehört Ap. Prof. Priv.-Doz. Dr. Matthias Pinter, PhD, zu den Experten auf dem Gebiet des hepatozellulären Karzinoms (HCC). Im Gespräch mit JATROS zog der Leiter der Hepatom-Ambulanz am AKH Wien/Medizinische Universität Wien ein Resümee über die Erkenntnisse des letzten Jahres und stellte kommende Forschungsprojekte vor.
Im „Journal of Hepatology“ hat Ihre Arbeitsgruppe letztes Jahr den CRAFITY-Score vorgestellt. Können Sie diesen kurz erkäutern?
M. Pinter: Das Ziel bei CRAFITY war letztendlich, einen Prognose-Score zu entwickeln, der das Therapieansprechen von Patienten mit einem hepatozellulären Karzinom (HCC), die Immuntherapie erhalten haben, voraussagen kann. Wir haben dazu eine internationale retrospektive Studie durchgeführt, in der wir in einer Entwicklungskohorte das Alpha-Fetoprotein (AFP) und das C-reaktive Protein (CRP) als zwei Serumparameter identifiziert haben, die unabhängig mit dem Überleben korrelieren. Daraus haben wir einen Score gebildet, bei dem man für jeden der beiden Werte, wenn er über dem Cut-off liegt, einen Punkt bekommt. Je mehr Punkte man auf diesem Score erreicht – also von 0 bis 2 –, desto schlechter ist letztendlich das Überleben. Das konnte dann auch in einer Validierungskohorte bestätigt werden.
Das Wesentlichere: Der Score hat nicht nur mit dem Überleben, sondern auch mit dem radiologischen Ansprechen korreliert, und das ist letztendlich das, was im klinischen Alltag zählt. Denn man möchte ja wissen, wie der Patient auf die Therapie anspricht – danach richtet sich die Therapieentscheidung, sprich, ob man die Therapie weiterführt oder wechselt.
Wie sieht es mit der Anwendung des CRAFITY-Scores in der klinischen Praxis aus?
M. Pinter: Dazu muss man sagen, dass der Score zwar extern, aber eben retrospektiv validiert wurde. Das ist immer die Schwäche von solchen Scores: Sie werden meistens auf Basis von retrospektiven Analysen gebildet. Um einen Score auch im klinischen Alltag breit einsetzen zu können, würde man eigentlich eine prospektive Validierung benötigen.
Der Score ist hilfreich, um die Entscheidungsfindung zu unterstützen, aber Therapieentscheidungen rein auf diesen Score zu stützen, geht natürlich nicht. Mein Team verwendet ihn als zusätzliche Hilfe für Entscheidungen in Graubereichen, wenn wir überlegen, ob wir bei bestimmten Patienten noch eine Therapie initiieren oder nicht, beispielsweise Child-Pugh-B-Patienten: Da gibt es die Kontroverse, wie weit man diese Patienten überhaupt noch behandeln soll. Es gibt sicherlich einige Child-Pugh-B-Patienten, die von einer Therapie noch profitieren können, z.B. wenn die Leberfunktionseinschränkung durch eine große Tumorlast mitbedingt ist und ein Therapieansprechen auch zu einer Verbesserung der Leberfunktion führen kann. Der CRAFITY-Score kann hier durchaus hilfreich sein, um einschätzen zu können, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Patient überhaupt ein Therapieansprechen erreichen kann.
Ihre Arbeitsgruppe hat in den letzten Jahren sehr viel publiziert, welche Arbeit würden Sie daraus besonders hervorkehren?
M. Pinter: Sicherlich interessant ist, sich die Child-Pugh-B-Kohorte näher anzuschauen. Wir haben vor einigen Jahren den Benefit von Immuntherapie bei Child-Pugh-A- und -B-Patienten verglichen. Das war eine kleinere Kohorte, 65 Patienten, die Arbeit erschien 2019 im „Alimentary Pharmacology & Therapeutics“, wo wir gezeigt haben, dass zwar das Therapieansprechen und die Sicherheit zwischen Child-Pugh-A- und -B-Patienten nicht unterschiedlich war, Child-Pugh-B-Patienten aber eine wesentlich schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit haben. Bei diesen Patienten ist die Zirrhose letztendlich prognosebestimmend und viele Patienten sterben an Komplikationen der Zirrhose und nicht unbedingt am HCC.
Außerdem waren wir Teil einer internationalen Kooperation, in deren Rahmen ein Paper der Arbeitsgruppe von David Pinato – Antonio D’Alessio war der Erstautor – in „Hepatology“ erschienen ist. In dieser Arbeit wurde auch sehr schön gezeigt, dass das Ansprechen und Nebenwirkungsprofil zwischen Child-A- und -B-Patienten nicht wesentlich unterschiedlich sein dürfte. Aber auch hier war das Überleben bei Child-Pugh-B-Patienten doch signifikant kürzer. Deswegen muss man bei Child-Pugh-B-Patienten sehr gut überlegen und abwägen, welche der Patienten man noch behandelt und bei welchen man das nicht mehr macht.
Da gibt es natürlich jetzt noch keine wirklich etablierte Entscheidungshilfe, aber ein pragmatischer Ansatz ist z.B. – so machen wir es meistens –, dass wir bei Patienten mit einer sehr großen Tumorlast, wo auch der Tumor selbst die Leberfunktionseinschränkung mitbewirkt, eine Therapie in Erwägung ziehen; und bei Patienten, die eine fortgeschrittene, dekompensierte Leberzirrhose haben, aber eine kleine Tumorlast – wo also wirklich die Leberzirrhose hauptverantwortlich ist für die schlechte Leberfunktion –, keine Therapie einleiten. Denn selbst wenn der Tumor anspricht, haben Letztere in der Regel keinen Benefit mehr von einer Tumortherapie.
Gibt es Neues in Bezug auf die Immuntherapie beim HCC?
M. Pinter: Gerade erst kürzlich kam die Zulassung in Europa für die Therapie mit der dualen Immuncheckpoint-Blockade Durvalumab und Tremelimumab. Dazu wurden vor einem Jahr am ASCO-GI die Ergebnisse der Phase-III-Studie HIMALAYA präsentiert. Somit steht uns neben Atezolizumab und Bevacizumab, dem bisherigen Referenzstandard bei der systemischen Erstlinienbehandlung, nun auch eine weitere Immuntherapiekombination zur Verfügung, die wir einsetzen können.
Zudem wird die Immuntherapie bald auch in früheren Tumorstadien Fuß fassen. Laut einer Presseaussendung konnte die Kombination von Atezolizumab und Bevacizumab nun auch im adjuvanten Setting nach kurativer Therapie das Rezidiv-freie Überleben verbessern. Die Daten werden auf einem der nächsten größeren Kongresse präsentiert werden.
Gibt es Vergleichsdaten für Atezolizumab/Bevacizumab und Durvalumab/Tremelimumab?
M. Pinter: Da es keinen direkten Vergleich innerhalb einer Studie gibt, ist das etwas schwierig. Man kann die Studien nicht miteinander vergleichen, da es doch ein wenig unterschiedliche Kollektive waren, auch wenn die groben Parameter schon ähnlich waren. In den Zulassungsstudien konnte mit Atezolizumab/Bevacizumab sowohl das Gesamtüberleben als auch das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu Sorafenib deutlich verlängert werden, während mit Durvalumab/Tremelimumab nur das Gesamtüberleben verlängert wurde, was aber auch der einzige primäre Endpunkt in dieser Studie war. Der Anteil an radiologischen Therapieansprechern war mit Atezolizumab/Bevacizumab höher als mit Durvalumab/Tremelimumab. Das sind die wesentlichen Unterschiede hinsichtlich Effektivität zwischen den beiden Therapien, aber wie gesagt, es gibt keine direkten Vergleiche innerhalb einer Studie, daher ist es schwer, wirkliche Schlüsse daraus zu ziehen. Auch wenn die Effektivitätsdaten für Atezolizumab/Bevacizumab sehr überzeugend sind, gibt es Patientengruppen, bei denen man vielleicht eher auf eine Anti-VEGF-Therapie verzichten möchte. Dazu gehören Patienten mit einem sehr hohen Blutungsrisiko/rezidivierenden Blutungen oder Patienten mit schweren kardiovaskulären Erkrankungen, wie z.B. schwerer Herzinsuffizienz oder rezenten kardiovaskulären Ereignissen wie Myokardinfarkt oder peripheren Gefäßverschlüssen. In solchen Fällen ist eine duale Immuncheckpoint-Blockade eventuell die bessere Option.
Worauf liegen Ihre derzeitigen Forschungsschwerpunkte?
M. Pinter: Bei uns liegt der Schwerpunk im Moment auf der Immuntherapie bei fortgeschrittenen HCC-Stadien. Dazu haben wir einige Projekte laufen, in denen wir uns verschiedene Prognosemarker anschauen, die möglicherweise mit dem Therapieansprechen korrelieren. Auch Sarkopenie ist in diesem Zusammenhang interessant, da Sarkopenie mit einer gewissen Immunschwäche einhergeht.
Wir planen zudem gerade bzw. sind kurz vor Beginn einer prospektiven Arzneimittelstudie, einer experimentellen Studie, in der wir bei Patienten, die nicht mehr auf eine Immuntherapie ansprechen oder noch nie angesprochen haben, eine Stuhltransplantation mit Stuhl von Immuntherapie-Respondern durchführen. Die Immuntherapie wird dann weiter verabreicht, um zu sehen, ob man durch die Stuhltransplantation das Ansprechen auf die Immuntherapie bei diesen Non-Respondern verbessern kann. Dazu gibt es ja beim Melanom bereits Daten, die durchaus vielversprechend sind, beim HCC gibt es dazu allerdings noch keine Daten. Bis wir hier zu Ergebnissen kommen, wird es allerdings auch noch etwas dauern. Es ist geplant, insgesamt 12 Patienten für diese Studie zu rekrutieren, und wir rechnen damit, dass wir pro Jahr 6 Patienten einschließen können. Es bleibt also spannend.
Vielen Dank für das Gespräch!
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