© Getty Images/iStockphoto

Pharmaforschung

In der Pipeline: neue Influenzatherapien

<p class="article-intro">Bisher steht zur Therapie der Influenza de facto nur eine Medikamentenklasse zur Verfügung: die Neuraminidasehemmer. Es sind aber zahlreiche neue Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen in Entwicklung, unter anderem auch monoklonale Antikörper. Die Zukunft wird vielleicht in Kombinationstherapien liegen – wobei sicher auch der Preis neuer Medikamente eine Rolle spielen wird.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Derzeit gibt es zwei zugelassene Substanzklassen von Influenzamedikamenten: Neuraminidasehemmer (NH) und Adamantane. Da jedoch alle derzeit zirkulierenden Influenza-A-Viren gegen Adamantane resistent sind, stehen de facto nur NH zur Verf&uuml;gung. <br />Von den NH wird Oseltamivir am h&auml;ufigsten verwendet, weil es als orales Pr&auml;parat zur Verf&uuml;gung steht (Zanamivir wird inhalativ, Peramivir i.v. verabreicht; Laninamivir ist nur in Japan zugelassen). Oseltamivir ist derzeit als Therapiestandard bei Influenza zu betrachten. <br />Etwa vor zehn Jahren wurde ein deutlicher Anstieg der Resistenzen gegen Oseltamivir beobachtet. Solche Resistenzen kommen allerdings heute nur noch sporadisch vor. Dennoch ist man bem&uuml;ht, neue Therapeutika gegen Influenza zu finden. Diese sollten idealerweise einen anderen Wirkmechanismus als die NH aufweisen, eine hohe Resistenzbarriere haben, breit gegen Influenzaviren A und B wirken, dem derzeitigen Therapiestandard &uuml;berlegen und auch dann wirksam sein, wenn sie sp&auml;ter als 48 Stunden nach Symptombeginn verabreicht werden.<sup>1</sup> <br />Im Folgenden eine kurze Beschreibung der wichtigsten Medikamente, die sich derzeit in der Pipeline befinden.<sup>1, 2</sup> <br />Zu den Wirkmechanismen aktueller und neuer Antiinfluenzamedikamente siehe Abbildung 1.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Infekt_1901_Weblinks_a2-abb1.jpg" alt="" width="686" height="539" /></p> <h2>Polymerasekomplex-Inhibitoren</h2> <p>Derzeit befinden sich drei Polymerasekomplex- Inhibitoren in klinischer Testung: Pimodivir, Baloxavir und Favipiravir. Alle drei Substanzen werden oral verabreicht. <br /><em>Pimodivir</em> hemmt die PB2-Untereinheit der viralen Polymerase und verhindert damit ihre Bindung an die Pr&auml;-Messenger-RNA der Wirtszelle. Damit wird die virale Genexpression blockiert. Pimodivir wirkt allerdings nur bei Influenza-A-Viren, weil die PB2-Untereinheit bei Influenza-B-Viren eine andere Struktur aufweist. Die Wirkung gegen Influenza-A-Viren ist aber breit und umfasst auch solche St&auml;mme, die gegen NH resistent sind. In einem Mausmodell war Pimodivir dem Oseltamivir klar &uuml;berlegen und wirkte auch noch vier Tage nach Infektion. Es gibt PB2-Mutationen, welche die Wirksamkeit von Pimodivir stark reduzieren &ndash; eine Kombinationstherapie mit Oseltamivir ist jedoch eine Option. Derzeit wird Pimodivir in zwei Phase- III-Studien &ndash; eine bei hospitalisierten, eine bei ambulanten Patienten &ndash; gepr&uuml;ft. <br /><em>Baloxavir</em> ist ein orales Prodrug, das im K&ouml;rper schnell in Baloxavirs&auml;ure umgewandelt wird. Diese hemmt die Endonukleasefunktion der viralen Polymerase und hemmt damit, &auml;hnlich wie Pimodivir, die Transkription und Genexpression des Influenzavirus. Baloxavir wirkt gegen die Influenzaviren A und B und ist &ndash; als Baloxavir marboxil &ndash; in Japan und den USA bereits zugelassen, in Europa derzeit noch nicht. <br />Phase-III-Studien mit Baloxavir in Einzeldosis zeigten eine Reduktion der Zeit bis zur Symptomlinderung von ca. einem Tag, eine Reduktion der Komplikationen und des sekund&auml;ren Antibiotikagebrauchs. Oseltamivir wirkte bei A(H3N2)-Viren gleich gut, aber bei Influenza-B-Viren signifikant schlechter als Baloxavir. Weitere Phase-III-Studien bei Kindern und bei hospitalisierten Patienten sind im Laufen. Resistenzen gegen Baloxavir sind beschrieben. <br /><em>Favipiravir</em> ist ein substituiertes Pyrazinderivat (ein Purinnukleosidanalogon), das die Replikation vieler RNA-Viren (darunter auch die Influenzaviren A, B und C) hemmt (zu anderen Indikationen von Favipiravir siehe den kurzen Artikel auf Seite 8). Auch das therapeutische Target von Favipiravir ist die RNA-Polymerase. <br />Bisher gibt es keine Berichte &uuml;ber Resistenzen gegen diese Substanz. Kombinationen von Favipiravir und Oseltamivir zeigen eine synergistische antivirale Aktivit&auml;t. In Monotherapie ist Favipiravir im Mausmodell Oseltamivir &uuml;berlegen. Allerdings bestehen Bedenken bez&uuml;glich potenzieller Teratogenit&auml;t. Zudem fand sich in zwei Phase-III-Studien eine relativ geringe Verk&uuml;rzung der Zeit bis zur Symptomlinderung (einmal 14, einmal nur sechs Stunden).</p> <h2>Monoklonale Antik&ouml;rper</h2> <p>Ein anderer Ansatz zur pharmakologischen Therapie der Influenza sind monoklonale Antik&ouml;rper (mAk), die sich gegen das H&auml;magglutinin richten. Alle bisher in Entwicklung befindlichen Substanzen haben ihr Target im sogenannten Stiel des H&auml;magglutinins; dort finden sich st&auml;rker konservierte, weniger zu Mutationen neigende Epitope als in den weiter distal gelegenen Anteilen des Proteins. Deshalb sollten solche mAk gegen viele, wenn nicht alle Subtypen des Influenzavirus A wirken. Die derzeit in Erprobung befindlichen mAk gegen H&auml;magglutinin sind in Abbildung 1 dargestellt. <br />Derzeit laufen Phase-II-Studien z.B. mit MEDI8852 oder MHAA4549A. F&uuml;r Letzteres gibt es auch bereits Ergebnisse, die zeigen, dass es gut vertragen wird und die Viruslast signifikant reduziert.<sup>3</sup> <br />Eine Zukunftsvision besteht darin, eine Kombinationstherapie aus mehreren mAk zu schaffen, von denen einige auch gegen Influenza-B-Viren wirken m&uuml;ssten. Ein solcher Antik&ouml;rper, MHAB5553A, wird gerade in Phase I entwickelt.<sup>4</sup> <br />Dar&uuml;ber hinaus gibt es einen weiteren Ansatz: einen Antik&ouml;rper gegen das M2- Protein des Influenzavirus A (Abb. 1). Dieses Protein hat mit dem Vorgang des Aussprossens des Virus aus der Wirtszelle zu tun, das durch einen Antik&ouml;rper wie TCN032 unterbunden wird. Eine Phase-IIStudie zeigte, dass TCN032 sicher und wirksam bei der Reduktion von Symptomen und von Virusausscheidung ist, wenn es einen Tag nach Infektionsbeginn appliziert wird.<sup>5</sup></p> <h2>Wirtsbezogene Therapien</h2> <p><em>DAS181</em> ist ein rekombinantes Protein, das inhalativ verabreicht wird und Sialins&auml;ure vom Atemwegsepithel entfernt. Dies hat den Sinn, Influenza- und andere Viren, die Sialins&auml;ure als Rezeptor verwenden, daran zu hindern, ans Atemwegsepithel anzudocken. Das Protein besteht aus einer Heparinsequenz, mittels deren es sich an respiratorischen Epithelzellen verankern kann, und einer Sialidase, mit deren Hilfe es Sialins&auml;ure Reste von umgebenden Glykanen abschneidet. <br />DAS181 hat sich als wirksam gegen Influenza-A- und -B-Viren erwiesen. Es kann als Prophylaxe oder innerhalb von 48 Stunden nach Infektion verabreicht werden. <br />Die Entwicklung neutralisierender Antik&ouml;rper &ndash; die grunds&auml;tzlich bei jeder Protein-basierten Therapie m&ouml;glich ist und auch bei DAS181 schon beobachtet wurde &ndash; k&ouml;nnte allerdings den Einsatz dieser Substanz einschr&auml;nken.<sup>6</sup><br /> <em>Nitazoxanid</em> wurde urspr&uuml;nglich in anderen Indikationen eingesetzt. Tizoxanid, die aktive Form des Medikaments, wirkt bei Influenzaviren, indem es die korrekte Reifung des H&auml;magglutinins verhindert. Dies geschieht durch eine Blockade des H&auml;magglutinintransports zwischen endoplasmatischem Retikulum und Golgi-Apparat. Nitazoxanid wirkt gegen Influenza- A- und -B-Viren und wirkt synergistisch mit Oseltamivir. In einer Phase-IIb/IIIStudie zeigte sich durch Nitazoxanid eine schnellere Symptombesserung bei Patienten mit unkomplizierter Influenza als unter Placebo.<sup>7</sup> Weitere Phase-III-Studien, in denen die Substanz mit Oseltamivir verglichen oder auch kombiniert wird, sind noch nicht publiziert.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Shaw ML: The next wave of influenza drugs. ACS Infect Dis 2017; 3(10): 691-694. doi: 10.1021/acsinfecdis.7b00142 <strong>2</strong> Hayden FG, Shindo N: Influenza virus polymerase inhibitors in clinical development. Curr Opin Infect Dis 2019. doi: 10.1097/qco.0000000000000532 <strong>3</strong> McBride JM et al.: Phase 2 randomized trial of the safety and efficacy of MHAA4549A, a broadly neutralizing monoclonal antibody, in a human influenza A virus challenge model. Antimicrob Agents Chemother 2017; 61(11). doi: 10.1128/aac.01154-17<strong> 4</strong> Lim JJ et al.: A phase 1, randomized, double-blind, placebocontrolled, single-ascending-dose study to investigate the safety, tolerability, and pharmacokinetics of an antiinfluenza B virus monoclonal antibody, MHAB5553A, in healthy volunteers. Antimicrob Agents Chemother 2017; 61(8). doi: 10.1128/aac.00279-17 <strong>5</strong> Ramos EL et al.: Efficacy and safety of treatment with an anti-m2e monoclonal antibody in experimental human influenza. J Infect Dis 2015; 211(7): 1038-1044. doi: 10.1093/infdis/jiu539 <strong>6</strong> Zenilman JM et al.: Phase 1 clinical trials of DAS181, an inhaled sialidase, in healthy adults. Antiviral Res 2015; 123: 114-119. doi: 10.1016/j.antiviral.2015.09.008 <strong>7</strong> Haffizulla J et al.: Effect of nitazoxanide in adults and adolescents with acute uncomplicated influenza: a double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 2b/3 trial. Lancet Infect Dis 2014; 14(7): 609-618. doi:10.1016/s1473-3099(14)70717-0</p> </div> </p>
Back to top