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Der antikoagulierte Patient beim Allgemeinmediziner

<p class="article-intro">Eine der häufigsten Themenstellungen in der allgemeinmedizinischen Praxis ist wohl weiterhin die orale Antikoagulation (OAK). Zusätzlich zu den seit Jahrzehnten eingesetzten Vitamin-K-Antagonisten (VKA) stehen seit einiger Zeit Non-Vitamin- K-Antagonisten (NOAK) zur Verfügung. Die vierte Substanz dieser NOAK ist erst kürzlich in Österreich eingeführt worden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Es stehen aktuell also zwei NOAK f&uuml;r 1x t&auml;gliche Gabe und zwei Substanzen f&uuml;r 2x t&auml;gliche Verabreichung zur Antikoagulation bei Vorhofflimmern (VHF) zur Verf&uuml;gung; ein direkter Thrombinhemmer (Dabigatran) und drei Faktor-Xa-Hemmer (Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban).<br />Die Verwendung von NOAK als Alternative zu VKA bei VHF ist nur bei mechanischen Herzklappen bzw. bei mittelschwerer bis schwerer Mitralklappenstenose sowie schwerer Niereninsuffizienz kontraindiziert und sollte bei den &uuml;brigen Patienten prinzipiell VKA vorgezogen werden (ESC-Guidelines 2016).<sup>1</sup> Der Vorrang dieser Substanzen wurde &uuml;ber den gr&ouml;&szlig;eren &bdquo;net clinical benefit&ldquo; erkl&auml;rt, vor allem aber &uuml;ber das verminderte Risiko intrakranieller Blutungen. Die Indikation zur OAK wird nach den europ&auml;ischen Guidelines 2016 weiterhin &uuml;ber den CHA2DS2-VASc-Score des Patienten gestellt, wobei Patienten mit einem Score von 1 antikoaguliert werden sollen und ab einem Score von 2 antikoaguliert werden m&uuml;ssen.</p> <h2>Die richtige Versorgung z&auml;hlt</h2> <p>Grunds&auml;tzlich ist zur aktuellen Situation der Versorgung mit OAK anzumerken, dass nur ca. 40 % der Patienten mit VKA im INR-Zielbereich sind und rund 40 % der Patienten mit einem CHA2DS2-VASc-Sore &ge;2 &uuml;berhaupt keine Antikoagulation erhalten! Um einem weiteren Behandlungsfehler Einhalt zu gebieten, m&ouml;chte ich es etwas drastisch formulieren: Acetylsalicyls&auml;ure (ASS) ist keine &bdquo;Alternative&ldquo; bei VHF, ASS ist seit der AVERROES-Studie TOT!<br />Die weitverbreitete systematische Unterdosierung durch Verwendung der reduzierten Dosierung ohne Indikation zur Dosissenkung soll unbedingt vermieden werden (Tab. 1). Bei Unsicherheiten bez&uuml;glich der Dosierung, insbesondere bei mehreren Risikofaktoren, gibt der frei zug&auml;ngliche EHRA-Guide eine sehr gute und &uuml;bersichtliche Hilfestellung.<sup>2</sup> Die antikoagulierten Patienten sollten vom Arzt unbedingt &uuml;ber die Gefahr durch Komedikation mit bestimmten Substanzen (u.a. NSAR, Johanniskraut) informiert werden. Zus&auml;tzlich sollten wir behandelnden &Auml;rzte unbedingt korrigierbare Risikofaktoren f&uuml;r Blutungen unter OAK beachten, d.h. ad&auml;quate Blutdruckeinstellung, Vermeidung von risikoerh&ouml;hender Komedikation (ASS, NSAR, SSRI) und Umstellung von Patienten mit labilen INR-Werten auf NOAK. Relevante Wechselwirkungen gibt es in unterschiedlicher Auspr&auml;gung bei antiarrhythmischen Substanzen, Antibiotika, antiviralen Medikamenten (HIV), Fungostatika und Antiepileptika.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1702_Weblinks_s29.jpg" alt="" width="1417" height="1296" /></p> <h2>Einfachere Handhabung von NOAK</h2> <p>Ein weiteres Plus der Therapie mit NOAK sind sicherlich die einfachere Handhabung mit dem Entfall regelm&auml;&szlig;iger INR-Kontrollen sowie die unkomplizierte Umstellung durch die rasche und kurze Wirksamkeit der NOAK. Bei Umstellung von einem niedermolekularen Heparin kann mit der n&auml;chsten Dosis einfach auf das NOAK gewechselt werden. Bei Umstellung von einem VKA kann ab einem INR-Wert &lt;2,0 begonnen werden.<br />Kardioversionen sind unter NOAK nach den gleichen Regeln wie bei VKA m&ouml;glich (mind. 3 Wochen Vortherapie und 4 Wochen Nachtherapie). Auch Ablationen bei VHF (Pulmonalvenenisolation) sind unter ununterbrochener NOAK-Therapie m&ouml;glich (kein Bridging mit niedermolekularem Heparin). Mindestens 24 Stunden vor elektiven Operationen ist die NOAK-Therapie abzusetzen, bei hohem Blutungsrisiko sogar 48 Stunden davor. (Cave: bei eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion l&auml;nger!) Es erfolgt kein routinem&auml;&szlig;iges Bridging mit niedermolekularem Heparin.<br />Zeitlich begrenzte Tripletherapien nach Myokardinfarkt, akutem Koronarsyndrom oder elektiver Stentimplantation sind mit NOAK in reduzierter Dosis + ASS + Clopidogrel m&ouml;glich. Hier sollte unbedingt eine Protonenpumpenhemmertherapie (PPI) in Standarddosis erg&auml;nzt werden. Ansonsten ist unter NOAK-Therapie eine Zugabe von PPI nur bei Zustand nach gastrointestinaler Blutung oder Ulkus bzw. bei blutungsrisikoerh&ouml;hender Begleittherapie erforderlich.</p> <h2>Laborkontrollen unter NOAK-Therapie</h2> <p>An Laborkontrollen werden j&auml;hrliche Kontrollen des H&auml;moglobins sowie der Leber- und Nierenfunktion empfohlen, ab dem 75. Lebensjahr 2x pro Jahr. Bei eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion gilt als &bdquo;Faustregel&ldquo; f&uuml;r das Intervall der Kreatinin-Kontrollen: Kreatinin-Clearance (CrCl)/10 ergibt Kontrollintervall in Monaten, d.h., bei einer CrCl von 50 ist alle 5 Monate eine Kontrolle durchzuf&uuml;hren.2</p> <h2>Blutungen unter NOAK-Therapie</h2> <p>Bei leichten Blutungen gilt es vorerst abzuwarten, da die Halbwertszeit der Substanzen kurz ist (ca. 12 Stunden). Bei st&auml;rkeren Blutungen soll eine mechanische Blutstillung angestrebt werden (z.B. direkte Kompression oder endoskopisch). Bei Bedarf sollen Blutkonserven, Plasma (FFP) und Thrombozytenkonzentrate verabreicht werden. Bei lebensbedrohlichen Blutungen werden Gerinnungsfaktorenpr&auml;parate (PCC oder aPCC) empfohlen. F&uuml;r die Substanz Dabigatran gibt es bereits ein schnell wirksames Antidot (Ida&shy;rucizumab &ndash; Praxbind&reg;), f&uuml;r die anderen Substanzen sind solche noch in Entwicklung. Die Verf&uuml;gbarkeit eines Antidots f&uuml;r alle Substanzen wird sicherlich in Zukunft ein weiterer, entscheidender Vorteil von NOAK gegen&uuml;ber VKA sein.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kirchhof P et al: Eur Heart J 2016; 37(38): 2893-962 <strong>2</strong> Heidbuchel H et al: Europace 2015; 17(10): 1467-507 &bull; Weitere Literatur beim Verfasser</p> </div> </p>
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