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SGAIM-Frühjahrskongress 2017

Virale Hepatitis: Update 2017

<p class="article-intro">Die viralen Hepatitiden B und C verursachen in den frühen Stadien oft keine Symptome. Wegen der Gefahr der Entwicklung einer chronischen Hepatitis ist das Screening jedoch sehr wichtig. Die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) kann mit den neuen Medikamenten geheilt werden, während bei der Hepatitis B nur eine Krankheitskontrolle möglich ist. Prof. Dr. med. Andrea De Gottardi, Leitender Arzt Hepatologie, Inselspital/Universitätsspital Bern, gab am SGAIM-Frühjahrskongress einen aktuellen Überblick über die beiden Virushepatitiden.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Hepatitis C</h2> <p>Gem&auml;ss Sch&auml;tzungen und Meldezahlen des BAG liegt die Pr&auml;valenz der Hepatitis C in der Schweiz bei ungef&auml;hr 36 000&ndash;43 000 chronisch HCV-Infizierten.<sup>1</sup> M&auml;nner sind deutlich h&auml;ufiger betroffen als Frauen (70 vs. 30 % ).<sup>2</sup> Interessant ist, dass Menschen, die zwischen 1955 und 1974 geboren sind, in der Schweizer Hepatitis-C-Kohorte deutlich &uuml;bervertreten sind und 61 % der gemeldeten F&auml;lle ausmachen.<sup>3</sup> Damit sind die in der Schweiz am h&auml;ufigsten betroffenen Jahrg&auml;nge etwa 10 Jahre j&uuml;nger als in den USA. <br />Circa 15 % der akuten HCV-Infektionen heilen spontan ab und in 85 % entwickelt sich eine chronische Hepatitis C. &laquo;Manifestationen der chronischen Hepatitis C treten aber erst Jahrzehnte sp&auml;ter auf&raquo;, erkl&auml;rte De Gottardi. Bei 20 % entwickelt sich eine Leberzirrhose und bei etwa 15 % k&ouml;nnen extrahepatische Manifestationen, wie Kryoglobulin&auml;mie, systemische Vaskulitis, Raynaud-Syndrom oder Glomerulonephritis, aber auch Fa-tigue und Depressionen auftreten. &laquo;Ausser- dem gibt es starke Hinweise darauf, dass die HCV-Infektion auch einen Typ-2-Diabetes induzieren kann&raquo;, so De Gottardi. Sowohl die hepatischen als auch die extrahepatischen Komplikationen sind mit einer deutlich erh&ouml;hten Mortalit&auml;t assoziiert, die durch die Behandlung jedoch signifikant reduziert werden kann.<sup>4</sup> &laquo;Auch die Hepatitis C ohne Lebererkrankung stellt also eine gute Indikation f&uuml;r eine Behandlung dar&raquo;, hielt De Gottardi fest. <br />Aufgrund der hohen Kosten der antiviralen Medikamente ist die Indikation in der Schweiz jedoch limitiert auf Patienten mit einer Leberfibrose (bioptisch Grad F2 oder Fibroscan &gt;7,5kPa), mit extrahepatischen Manifestationen, mit Koinfektionen mit HBV oder HIV, mit einem Rezidiv nach einer vorangegangenen Behandlung sowie i.v. Drogenabh&auml;ngige in einem kontrollierten Programm.<br />Der Nachweis einer HCV-Infektion ist sehr einfach. Anti-HCV-Antik&ouml;rper k&ouml;nnen entweder im Blut (auch kapill&auml;r) oder im Speichel nachgewiesen werden. Bei negativen Antik&ouml;rpern ist eine HCV-Infektion ausgeschlossen. K&ouml;nnen Anti-HCV- Antik&ouml;rper nachgewiesen werden, muss HCV-RNA gesucht werden. Ein negatives Resultat spricht f&uuml;r eine durchgemachte, abgeheilte Hepatitis C, bei positivem Resultat liegt eine chronische Hepatitis C vor und der Patient sollte zur weiteren Abkl&auml;rung (HCV-Genotyp, Leberfibrose) und Behandlung an einen Spezialisten &uuml;berwiesen werden.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Die aktuellen Therapien greifen an drei verschiedenen Stellen im Proliferationszyklus des HCV ein (Tab. 1). In Kombination kann mit diesen drei Inhibitoren die Virusreplikation zu praktisch 100 % gestoppt werden (Tab. 2). &laquo;Wegen des sehr gezielten Eingriffs haben die Patienten kaum Nebenwirkungen&raquo;, so De Gottardi. <br />Die Therapie dauert in der Regel 12 bis 24 Wochen. Die Behandlungsdauer und die Wahl der Medikamentenkombination h&auml;ngt von der Viruslast ab und davon, ob eine Leberzirrhose vorhanden ist und ob vorg&auml;ngig schon behandelt wurde. Die Kosten der antiviralen Therapie betragen mindestens 40 000 Franken. &laquo;In den n&auml;chsten beiden Jahren werden drei weitere Kombinationspr&auml;parate auf den Markt kommen&raquo;, sagte De Gottardi. <br />Zwei Aspekte d&uuml;rfen im Zusammenhang mit der Hepatitis-C-Therapie nicht unerw&auml;hnt bleiben. Zum einen kann es unter der antiviralen Behandlung zu einer Reaktivierung einer Hepatitis B kommen, weshalb die Patienten vor Therapiebeginn auf HBV gescreent werden m&uuml;ssen. Zum anderen haben Hepatitis-C-Patienten mit einer Leberzirrhose auch nach der antiviralen Behandlung ein erh&ouml;htes Risiko, ein hepatozellul&auml;res Karzinom zu entwickeln. <br />Gem&auml;ss einer im Auftrag des BAG erstellten Analyse sind in der Schweiz seit 2001 &gt;13 000 HCV-Patienten erfolgreich behandelt worden.<sup>1</sup> Gleichzeitig sind 4000 Patienten an den Folgen der Hepatitis C verstorben.<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s36.jpg" alt="" width="1492" height="890" /></p> <h2>HCV-Screening ist sinnvoll</h2> <p>In der Schweiz haben sch&auml;tzungsweise 36 000&ndash;43 000 Personen eine chronische Hepatitis C, eine potenziell heilbare Krankheit.<sup>1</sup> &laquo;Die Hepatitis C erf&uuml;llt alle Kriterien, dass wir ein Screening-Programm einf&uuml;hren&raquo;, sagte De Gottardi. Dabei ist es sinnvoll, besonders gef&auml;hrdete Personengruppen zu testen: Menschen mit Jahrgang 1950&ndash;1985, Gef&auml;ngnisinsassen, Migranten aus Endemiegebieten, Patienten mit erh&ouml;hten Leberwerten, i.v. Drogenabh&auml;ngige, Schwangere, Menschen mit Tattoos und Piercings, Patienten, die vor 1992 Blutprodukte erhalten haben, oder solche, die einmal unter nicht ad&auml;quaten hygienischen Bedingungen operiert worden sind.</p> <h2>Hepatitis B</h2> <p>Die Chronifizierung ist bei der Hepatitis B vorwiegend bei Kindern ein Problem. Mehr als 90 % der Kinder mit einer akuten HBV-Infektion entwickeln eine chronische Hepatitis, deshalb ist die Impfung so wichtig. Von den Erwachsenen mit einer akuten HBV-Infektion bilden &gt;95 % Anti-HBs-Antik&ouml;rper und die Hepatitis heilt ab. Bei chronischer Infektion entwickelt sich bei 30 % der Betroffenen eine Leberzirrhose mit der Gefahr eines hepatozellul&auml;ren Karzinoms (3 % /Jahr) oder einer zirrhotischen Dekompensation (3 % /Jahr).</p> <h2>Screening und Einteilung</h2> <p>Beim Screening auf HBV interessieren prim&auml;r die Anti-HBc-Antik&ouml;rper &ndash; sie zeigen, ob jemals ein Kontakt mit HBV stattgefunden hat &ndash; und die Anti-HBs-Antik&ouml;rper &ndash; sie zeigen, ob Immunit&auml;t besteht oder nicht (Abb. 1). Sind Anti-HBc positiv und Anti-HBs negativ, muss der Patient weiter abgekl&auml;rt werden. In der Regel werden HBsAg, HBV-DNA (Mass f&uuml;r die Vir&auml;mie), HBeAg sowie die Anti-HBe-Antik&ouml;rper bestimmt.<br />Die europ&auml;ische Gesellschaft f&uuml;r das Studium der Leber (EASL) hat im April 2017 neue Guidelines f&uuml;r die Behandlung der HBV-Infektion publiziert.<sup>5</sup> &laquo;Darin wird eine neue Einteilung der chronischen Hepatitis B beschrieben, die wegweisend sein wird&raquo;, sagte De Gottardi. &laquo;Die alte Terminologie mit Immuntoleranz oder inaktiven HBV-Tr&auml;gern wird verlassen, daf&uuml;r unterscheidet man neu zwei grosse Gruppen: die HBeAg-positiven und die HBeAg-negativen Patienten (Abb. 2).&raquo; Bei Patienten, die HBeAg exprimieren, repliziert sich das Virus weiter. Wird das HBeAg nicht exprimiert, ist die Virusreplikation niedrig oder es hat eine Mutation stattgefunden und das Virus exprimiert kein HBeAg mehr. Wichtige Parameter sind die Vir&auml;mie, die Leberwerte und die Leberfibrose. &laquo;Die Charakterisierung der Patienten anhand dieser Kriterien hilft uns in Bezug auf das weitere Vorgehen&raquo;, so De Gottardi. Ist die Vir&auml;mie hoch (HBV-DNA &gt;2000IE/ml), sind die Transaminasen erh&ouml;ht und ist eine Leberfibrose vorhanden, ist grunds&auml;tzlich die Indikation f&uuml;r eine Behandlung gegeben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s37.jpg" alt="" width="1422" height="1752" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Ziel der Therapie ist die immunologische Kontrolle des Hepatitis-B-Virus. Eine Elimination von HBV ist mit den aktuell verf&uuml;gbaren Therapien nicht m&ouml;glich. Behandelt wird entweder mit PEG-Interfe-ron &alpha; oder mit einem der oralen Pr&auml;parate Entecavir, Tenofovir disoproxil oder dem neuen Tenofovir alafenamid, das in der Schweiz ab Ende 2017 verf&uuml;gbar sein sollte. Tenofovir alafenamid hat den Vorteil, dass keine Knochendemineralisierung auftritt.<sup>6</sup> <br />Wichtig ist ausserdem, daran zu denken, dass bei Patienten, die mit Steroiden oder anderen Immunsuppressiva behandelt werden, das Hepatitis-B-Virus reaktiviert werden kann. &laquo;Screenen Sie diese Patienten unbedingt auf HBV, weil sie gegebenenfalls eine antivirale Therapie ben&ouml;tigen&raquo;, schloss De Gottardi.</p> <p>&nbsp;</p> <p><strong>Quelle:</strong><br />SGAIM-Fr&uuml;hjahrskongress, 3.&ndash;5. Mai 2017, Lausanne</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Keiser O et al: Analyse de situation des h&eacute;patites B et C en Suisse. Sur mandat de l&rsquo;Office f&eacute;d&eacute;rale de la sant&eacute; publique (OFSP). 2017 <strong>2</strong> https://www.bag.admin.ch <strong>3</strong> Bruggmann P et al: Birth year distribution in reported hepatitis C cases in Switzerland. Eur J Public Health 2015; 25: 141-3<strong>4</strong> Lee MH et al: Chronic hepatitis C virus infection in-creases mortality from hepatic and extrahepatic diseases: a community-based long-term prospective study. J Infect Dis 2012; 206: 469-77 <strong>5</strong> European Association for the Study of the Liver: EASL 2017 Clinical Practice Guidelines on the management of hepatitis B virus infection. J Hepatol 2017 [epub ahead of print] <strong>6</strong> Wan-Long C et al: Compar- ison of markers of bone turnover demonstrates less changes in CHB patients receiving tenofovir alfenamide (TAF) compared with tenofovir disoproxil fumarate (TDF). Hepatology 2016; 64 (S1): 916A (P1856)</p> </div> </p>
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