
©
Getty Images/iStockphoto
In der Pipeline: neue Influenzatherapien
Jatros
30
Min. Lesezeit
28.03.2019
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Bisher steht zur Therapie der Influenza de facto nur eine Medikamentenklasse zur Verfügung: die Neuraminidasehemmer. Es sind aber zahlreiche neue Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen in Entwicklung, unter anderem auch monoklonale Antikörper. Die Zukunft wird vielleicht in Kombinationstherapien liegen – wobei sicher auch der Preis neuer Medikamente eine Rolle spielen wird.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Derzeit gibt es zwei zugelassene Substanzklassen von Influenzamedikamenten: Neuraminidasehemmer (NH) und Adamantane. Da jedoch alle derzeit zirkulierenden Influenza-A-Viren gegen Adamantane resistent sind, stehen de facto nur NH zur Verfügung. <br />Von den NH wird Oseltamivir am häufigsten verwendet, weil es als orales Präparat zur Verfügung steht (Zanamivir wird inhalativ, Peramivir i.v. verabreicht; Laninamivir ist nur in Japan zugelassen). Oseltamivir ist derzeit als Therapiestandard bei Influenza zu betrachten. <br />Etwa vor zehn Jahren wurde ein deutlicher Anstieg der Resistenzen gegen Oseltamivir beobachtet. Solche Resistenzen kommen allerdings heute nur noch sporadisch vor. Dennoch ist man bemüht, neue Therapeutika gegen Influenza zu finden. Diese sollten idealerweise einen anderen Wirkmechanismus als die NH aufweisen, eine hohe Resistenzbarriere haben, breit gegen Influenzaviren A und B wirken, dem derzeitigen Therapiestandard überlegen und auch dann wirksam sein, wenn sie später als 48 Stunden nach Symptombeginn verabreicht werden.<sup>1</sup> <br />Im Folgenden eine kurze Beschreibung der wichtigsten Medikamente, die sich derzeit in der Pipeline befinden.<sup>1, 2</sup> <br />Zu den Wirkmechanismen aktueller und neuer Antiinfluenzamedikamente siehe Abbildung 1.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_a2-abb1.jpg" alt="" width="686" height="539" /></p> <h2>Polymerasekomplex-Inhibitoren</h2> <p>Derzeit befinden sich drei Polymerasekomplex- Inhibitoren in klinischer Testung: Pimodivir, Baloxavir und Favipiravir. Alle drei Substanzen werden oral verabreicht. <br /><em>Pimodivir</em> hemmt die PB2-Untereinheit der viralen Polymerase und verhindert damit ihre Bindung an die Prä-Messenger-RNA der Wirtszelle. Damit wird die virale Genexpression blockiert. Pimodivir wirkt allerdings nur bei Influenza-A-Viren, weil die PB2-Untereinheit bei Influenza-B-Viren eine andere Struktur aufweist. Die Wirkung gegen Influenza-A-Viren ist aber breit und umfasst auch solche Stämme, die gegen NH resistent sind. In einem Mausmodell war Pimodivir dem Oseltamivir klar überlegen und wirkte auch noch vier Tage nach Infektion. Es gibt PB2-Mutationen, welche die Wirksamkeit von Pimodivir stark reduzieren – eine Kombinationstherapie mit Oseltamivir ist jedoch eine Option. Derzeit wird Pimodivir in zwei Phase- III-Studien – eine bei hospitalisierten, eine bei ambulanten Patienten – geprüft. <br /><em>Baloxavir</em> ist ein orales Prodrug, das im Körper schnell in Baloxavirsäure umgewandelt wird. Diese hemmt die Endonukleasefunktion der viralen Polymerase und hemmt damit, ähnlich wie Pimodivir, die Transkription und Genexpression des Influenzavirus. Baloxavir wirkt gegen die Influenzaviren A und B und ist – als Baloxavir marboxil – in Japan und den USA bereits zugelassen, in Europa derzeit noch nicht. <br />Phase-III-Studien mit Baloxavir in Einzeldosis zeigten eine Reduktion der Zeit bis zur Symptomlinderung von ca. einem Tag, eine Reduktion der Komplikationen und des sekundären Antibiotikagebrauchs. Oseltamivir wirkte bei A(H3N2)-Viren gleich gut, aber bei Influenza-B-Viren signifikant schlechter als Baloxavir. Weitere Phase-III-Studien bei Kindern und bei hospitalisierten Patienten sind im Laufen. Resistenzen gegen Baloxavir sind beschrieben. <br /><em>Favipiravir</em> ist ein substituiertes Pyrazinderivat (ein Purinnukleosidanalogon), das die Replikation vieler RNA-Viren (darunter auch die Influenzaviren A, B und C) hemmt (zu anderen Indikationen von Favipiravir siehe den kurzen Artikel auf Seite 8). Auch das therapeutische Target von Favipiravir ist die RNA-Polymerase. <br />Bisher gibt es keine Berichte über Resistenzen gegen diese Substanz. Kombinationen von Favipiravir und Oseltamivir zeigen eine synergistische antivirale Aktivität. In Monotherapie ist Favipiravir im Mausmodell Oseltamivir überlegen. Allerdings bestehen Bedenken bezüglich potenzieller Teratogenität. Zudem fand sich in zwei Phase-III-Studien eine relativ geringe Verkürzung der Zeit bis zur Symptomlinderung (einmal 14, einmal nur sechs Stunden).</p> <h2>Monoklonale Antikörper</h2> <p>Ein anderer Ansatz zur pharmakologischen Therapie der Influenza sind monoklonale Antikörper (mAk), die sich gegen das Hämagglutinin richten. Alle bisher in Entwicklung befindlichen Substanzen haben ihr Target im sogenannten Stiel des Hämagglutinins; dort finden sich stärker konservierte, weniger zu Mutationen neigende Epitope als in den weiter distal gelegenen Anteilen des Proteins. Deshalb sollten solche mAk gegen viele, wenn nicht alle Subtypen des Influenzavirus A wirken. Die derzeit in Erprobung befindlichen mAk gegen Hämagglutinin sind in Abbildung 1 dargestellt. <br />Derzeit laufen Phase-II-Studien z.B. mit MEDI8852 oder MHAA4549A. Für Letzteres gibt es auch bereits Ergebnisse, die zeigen, dass es gut vertragen wird und die Viruslast signifikant reduziert.<sup>3</sup> <br />Eine Zukunftsvision besteht darin, eine Kombinationstherapie aus mehreren mAk zu schaffen, von denen einige auch gegen Influenza-B-Viren wirken müssten. Ein solcher Antikörper, MHAB5553A, wird gerade in Phase I entwickelt.<sup>4</sup> <br />Darüber hinaus gibt es einen weiteren Ansatz: einen Antikörper gegen das M2- Protein des Influenzavirus A (Abb. 1). Dieses Protein hat mit dem Vorgang des Aussprossens des Virus aus der Wirtszelle zu tun, das durch einen Antikörper wie TCN032 unterbunden wird. Eine Phase-IIStudie zeigte, dass TCN032 sicher und wirksam bei der Reduktion von Symptomen und von Virusausscheidung ist, wenn es einen Tag nach Infektionsbeginn appliziert wird.<sup>5</sup></p> <h2>Wirtsbezogene Therapien</h2> <p><em>DAS181</em> ist ein rekombinantes Protein, das inhalativ verabreicht wird und Sialinsäure vom Atemwegsepithel entfernt. Dies hat den Sinn, Influenza- und andere Viren, die Sialinsäure als Rezeptor verwenden, daran zu hindern, ans Atemwegsepithel anzudocken. Das Protein besteht aus einer Heparinsequenz, mittels deren es sich an respiratorischen Epithelzellen verankern kann, und einer Sialidase, mit deren Hilfe es Sialinsäure Reste von umgebenden Glykanen abschneidet. <br />DAS181 hat sich als wirksam gegen Influenza-A- und -B-Viren erwiesen. Es kann als Prophylaxe oder innerhalb von 48 Stunden nach Infektion verabreicht werden. <br />Die Entwicklung neutralisierender Antikörper – die grundsätzlich bei jeder Protein-basierten Therapie möglich ist und auch bei DAS181 schon beobachtet wurde – könnte allerdings den Einsatz dieser Substanz einschränken.<sup>6</sup><br /> <em>Nitazoxanid</em> wurde ursprünglich in anderen Indikationen eingesetzt. Tizoxanid, die aktive Form des Medikaments, wirkt bei Influenzaviren, indem es die korrekte Reifung des Hämagglutinins verhindert. Dies geschieht durch eine Blockade des Hämagglutinintransports zwischen endoplasmatischem Retikulum und Golgi-Apparat. Nitazoxanid wirkt gegen Influenza- A- und -B-Viren und wirkt synergistisch mit Oseltamivir. In einer Phase-IIb/IIIStudie zeigte sich durch Nitazoxanid eine schnellere Symptombesserung bei Patienten mit unkomplizierter Influenza als unter Placebo.<sup>7</sup> Weitere Phase-III-Studien, in denen die Substanz mit Oseltamivir verglichen oder auch kombiniert wird, sind noch nicht publiziert.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Shaw ML: The next wave of influenza drugs. ACS Infect Dis 2017; 3(10): 691-694. doi: 10.1021/acsinfecdis.7b00142 <strong>2</strong> Hayden FG, Shindo N: Influenza virus polymerase inhibitors in clinical development. Curr Opin Infect Dis 2019. doi: 10.1097/qco.0000000000000532 <strong>3</strong> McBride JM et al.: Phase 2 randomized trial of the safety and efficacy of MHAA4549A, a broadly neutralizing monoclonal antibody, in a human influenza A virus challenge model. Antimicrob Agents Chemother 2017; 61(11). doi: 10.1128/aac.01154-17<strong> 4</strong> Lim JJ et al.: A phase 1, randomized, double-blind, placebocontrolled, single-ascending-dose study to investigate the safety, tolerability, and pharmacokinetics of an antiinfluenza B virus monoclonal antibody, MHAB5553A, in healthy volunteers. Antimicrob Agents Chemother 2017; 61(8). doi: 10.1128/aac.00279-17 <strong>5</strong> Ramos EL et al.: Efficacy and safety of treatment with an anti-m2e monoclonal antibody in experimental human influenza. J Infect Dis 2015; 211(7): 1038-1044. doi: 10.1093/infdis/jiu539 <strong>6</strong> Zenilman JM et al.: Phase 1 clinical trials of DAS181, an inhaled sialidase, in healthy adults. Antiviral Res 2015; 123: 114-119. doi: 10.1016/j.antiviral.2015.09.008 <strong>7</strong> Haffizulla J et al.: Effect of nitazoxanide in adults and adolescents with acute uncomplicated influenza: a double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 2b/3 trial. Lancet Infect Dis 2014; 14(7): 609-618. doi:10.1016/s1473-3099(14)70717-0</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Zytomegalievirus: an die Risiken der Reaktivierung denken!
Infektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV) verlaufen bei Gesunden zumeist asymptomatisch, führen jedoch zur Persistenz des Virus im Organismus. Problematisch kann CMV werden, wenn es ...
Medikamenteninteraktionen: hochrelevant im klinischen Alltag
Bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Medikamente ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese einander beeinflussen. Diese Wechselwirkungen können zum kompletten Wirkungsverlust oder auch ...
Update EACS-Guidelines
Im schottischen Glasgow fand im November 2024 bereits zum 31. Mal die Conference on HIV Drug Therapy, kurz HIV Glasgow, statt. Eines der Highlights der Konferenz war die Vorstellung der ...