Perioperatives Infektionsmanagement – Teil 1
Bericht: Dr. Norbert Hasenöhrl
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Die Vermeidung postoperativer Wundinfektionen ist ein großes und wichtiges Ziel, das eine Vielzahl von Aspekten aufweist. Der erste Teil der Zusammenfassung zu diesem Themavon OÄ Dr. Agnes Wechsler-Fördös, Wien, befasst sich mit Prädisposition, Risikofaktoren und präventiven Maßnahmen, um solche Infektionen zu verringern.
Die Rate an postoperativen Wundinfektionen hängt stark von der Ausgangssituation ab. Wenn es eine ‚saubere‘ Operation ist (d.h. ein Eingriff ohne gravierende mikrobielle Belastung), liegt die postoperative Wundinfektionsrate zwischen 1,3% und 2,9%, sie steigt jedoch auf bis zu 40% an, wenn sich das Operationsgebiet als infiziert erweist, z.B. bei Vorliegen eines Abszesses oder einer Organperforation“, erläuterte OÄ Dr. Agnes Wechsler-Fördös, ehemals Antibiotika- und Hygienebeauftragte Ärztin des KH Rudolfstiftung, Wien. „Diese Zahl stammt jedoch aus einer älteren Studie – in moderneren Arbeiten liegt die postoperative Infektionsrate aber bei kontaminiertem Operationsfeld immer noch bei ca. 7%“, fuhr die Referentin fort. Zu den Kontaminationsklassen von OP-Gebieten siehe Tabelle 1.
Grundsätzlich gibt es in den letzten zehn bis 15 Jahren durchaus Fortschritte zu verzeichnen. Im Bereich der Kolorektalchirurgie treten jedoch nach wie vor um die 10% an postoperativen Wundinfektionen („surgical site infections“ – SSI) auf. „Allerdings stehen die SSI mit einer Inzidenz von 157/100000 immer noch an erster Stelle der nosokomialen Infektionen“, mahnte Wechsler-Fördös. Im Bezug auf bleibende Behinderung („disability-adjusted life years“ – DALY) liegen sie hingegen auf Platz 4, nach nosokomialen Pneumonien, Blutstrom- und Harnwegsinfektionen. Natürlich sind SSI auch ein erheblicher Kostenfaktor.
Prädisposition & Risikofaktoren
Die Liste an Risikofaktoren (RF) für SSI ist sehr lang. Die RF lassen sich zunächst in patienteneigene und chirurgische Faktoren unterteilen. Patienteneigene RF sind z.B. das Lebensalter, der Allgemein- und der Ernährungszustand, eine Reihe von Komorbiditäten, vorangegangene Antibiotikatherapien, Rauchen und viele andere.
Chirurgische RF können prä-, intra- oder postoperativ entstehen. Präoperative RF wären z.B. Notfalloperation, vorbestehende kontaminierte Wunden, Vorbestrahlung u.v.a. Intraoperative RF wären z.B. mangelnde Erfahrung des Chirurgen, längere Operationsdauer (>2h), kontaminierter Operationsbereich, Unterkühlung u.v.a. Postoperative RF umfassen z.B. eine Drainagedauer von mehr als drei Tagen, respiratorische Sepsis oder verschiedene invasive Techniken postoperativ. Die Verwendung von Scores wie beispielsweise des NNIS („National Nosocomial Infection Score“) hilft dabei, das postoperative Infektionsrisiko schon prospektiv, also noch vor der Operation, einzuschätzen.
Mögliche Interventionen
Es gibt unterschiedliche Bereiche, in denen eine Risikomodifikation möglich ist; dies betrifft v.a. die Operationsdauer, die Vermeidung exogener Kontamination durch krankenhaushygienische Maßnahmen (Tab.2) sowie die Verringerung der Wundkontamination durch eine adäquate Antibiotikaprophylaxe.
Tab. 1: Kontaminationsklassen von OP-Gebieten (Quelle: Robert-Koch-Institut 2000)
Tab. 2: Risikomodifikationen
Präoperative Interventionen
Laut rezenter WHO-Guideline sollten untergewichtige Patienten präoperativ orale oder enterale Nährstoffe erhalten, um das SSI-Risiko zu reduzieren. Das ungleich größere Risiko ist jedoch – jedenfalls hierzulande – die Adipositas. So zeigte sich, dass Patienten mit einem BMI ≥30kg/m2 gegenüber jenen <30kg/m2 ein um 50% erhöhtes Risiko für SSI aufweisen.
Nachgewiesen ist auch, dass ein Rauchstopp sowohl das SSI-Risiko als auch das chirurgische bzw. perioperative Komplikationsrisiko allgemein signifikant senkt. So fanden sich durch einen Rauchstopp eine Risikoreduktion von 83% und eine „number needed to treat“ von 4, um eine SSI zu vermeiden. Rauchen erhöht auch das Risiko für eine Anastomoseninsuffizienz bei Kolonchirurgie.
Ein wichtiges Thema ist das Mikrobiom der Haut. Dabei ist zu beachten, dass sich bis zu 20% dieses Mikrobioms in Hautanhangsgebilden wie z.B. Haarfollikeln befinden. Während das Mikrobiom an der Hautoberfläche einer Desinfektion leicht zugänglich ist, widersteht der in den Anhangsgebilden befindliche Anteil der Hautdesinfektion. Hier empfiehlt die WHO präoperatives Baden oder Duschen, um die Bakterienlast zu verringern, dafür sind selbst konventionelle Seifen ausreichend. Patienten, die S. aureus in der Nase tragen, sollten vor kardiothorakalen und orthopädischen Eingriffen mit nasaler Mupirocinsalbe ± Chlorhexidinwaschung dekontaminiert werden. Dieses Vorgehen wird, wenn auch mit geringerer Evidenz, auch bei anderen Eingriffen empfohlen. Allerdings kann Chlorhexidin allergische Reaktionen auslösen. Zudem können multiresistente Bakterien auch gegen Chlorhexidin resistent werden; umgekehrt kann Chlorhexidin das Risiko für die Entstehung von Resistenzen gegen gewisse Antibiotika erhöhen.
Eine universelle S. aureus-Dekolonisation ohne vorheriges Screening hat einige Nachteile:
Ein Monitoring bezüglich des Entstehens neuer Klone ist nicht möglich.
Die Raten der Resistenz gegen Mupirocin und Chlorhexidin werden möglicherweise ansteigen.
Keine Anpassung der Antibiotikaprophylaxe bei MRSA-Trägern
Eine Haarentfernung bringt grundsätzlich keinen Vorteil bezüglich SSI. Ist sie aus verschiedenen Gründen erforderlich, so ist Abschneiden/Kürzen sicherer als Rasieren.
Nichtpharmakologische intraoperative Interventionen
Das Vermeiden von Hypothermie sowie von Hypo-, aber auch Hypervolämie reduziert das SSI-Risiko, weil es die subkutane Infektionsabwehr verbessert.
Auch ein hoher Sauerstoffanteil in der Atemluft (80% für 2–6h postoperativ) ist empfehlenswert, ebenso eine konsequente Blutzuckerkontrolle (<200mg/dl). Keinen Nutzen bringen Inzisionsfolien. Hingegen sind Wundrandprotektoren sinnvoll, wenn es sich um sauber/kontaminierte oder kontaminierte Operationen handelt. Mit Antiseptika beschichtetes Nahtmaterial ist in der Viszeralchirurgie sicherlich sinnvoll, wird jedoch von der WHO auch für andere Eingriffe empfohlen.
Ein große aktuelle Kontroverse ist der Modus zur Reduktion der mikrobiellen Last der Luft im Operationssaal. In einer großen retrospektiven Studie führte der Gebrauch von Operationsjacken und -hauben, um die Belastung durch Hautschuppen des Personals zu unterbinden, nicht zu einer Reduktion der SSI.
Schon in den Achtzigerjahren zeigten Studien, dass sowohl eine präoperative Antibiotikaprophylaxe als auch der Einsatz von ultrasauberer OP-Luft zu einer SSI-Reduktion führt (wobei die Kombination beider Verfahren nur marginal besser war als die AB-Prophylaxe allein). Allerdings ergaben Surveillance-Studien, die 2008 publiziert wurden, keine Reduktion von SSI durch die Verwendung von (sehr teuren) laminaren Luftstromsystemen (LAF), sondern sogar eine Zunahme bei einzelnen Operationen. Das Robert-Koch-Institut schrieb 2017: „Es kann als gesichert angesehen werden, dass durch Zufuhr bakterienfrei filtrierter Luft in LAF-Technik bzw. mittels turbulenzarmer Verdrängungsströmung mikrobielle Luftbelastung reduziert werden kann. Ein Nachweis, dass es über die Reduktion der mikrobiellen Luftbelastung auch zu einer Reduktion der SSI käme, konnte nicht geführt werden.“
„Diese Diskussion ist nicht abgeschlossen. Es sollte geklärt werden, ob der laminare Luftstrom nur keinen Nutzen bringt oder ob er sogar schädlich ist“, forderte Wechsler-Fördös. Derzeit wird jedenfalls in Österreich – nicht nur bei Gelenksersatzoperationen – sehr wohl mit LAF gearbeitet.
Pharmakologische Interventionen
Grundsätzlich hängt die Indikation für eine präoperative AB-Prophylaxe von der Wundkategorie ab. Bei Wundkategorie „sauber“ (Tab.1) besteht eine Indikation nur dann, wenn bei einer SSI eine hohe Morbidität/Letalität zu erwarten ist, also u.a. bei neurochirurgischen, orthopädischen, gefäß- und herzchirurgischen Eingriffen. Bei den Wundkategorien „sauber/kontaminiert“ und „kontaminiert“ ist eine AB-Prophylaxe indiziert. Bei schmutzigen/manifest infizierten Wunden kann man nicht mehr von Prophylaxe sprechen: Hier ist eine antimikrobielle Therapie angezeigt.
Die Risikoreduktion durch eine AB-Prophylaxe beträgt bei sauberen und sauber/kontaminierten Eingriffen, abhängig von der Art des Eingriffs, zwischen 63 und 82%. Bei kolorektaler Chirurgie ist zudem auch eine Senkung der Letalität um 62% beschrieben. „Der Nutzen der antimikrobiellen Prophylaxe ist also sehr gut dokumentiert“, so Wechsler-Fördös.
(Anm. d. Red.: Der zweite Teil dieses Berichts wird in JATROS Infektiologie & Gastroenterologie-Hepatologie 4/2020 erscheinen.)
Quelle:
(Virtueller) Giftiger Samstag vom 20.6.2020, Vortrag: „Der Chirurg naht – perioperatives Infektionsmanagement“ von OÄ Dr. Agnes Wechsler-Fördös, vormals Abteilung für Krankenhaushygiene, KH Rudolfstiftung, Wien
Literatur:
bei der Vortragenden
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