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Virale Hepatitis: Update 2017
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Sabina Ludin
Chefredaktorin
30
Min. Lesezeit
06.07.2017
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<p class="article-intro">Die viralen Hepatitiden B und C verursachen in den frühen Stadien oft keine Symptome. Wegen der Gefahr der Entwicklung einer chronischen Hepatitis ist das Screening jedoch sehr wichtig. Die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) kann mit den neuen Medikamenten geheilt werden, während bei der Hepatitis B nur eine Krankheitskontrolle möglich ist. Prof. Dr. med. Andrea De Gottardi, Leitender Arzt Hepatologie, Inselspital/Universitätsspital Bern, gab am SGAIM-Frühjahrskongress einen aktuellen Überblick über die beiden Virushepatitiden.</p>
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<p class="article-content"><h2>Hepatitis C</h2> <p>Gemäss Schätzungen und Meldezahlen des BAG liegt die Prävalenz der Hepatitis C in der Schweiz bei ungefähr 36 000–43 000 chronisch HCV-Infizierten.<sup>1</sup> Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen (70 vs. 30 % ).<sup>2</sup> Interessant ist, dass Menschen, die zwischen 1955 und 1974 geboren sind, in der Schweizer Hepatitis-C-Kohorte deutlich übervertreten sind und 61 % der gemeldeten Fälle ausmachen.<sup>3</sup> Damit sind die in der Schweiz am häufigsten betroffenen Jahrgänge etwa 10 Jahre jünger als in den USA. <br />Circa 15 % der akuten HCV-Infektionen heilen spontan ab und in 85 % entwickelt sich eine chronische Hepatitis C. «Manifestationen der chronischen Hepatitis C treten aber erst Jahrzehnte später auf», erklärte De Gottardi. Bei 20 % entwickelt sich eine Leberzirrhose und bei etwa 15 % können extrahepatische Manifestationen, wie Kryoglobulinämie, systemische Vaskulitis, Raynaud-Syndrom oder Glomerulonephritis, aber auch Fa-tigue und Depressionen auftreten. «Ausser- dem gibt es starke Hinweise darauf, dass die HCV-Infektion auch einen Typ-2-Diabetes induzieren kann», so De Gottardi. Sowohl die hepatischen als auch die extrahepatischen Komplikationen sind mit einer deutlich erhöhten Mortalität assoziiert, die durch die Behandlung jedoch signifikant reduziert werden kann.<sup>4</sup> «Auch die Hepatitis C ohne Lebererkrankung stellt also eine gute Indikation für eine Behandlung dar», hielt De Gottardi fest. <br />Aufgrund der hohen Kosten der antiviralen Medikamente ist die Indikation in der Schweiz jedoch limitiert auf Patienten mit einer Leberfibrose (bioptisch Grad F2 oder Fibroscan >7,5kPa), mit extrahepatischen Manifestationen, mit Koinfektionen mit HBV oder HIV, mit einem Rezidiv nach einer vorangegangenen Behandlung sowie i.v. Drogenabhängige in einem kontrollierten Programm.<br />Der Nachweis einer HCV-Infektion ist sehr einfach. Anti-HCV-Antikörper können entweder im Blut (auch kapillär) oder im Speichel nachgewiesen werden. Bei negativen Antikörpern ist eine HCV-Infektion ausgeschlossen. Können Anti-HCV- Antikörper nachgewiesen werden, muss HCV-RNA gesucht werden. Ein negatives Resultat spricht für eine durchgemachte, abgeheilte Hepatitis C, bei positivem Resultat liegt eine chronische Hepatitis C vor und der Patient sollte zur weiteren Abklärung (HCV-Genotyp, Leberfibrose) und Behandlung an einen Spezialisten überwiesen werden.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Die aktuellen Therapien greifen an drei verschiedenen Stellen im Proliferationszyklus des HCV ein (Tab. 1). In Kombination kann mit diesen drei Inhibitoren die Virusreplikation zu praktisch 100 % gestoppt werden (Tab. 2). «Wegen des sehr gezielten Eingriffs haben die Patienten kaum Nebenwirkungen», so De Gottardi. <br />Die Therapie dauert in der Regel 12 bis 24 Wochen. Die Behandlungsdauer und die Wahl der Medikamentenkombination hängt von der Viruslast ab und davon, ob eine Leberzirrhose vorhanden ist und ob vorgängig schon behandelt wurde. Die Kosten der antiviralen Therapie betragen mindestens 40 000 Franken. «In den nächsten beiden Jahren werden drei weitere Kombinationspräparate auf den Markt kommen», sagte De Gottardi. <br />Zwei Aspekte dürfen im Zusammenhang mit der Hepatitis-C-Therapie nicht unerwähnt bleiben. Zum einen kann es unter der antiviralen Behandlung zu einer Reaktivierung einer Hepatitis B kommen, weshalb die Patienten vor Therapiebeginn auf HBV gescreent werden müssen. Zum anderen haben Hepatitis-C-Patienten mit einer Leberzirrhose auch nach der antiviralen Behandlung ein erhöhtes Risiko, ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln. <br />Gemäss einer im Auftrag des BAG erstellten Analyse sind in der Schweiz seit 2001 >13 000 HCV-Patienten erfolgreich behandelt worden.<sup>1</sup> Gleichzeitig sind 4000 Patienten an den Folgen der Hepatitis C verstorben.<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s36.jpg" alt="" width="1492" height="890" /></p> <h2>HCV-Screening ist sinnvoll</h2> <p>In der Schweiz haben schätzungsweise 36 000–43 000 Personen eine chronische Hepatitis C, eine potenziell heilbare Krankheit.<sup>1</sup> «Die Hepatitis C erfüllt alle Kriterien, dass wir ein Screening-Programm einführen», sagte De Gottardi. Dabei ist es sinnvoll, besonders gefährdete Personengruppen zu testen: Menschen mit Jahrgang 1950–1985, Gefängnisinsassen, Migranten aus Endemiegebieten, Patienten mit erhöhten Leberwerten, i.v. Drogenabhängige, Schwangere, Menschen mit Tattoos und Piercings, Patienten, die vor 1992 Blutprodukte erhalten haben, oder solche, die einmal unter nicht adäquaten hygienischen Bedingungen operiert worden sind.</p> <h2>Hepatitis B</h2> <p>Die Chronifizierung ist bei der Hepatitis B vorwiegend bei Kindern ein Problem. Mehr als 90 % der Kinder mit einer akuten HBV-Infektion entwickeln eine chronische Hepatitis, deshalb ist die Impfung so wichtig. Von den Erwachsenen mit einer akuten HBV-Infektion bilden >95 % Anti-HBs-Antikörper und die Hepatitis heilt ab. Bei chronischer Infektion entwickelt sich bei 30 % der Betroffenen eine Leberzirrhose mit der Gefahr eines hepatozellulären Karzinoms (3 % /Jahr) oder einer zirrhotischen Dekompensation (3 % /Jahr).</p> <h2>Screening und Einteilung</h2> <p>Beim Screening auf HBV interessieren primär die Anti-HBc-Antikörper – sie zeigen, ob jemals ein Kontakt mit HBV stattgefunden hat – und die Anti-HBs-Antikörper – sie zeigen, ob Immunität besteht oder nicht (Abb. 1). Sind Anti-HBc positiv und Anti-HBs negativ, muss der Patient weiter abgeklärt werden. In der Regel werden HBsAg, HBV-DNA (Mass für die Virämie), HBeAg sowie die Anti-HBe-Antikörper bestimmt.<br />Die europäische Gesellschaft für das Studium der Leber (EASL) hat im April 2017 neue Guidelines für die Behandlung der HBV-Infektion publiziert.<sup>5</sup> «Darin wird eine neue Einteilung der chronischen Hepatitis B beschrieben, die wegweisend sein wird», sagte De Gottardi. «Die alte Terminologie mit Immuntoleranz oder inaktiven HBV-Trägern wird verlassen, dafür unterscheidet man neu zwei grosse Gruppen: die HBeAg-positiven und die HBeAg-negativen Patienten (Abb. 2).» Bei Patienten, die HBeAg exprimieren, repliziert sich das Virus weiter. Wird das HBeAg nicht exprimiert, ist die Virusreplikation niedrig oder es hat eine Mutation stattgefunden und das Virus exprimiert kein HBeAg mehr. Wichtige Parameter sind die Virämie, die Leberwerte und die Leberfibrose. «Die Charakterisierung der Patienten anhand dieser Kriterien hilft uns in Bezug auf das weitere Vorgehen», so De Gottardi. Ist die Virämie hoch (HBV-DNA >2000IE/ml), sind die Transaminasen erhöht und ist eine Leberfibrose vorhanden, ist grundsätzlich die Indikation für eine Behandlung gegeben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s37.jpg" alt="" width="1422" height="1752" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Ziel der Therapie ist die immunologische Kontrolle des Hepatitis-B-Virus. Eine Elimination von HBV ist mit den aktuell verfügbaren Therapien nicht möglich. Behandelt wird entweder mit PEG-Interfe-ron α oder mit einem der oralen Präparate Entecavir, Tenofovir disoproxil oder dem neuen Tenofovir alafenamid, das in der Schweiz ab Ende 2017 verfügbar sein sollte. Tenofovir alafenamid hat den Vorteil, dass keine Knochendemineralisierung auftritt.<sup>6</sup> <br />Wichtig ist ausserdem, daran zu denken, dass bei Patienten, die mit Steroiden oder anderen Immunsuppressiva behandelt werden, das Hepatitis-B-Virus reaktiviert werden kann. «Screenen Sie diese Patienten unbedingt auf HBV, weil sie gegebenenfalls eine antivirale Therapie benötigen», schloss De Gottardi.</p> <p> </p> <p><strong>Quelle:</strong><br />SGAIM-Frühjahrskongress, 3.–5. Mai 2017, Lausanne</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Keiser O et al: Analyse de situation des hépatites B et C en Suisse. Sur mandat de l’Office fédérale de la santé publique (OFSP). 2017 <strong>2</strong> https://www.bag.admin.ch <strong>3</strong> Bruggmann P et al: Birth year distribution in reported hepatitis C cases in Switzerland. Eur J Public Health 2015; 25: 141-3<strong>4</strong> Lee MH et al: Chronic hepatitis C virus infection in-creases mortality from hepatic and extrahepatic diseases: a community-based long-term prospective study. J Infect Dis 2012; 206: 469-77 <strong>5</strong> European Association for the Study of the Liver: EASL 2017 Clinical Practice Guidelines on the management of hepatitis B virus infection. J Hepatol 2017 [epub ahead of print] <strong>6</strong> Wan-Long C et al: Compar- ison of markers of bone turnover demonstrates less changes in CHB patients receiving tenofovir alfenamide (TAF) compared with tenofovir disoproxil fumarate (TDF). Hepatology 2016; 64 (S1): 916A (P1856)</p>
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