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Body-Mass-Index – the higher the better

Das „Obesity-Paradoxon“ in der Herzinsuffizienz

<p class="article-intro">Übergewicht und Adipositas sind wichtige Risikofaktoren für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen. Liegt jedoch bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung beim Patienten vor, so weisen zahlreiche Studien darauf hin, dass dieses „Mehr-Gewicht“ protektiv hinsichtlich der Sterblichkeit wirkt. Die Diskussion, ob diese Hinweise auf einem Bias beruhen, gibt es schon länger. In der aktuellen Zusammenschau vorliegender Daten handelt es sich wahrscheinlich um einen echten protektiven Effekt.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>&Uuml;bergewicht und kardiovaskul&auml;re Erkrankungen</h2> <p>Mit zunehmendem Body-Mass-Index steigt das relative Risiko f&uuml;r das Auftreten kardiovaskul&auml;rer Erkrankungen wie Myokardinfarkt und auch kardiovaskul&auml;re Todesf&auml;lle an. Dieser Zusammenhang konnte bereits in der 1995 publizierten Nurses- Health-Studie dokumentiert werden. Dabei wurden mehr als 115 000 Krankenschwestern im Alter von 30 bis 55 Jahren ohne Vorgeschichte einer kardiovaskul&auml;ren Erkrankung &uuml;ber einen Zeitraum von 14 Jahren beobachtet. Verglichen mit jenen Studienteilnehmerinnen mit einem Body-Mass-Index unter 21kg/m&sup2;, betrug f&uuml;r jene mit &uuml;ber 21kg/m&sup2; das relative Risiko f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Ereignisse (nicht t&ouml;dlicher Myokardinfarkt und koronarer Tod) im Beobachtungszeitraum etwa das 3&frac12;-Fache. Ende der 1990er-Jahre wurden &auml;hnliche Daten in einer prospektiven amerikanischen Kohortenuntersuchung an mehr als 1 Million M&auml;nnern und Frauen basierend auf einem 14-j&auml;hrigen Nachbeobachtungszeitraum und der Analyse von mehr als 200 000 Todesf&auml;llen generiert. Eine weitere Best&auml;tigung fanden diese Ergebnisse in einer NIH-AARP-Kohorte mit einem Beobachtungszeitraum von 10 Jahren, wobei sich ein Nadir der Mortalit&auml;t f&uuml;r Frauen bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 25kg/m&sup2; und f&uuml;r M&auml;nner bei einem BMI von etwa 26kg/m&sup2; zeigen lie&szlig;. Der Zusammenhang des Body-Mass-Index mit der Gesamtsterblichkeit war U-f&ouml;rmig und stieg also sowohl bei niedrigem als auch bei hohem Body-Mass-Index an (Abb. 1).<sup>1</sup><br /> In einer gepoolten Analyse von 57 prospektiven Studien mit mehr als 900 000 erwachsenen Personen mit einem mittleren Follow-up von 8 Jahren, die von den Prospective Studies Collaborators im Journal &bdquo;Lancet&ldquo; 2009 publiziert wurde, konnte dieser Zusammenhang neuerlich best&auml;tigt werden (Abb. 2).<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="871" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s32_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="958" /></p> <h2>Komorbidit&auml;ten als Surrogate f&uuml;r ung&uuml;nstiges Outcome</h2> <p>Eine Reihe von Begleiterkrankungen k&ouml;nnen den Zusammenhang zwischen steigendem Body-Mass-Index und erh&ouml;htem kardiovaskul&auml;rem Risiko erkl&auml;ren. Willett et al.<sup>3</sup> konnten zeigen, dass es mit steigendem BMI zu einer Zunahme des Risikos f&uuml;r Diabetes mellitus und f&uuml;r arterielle Hypertonie kommt. Beide Begleiterkrankungen sind unabh&auml;ngig voneinander mit einem zunehmenden Risiko f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Ereignisse assoziiert.<br /><br /> Eine rezente Studie von Khan et al.<sup>4</sup> analysierte die populationsbezogenen Daten aus 10 gro&szlig;en amerikanischen prospektiven Kohortenstudien (insgesamt 3,2 Millionen Patientenjahre). Das Follow-up reichte von 1964 bis 2015. Ein normaler Body-Mass-Index war definiert zwischen 18,5kg/m&sup2; und 24,9kg/m&sup2;. Bei beiden Geschlechtern konnte eine relative Zunahme des Auftretens kardiovaskul&auml;rer Erkrankungen mit zunehmendem Body-Mass- Index dokumentiert werden. &Uuml;bergewicht war mit einer k&uuml;rzeren Lebenserwartung und einer signifikanten Zunahme kardiovaskul&auml;rer Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t, verglichen mit normalem Body-Mass-Index, assoziiert (Abb. 3).<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s32_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="772" /></p> <h2>&bdquo;Parameter&ldquo; des &Uuml;bergewichts und kardiovaskul&auml;res Risiko</h2> <p>Der Zusammenhang eines Anstiegs t&ouml;dlicher und nicht t&ouml;dlicher kardiovaskul&auml;rer Ereignisse mit &Uuml;bergewicht und Fettsucht kann nicht nur mit dem Body-Mass- Index, sondern auch mit anderen Charakteristika, die &Uuml;bergewicht ausdr&uuml;cken, beschrieben werden. So zeigt sich ein vergleichbarer Zusammenhang auch f&uuml;r den Taillenumfang, die Waist-to-Hip-Ratio und auch die Waist-to-Height-Ratio.<sup>5</sup></p> <h2>Kardiovaskul&auml;res Risiko bei &Uuml;bergang zu metabolischem Syndrom</h2> <p>Eine rezente Publikation von Mongraw- Chaffin et al.<sup>6</sup> konnte zeigen, dass zwar ein bestimmter Anteil der &uuml;bergewichtigen Population metabolisch gesund ist, dies jedoch keinen stabilen Zustand darstellt. Viele dieser Menschen entwickeln zuk&uuml;nftig Teilkomponenten oder das Vollbild eines metabolischen Syndroms, das wieder mit einem ansteigenden kardiovaskul&auml;ren Risiko verbunden ist.</p> <h2>Body-Mass-Index und Herzinsuffizienzrisiko</h2> <p>In der Framingham-Kohorte wurde &uuml;ber einen Beobachtungszeitraum von 21 Jahren nachgewiesen, dass mit zunehmendem Body-Mass-Index das Risiko f&uuml;r das Auftreten von Herzinsuffizienz sowohl bei M&auml;nnern als auch bei Frauen ansteigt (Abb. 4).<sup>7</sup> Und eine rezente schwedische Analyse demonstrierte, dass bereits das K&ouml;rpergewicht im fr&uuml;hen Erwachsenenalter mit dem zuk&uuml;nftigen Auftreten einer Herzinsuffizienz assoziiert ist, wobei dieses Risiko bei dem Body-Mass-Index &uuml;ber 35kg/m&sup2; auf das 8-Fache, im Vergleich zu einem Body-Mass-Index von 20kg/m&sup2;, angestiegen ist.<sup>8</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s32_abb4.jpg" alt="" width="1418" height="1020" /></p> <h2>Das Adipositas-Paradoxon</h2> <p>Beim Adipositas-Paradoxon handelt es sich um eine paradoxe oder reverse Epidemiologie, die das epidemiologische Ph&auml;nomen beschreibt, dass bei &Uuml;bergewicht oder Adipositas bei einigen Erkrankungen eine bessere &Uuml;berlebenschance verglichen mit normalgewichtigen Menschen besteht. Dieser Zusammenhang wurde von Horwich et al.<sup>9</sup> schon vor mehr als 15 Jahren f&uuml;r Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz beschrieben (Abb. 5). Aber nicht nur ein h&ouml;herer Body-Mass-Index, sondern auch ein h&ouml;herer K&ouml;rperfettanteil verbessert die Prognose bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz.<sup>10</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s32_abb5.jpg" alt="" width="1417" height="757" /></p> <h2>BMI &ndash; the higher the better jenseits der Herzinsuffizienz</h2> <p>Bei einer Reihe chronischer Erkrankungen konnte ein Obesity-Paradoxon beschrieben werden. Dies gilt f&uuml;r Dialysepatienten, die eine geringere Mortalit&auml;tsrate mit steigendem Body-Mass-Index aufweisen. Vergleichbare Zusammenh&auml;nge wurden bei unterschiedlichen Malignomen beschrieben. Bei Patienten, die sich einer intensivmedizinischen Therapie unterziehen mussten, zeigte ein niedrigerer Body- Mass-Index eine ung&uuml;nstige Prognose an. Umgekehrt stieg die Mortalit&auml;t auch bei schwer &uuml;bergewichtigen Patienten auf Intensivstationen nicht an. Patienten nach Koronarinterventionen haben ein g&uuml;nstigeres Outcome (30-Tages-Mortalit&auml;t), wenn sie einen h&ouml;heren Body-Mass-Index aufweisen (mehr als 25kg/m&sup2;) (Abb. 6).<sup>11</sup><br /><br /> Auch bei Patienten mit Vorhofflimmern konnte ein Obesity-Paradoxon beschrieben werden. Eine Analyse aus der ARISTOTLEStudie zeigte, dass mit steigendem Body- Mass-Index eine niedrigere Gesamtmortalit&auml;t, eine niedrigere Rate an schweren Blutungen und auch eine niedrigere Rate an Schlaganf&auml;llen oder systemischen Embolien beobachtet werden k&ouml;nnen (Abb. 7).<sup>12</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s32_abb6.jpg" alt="" width="1417" height="722" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s32_abb7.jpg" alt="" width="1417" height="1371" /></p> <h2>Gewichts&auml;nderung als Prognosemarker</h2> <p>Eine Analyse aus der OPTIMAAL-Studie konnte zeigen, dass, verglichen mit stabilem K&ouml;rpergewicht, ein Gewichtsverlust mit einer Zunahme der Gesamtmortalit&auml;t assoziiert war.<sup>13</sup></p> <h2>Akut dekompensierte Herzinsuffizienz und K&ouml;rpergewicht</h2> <p>Daten aus dem ADHERE-Register konnten demonstrieren, dass Patienten mit einem niedrigen Body-Mass-Index von 16kg/m&sup2; bis 23,6kg/m&sup2; eine deutlich h&ouml;here inhospitale Mortalit&auml;t (6,3 %) verglichen mit Personen die einen Body-Mass- Index &uuml;ber 33kg/m&sup2; aufwiesen (2,4 % inhospitale Mortalit&auml;t). Dieser Unterschied blieb auch nach Korrektur von Risikofaktoren, wie Alter, Geschlecht, Blutdruck, Kreatinin und Herzfrequenz, erhalten.<sup>14</sup></p> <h2>M&ouml;gliche Ursachen f&uuml;r das Obesity- Paradoxon bei der Herzinsuffizienz</h2> <p>F&uuml;r das Zustandekommen dieser reversen Epidemiologie des Obesity-Paradoxons werden unterschiedliche Faktoren verantwortlich gemacht. Dazu z&auml;hlen ungewollter Gewichtsverlust, gr&ouml;&szlig;ere metabolische Reserven, weniger Kachexie, aber auch ein TNF-alpha-Schutz durch Fettgewebe. Es wird &uuml;ber eine Ver&auml;nderung der Zytokin- Balance (Leptin, Adiponektin, inflammatorische Zytokine) diskutiert. Zus&auml;tzlich k&ouml;nnte eine fr&uuml;here klinische Pr&auml;sentation mit Luftnot die Erkrankung in einem fr&uuml;heren Stadium erkennen lassen und damit eine bessere Prognose erm&ouml;glichen. Ein h&ouml;herer Blutdruck k&ouml;nnte zu einer Verbesserung der Herzinsuffizienztherapie mit Dosisoptimierung beitragen und damit eine Prognoseverbesserung erreichen. Zu den weiteren Faktoren, die den Zusammenhang zwischen &Uuml;bergewicht und besserer Prognose bei Herzinsuffizienz erkl&auml;ren k&ouml;nnten, z&auml;hlen eine gesteigerte Muskelmasse und Muskelkraft und eine bessere kardiorespiratorische Fitness (Abb. 8).<sup>10</sup></p> <h2>Anmerkung</h2> <p>Es ist allerdings anzumerken, dass bei Personen ohne manifeste kardiovaskul&auml;re Erkrankung &Uuml;bergewicht und Adipositas einen wichtigen Risikofaktor f&uuml;r die Entwicklung kardiovaskul&auml;rer Erkrankungen darstellen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Adams KF et al.: N Engl J Med 2006; 355: 763-78 <strong>2</strong> Prospective Studies Collaboration 2009: Lancet 2009; 373: 1083-96 <strong>3</strong> Willett WC et al.: N Engl J Med 1999; 341(6): 427-34 <strong>4</strong> Khan S et al.: JAMA Cardiol 2018; doi: 10.1001/jamacardio. 2018.0022 <strong>5</strong> Gelber R et al.: J Am Coll Cardiol 2008; 52: 605-15 <strong>6</strong> Mongraw-Chaffin M et al.: J Am Coll Cardiol 2018; 71(17): 1857-65 <strong>7</strong> Kenchaiah S et al.: N Engl J Med 2002; 347: 305-13 <strong>8</strong> Rosengren A et al.: Eur Heart J 2016; 38(24): 1926-33 <strong>9</strong> Horwich TB et al.: J Am Coll Cardiol 2001; 38: 789-95 <strong>10</strong> Lavie CJ et al.: Am J Cardiol 2003; 91(7): 891-4 <strong>11</strong> Holroyd EW et al.: JACC Cardiovasc Interv 2017; 10: 1283-92 <strong>12</strong> Sandru RK et al.: Eur Heart J 2016; 37: 2869-78 <strong>13</strong> Kennedy LM et al.: EHJ Eur Heart J 2006; 27(23): 2755-62 <strong>14</strong> Fonarow GC et al.: Am Heart J 2007; 153(1): 74&ndash;81</p> </div> </p>
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