Akute Myokarditis und inflammatorische Kardiomyopathien
Autor:
PD Dr. med. Philip Haaf
Kaderarzt
Klinik für Kardiologie
Universitätsspital Basel
E-Mail: philip.haaf@usb.ch
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Die akute Myokarditis und die inflammatorischen Kardiomyopathien sind komplexe Erkrankungen des Herzmuskels, die eine ätiologische Einteilung erfordern und langfristige Auswirkungen auf die kardiale Funktion haben können. In diesem Übersichtsartikel werden die verschiedenen Ätiologien der myokardialen Inflammation zusammengefasst mit einem Fokus auf die Rolle des Herz-MRI.
Keypoints
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Inflammatorische Kardiomyopathien sind komplexe Erkrankungen des Herzmuskels, die eine ätiologische Einteilung erfordern, um Patienten zu identifizieren, die von spezifischen Behandlungen profitieren können.
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Während die endomyokardiale Biopsie bei Patienten mit fulminanter Myokarditis oder unklaren Formen indiziert ist, kann die Mehrheit der Patienten mit Klinik, EKG, Blutbiomarker und Herz-MRI evaluiert werden.
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Das Herz-MRI ermöglicht eine diagnostische und prognostische Evaluation von entzündlichen Herzmuskelerkrankungen durch eine umfassende Funktions- und Gewebecharakterisierung von Myokard und Perikard.
Die inflammatorische Kardiomyopathie (I-CMP) ist eine Herzmuskelentzündung, die mit Herzfunktionsstörungen und Remodeling einhergeht. Sie kann akut, subakut oder chronisch verlaufen und in vier Gruppen eingeteilt werden: infektiös, autoimmun, toxisch und genetisch (Abb. 1). Viren sind die häufigste Ursache für I-CMP/akute Myokarditis. Die Pathogenese und die Progression zur Herzinsuffizienz stellen einen komplexen Prozess dar, der durch autoimmune und Umweltfaktoren beeinflusst wird. In letzter Zeit wird zunehmend eine genetische Prädisposition («virale Suszeptibilität») diskutiert.1 Das Herz-MRI bietet die Vorteile einer nichtinvasiven, multiparametrischen Gewebecharakterisierung und ist ein wichtiges Instrument, um die Krankheit besser zu verstehen und Patienten mit einem Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz zu identifizieren.
Abb. 1: Ätiologie der inflammatorischen Kardiomyopathien (modifiziert nach Ismail et al., 2022)5
Die klinische Präsentation der I-CMP ist sehr heterogen. Eine Studie mit 3055 Patienten mit akuter Myokarditis ergab, dass Symptome wie Atemnot (72%), Brustschmerzen (32%) und Herzrasen (18%) häufig auftreten und ischämische Beschwerden imitieren können.2 Fieber, Schüttelfrost mit Brustschmerzen werden ebenfalls häufig berichtet. Bei schwereren Fällen mit malignen ventrikulären Arrhythmien oder einem unzureichenden Ansprechen auf die herkömmliche Herzinsuffizienzbehandlung sollten aggressivere Formen der I-CMP in Betracht gezogen werden, z.B. Riesenzellmyokarditis, Chagas-Krankheit, Lyme-Borreliose, kardiale Sarkoidose oder eosinophile Myokarditis. Eine endomyokardiale Biopsie ist insbesondere bei Verdacht auf Riesenzellmyokarditis entscheidend für die Diagnose und Evaluation einer aggressiven Immunsuppression.
Klinische Bedeutung
Ein gewisses Mass an akuter Gewebeschädigung oder Nekrose tritt bei allen Arten von myokardialer Inflammation auf. Weshalb sich viele Patienten mit Myokarditis ohne bleibende Myokardschädigung erholen, während andere Herzrhythmusstörungen oder eine chronische dilatative Kardiomyopathie mit oft schlechter Prognose entwickeln, ist unklar. Man geht davon aus, dass 12–25% aller Patienten mit einer akuten Myokarditis eine dilatative Kardiomyopathie entwickeln.3 Unter Berücksichtigung der heutigen, sehr sensitiven diagnostischen Methoden (hochsensitives Troponin, Herz-MRI) sind diese Zahlen und damit das Risiko einer Myokarditis wahrscheinlich etwas überschätzt, die Prävalenz von bioptisch gesicherter inflammatorischer Kardiomyopathie bei Patienten mit unklarer Kardiomyopathie ist aber relativ hoch (9–40%).3
Diagnose
Die Diagnose einer I-CMP basiert auf klinischer Vorgeschichte, Blutbiomarkern, EKG, kardialer Bildgebung und bei Bedarf einer endomyokardialen Biopsie (EMB). Hochsensitive kardiale Troponin-Tests (hs-cTn) sind sehr sensitive, aber unspezifische Marker für eine Myozytenschädigung. Ein negativer hs-cTn-Test schliesst das Vorliegen einer akuten Myokarditis weitestgehend aus. Bei Patienten, die mit den immer häufiger eingesetzten Immun-Checkpoint-Inhibitoren behandelt werden, kann es jedoch in seltenen Fällen zu einer myokardialen Inflammation mit normalen hs-cTn-Werten kommen (wahrscheinlich nur Vorhandensein eines Myokardödems ohne Myozytenschädigung).4
Das EKG zeigt oft Abnormalitäten wie Repolarisationsstörungen, diffuse ST-Streckenhebungen oder bei perikardialer Beteiligung auch PQ-Streckensenkungen. Die Echokardiografie ist wichtig, um Kammerveränderungen, Dysfunktion und Perikardergüsse zu erkennen, jedoch fehlt ihr die Fähigkeit zur direkten Charakterisierung eines Myokardödems und anderer Gewebeeigenschaften, die mit myokardialer Inflammation einhergehen.
Endomyokardiale Biopsie (EMB)
Aus histologischer Sicht ist eine inflammatorische Kardiomyopathie definiert als eine Erkrankung, bei der eine Myozytenschädigung oder -nekrose in Verbindung mit einem entzündlichen Infiltrat auftritt, welche nicht durch eine Myokardischämie verursacht wird. Die EMB gilt zwar immer noch als diagnostischer Goldstandard, wird aber heute im klinischen Alltag nur noch begrenzt eingesetzt (Abb. 2). Mittels EMB können der Typ und die Ätiologie einer myokardialen Inflammation eruiert werden (z.B. lymphozytär, neutrophil, eosinophil, Riesenzellmyokarditis, Sarkoidose). Allerdings betreffen viele Myokarditiden vorwiegend die (sub-)epikardialen und mittleren Wandschichten, während mittels EMB vorrangig kleine Gewebeproben der (sub-)endokardialen Schichten des Myokards entnommen werden. So schwankt die Sensitivität der EMB aufgrund von Probenfehlern («sampling error») zwischen 80 und 93% bei der Riesenzellmyokarditis und ca. 25% bei der kardialen Sarkoidose.5 Eine weiterer Nachteil der EMB sind die selbst unter erfahrenen Untersuchern hohe «Interobserver»-Variabilität, die Kosten, die Invasivität und die begrenzte Verfügbarkeit meist nur an grösseren Spitälern.
Abb. 2: «Red flags» für endomyokardiale Biopsie
Herz-MRI
Das Herz-MRI ermöglicht die nichtinvasive Bewertung von Herzstruktur, -funktion und Gewebeeigenschaften in einer Untersuchung ohne Einsatz ionisierender Strahlung. Das multiparametrische Herz-MRI (T1-Mapping, T2-Mapping, Late Gadolinium Enhancement, Mapping des Extrazellulärvolumens/ECV) nutzt Unterschiede in den magnetischen Relaxationszeiten von entzündetem und normalem Gewebe und kann viele der Gewebeveränderungen, die bei Myokarditiden auftreten, nachweisen (Tab. 1).
Tab. 1: Die multiparametrische kardiale Magnetresonanztomografie (CMR) ist empfindlich für viele Gewebeveränderungen, die während einer Myokardentzündung auftreten, unabhängig von ihrer Ursache (modifiziert mit Erlaubnis nach Ismail et al., 2022)5
Obwohl die grosse Mehrzahl aller Patienten mit akuter Myokarditis unter einer lymphozytären, viralen Myokarditis leiden, für die es keine kausale Therapie gibt, sollten alle Fälle mit kausal behandelbarer infektiöser Ursache (bakteriell, fungal, parasitär) identifiziert werden. Die im Herz-MRI sichtbaren Gewebeveränderungen können nicht zuverlässig zwischen viraler, bakterieller, fungaler und parasitärer Ätiologie unterscheiden. Dahingegen kann das Herz-MRI aber relativ typische Bildkonstellationen zeigen bei nicht infektiös bedingter Myokarditis. So gibt es z.B. bei Vorliegen einer kardialen Sarkoidose, von Myokarditiden aus dem Formenkreis der eosinophilen Myokarditis, einer Riesenzellmyokarditis oder der arrhythmogenen Kardiomyopathie (desmosomale, genetische Kardiomyopathie) typische Befunde.
Differenzialdiagnose bei akutem Thoraxschmerz
Es gilt hervorzuheben, dass bei allen Patienten mit akutem Thoraxschmerz die Indikation für eine akute invasive Koronarangiografie letztlich immer ein individueller Entscheid ist unter Berücksichtigung der Vortestwahrscheinlichkeit für einen akuten Myokardinfarkt (Anamnese mit kardiovaskulären Risikofaktoren, EKG, Troponin und Patientenalter).
Das Herz-MRI ist hilfreich zur Differenzierung zwischen akuter Myokarditis, Takotsubo-Syndrom und akutem/subakutem Myokardinfarkt, die häufig klinisch und laboranalytisch schwer zu unterscheiden sind. Diese Unterscheidung erfolgt in Zusammenschau von regionalen Wandbewegungsstörungen, myokardialem Ödem und der Evaluation von myokardialem Late Gadolinium Enhancement im Herz-MRI.
Risikobasierter Ansatz für das unmittelbare Management und diagnostische Untersuchungen
Für das klinische Management von Patienten mit akuter Myokarditis ist es entscheidend, Hoch-Risikopatienten zu identifizieren (Präsentation im kardiogenen Schock oder anhaltende ventrikuläre Arrhythmien).6 Diese Patienten sollten in einem Spital behandelt werden, in dem die Möglichkeit zur mechanischen Kreislaufunterstützung, temporären Herzschrittmachertherapie, endomyokardialen Biopsie und Erfahrung mit immunsuppressiver Therapie gegeben ist.6
Es wird generell empfohlen, Patienten bei Verdacht auf Myokarditis aus diagnostischer und prognostischer Sicht mittels Herz-MRI zu evaluieren.6
Bei Vorhandensein von Risikofaktoren (Abb. 3) für eine ungünstige Prognose (Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie) kann eine Verlaufsbildgebung mittels Herz-MRI sinnvoll sein.
Abb. 3: Verlaufsbildgebung Herz-MRI (Bilder mit Erlaubnis aus Ismail et al., 2022)
Literatur:
1 Kontorovich AR et al.: Myopathic cardiac genotypes increase risk for myocarditis. JACC Basic Transl Sci 2021; 6: 584-92 2 Hufnagel G et al.: The european study of epidemiology and treatment of cardiac inflammatory diseases (ESETCID). First epidemiological results. Herz 2000; 25: 279-85 3 Caforio ALP et al.: Current state of knowledge on aetiology, diagnosis, management, and therapy of myocarditis: a position statement of the European Society of Cardiology Working Group on Myocardial and Pericardial Diseases. Eur Heart J 2013; 34: 2636-48 4 Mahmood SS et al.: Myocarditis in patients treated with immune checkpoint inhibitors. J Am Coll Cardiol 2018; 71: 1755-64 5 Ismail TF et al.: The role of cardiovascular magnetic resonance in the evaluation of acute myocarditis and inflammatory cardiomyopathies in clinical practice – a comprehensive review. Eur Heart J Cardiovasc Imaging 2022; 23: 450-64 6 Basso C: Myocarditis. N Engl J Med 2022; 387: 1488-1500
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