Dexamethason bei intensivpflichtigen Covid-19-Patienten
Autoren:
Dr. Peter Jirak, PhD
Assoc. Prof. Dr. Lukas J. Motloch, MSc, PhD
Universitätsklinik für Innere Medizin II, Kardiologie und internistische Intensivmedizin
Universitätsklinikum Salzburg
E-Mail: p.jirak@salk.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Dexamethason war die erste Therapieoption, welche eine signifikante Reduktion der Mortalitätsraten bei schwerer Covid-19-Erkrankung erzielen konnte. Die Hintergründe des Therapieerfolgs blieben initial jedoch teilweise ungeklärt, so auch der Einfluss einer Dexamethason-Therapie auf das kardiovaskuläre System.
Keypoints
-
Bei intensivpflichtigen Covid-19-Patienten führt eine Dexamethason-Therapie zu einer signifikanten Reduktion der CRP-, Troponin- und D-Dimer- Spiegel.
-
Weiters zeigt sich eine signifikante Reduktion der Pulmonalembolierate.
-
Der antithrombotische Effekt ist dabei unabhängig vom Vorliegen einer therapeutischen Antikoagulation.
Neben den bekannten Komplikationen einer Pneumonie im Rahmen einer Covid-19-Erkrankung werden immer wieder zusätzliche Auswirkungen von Covid-19 auf verschiedene Organsysteme wie das Herz-Kreislauf-System diskutiert. Der Einfluss von Covid-19 auf das kardiovaskuläre System ist jedoch noch nicht vollständig erforscht.
Myokardialer Schaden
Vor allem zu Beginn der Pandemie haben viele Studien über eine hohe Rate an Myokardschäden im Rahmen einer Covid-19-Infektion berichtet. Selbige wurden in der Folge auch als unabhängiger Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung identifiziert. Folgestudien konnten jedoch aufzeigen, dass die kardiale Beteiligung im Rahmen einer Covid-19-Erkrankung hauptsächlich auf die hohe Entzündungslast im Rahmen der Erkrankung zurückzuführen ist und kein Spezifikum einer Covid-19-Erkrankung darstellt.
Thromboembolien
Neben einer kardialen Schädigung wurde bei Covid-19-Patienten auch eine erhöhte Thromboembolieneigung mit einer erhöhten Rate an Lungenembolien und anderen thromboembolischen Ereignissen beobachtet. Im Gegensatz zur myokardialen Schädigung konnte die Thromboembolieneigung als Besonderheit einer Covid-19-Erkrankung identifiziert werden. Interessanterweise konnte hier auch durch eine orale Antikoagulation nur ein verhältnismäßig geringer Nutzen erzielt werden.
RECOVERY Trial
Im Juli 2020 konnten mit der Studie RECOVERY (Dexamethason bei hospitalisierten Covid-19-Patienten) schließlich die ersten Daten publiziert werden, die eine signifikante Mortalitätsreduktion bei intensivpflichtigen Covid-19-Patienten nachwiesen. Die Auswirkungen dieses Behandlungsschemas auf das kardiovaskuläre System, einschließlich myokardialer Schädigung und thrombotischer Ereignisse, verblieben jedoch weitgehend unbekannt.
Hypothese
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war daher, die Auswirkungen einer Behandlung mit Dexamethason auf kardiale Schäden und thrombotische Ereignisse bei schwerer Covid-19-Erkrankung zu untersuchen. Da beide dieser Prozesse durch eine erhöhte Entzündungslast gefördert werden, wird eine Verringerung der myokardialen Schädigung sowie der thrombotischen Ereignisse durch eine Dexamethason-Behandlung vermutet.
Methoden
Die vorliegende Multicenterstudie wurde in drei Tertiärzentren in Deutschland und Österreich durchgeführt. Insgesamt wurden 224 Patienten, welche aufgrund einer Covid-19-Erkrankung zwischen 4/2020 und 1/2021 intensivmedizinisch behandelt und mechanisch beatmet werden mussten (High-Flow-Nasenkanüle, nichtinvasive und/oder invasive Beatmung), für die Studie rekrutiert. Um Verzerrungseffekte durch weitere Covid-19-spezifische Medikamente, einschließlich Tocilizumab, Remdesivir und Sarilumab, zu vermeiden, wurden 46 Patienten, welche mit mindestens einer dieser Substanzen behandelt wurden, von weiteren Analysen ausgeschlossen. Insgesamt wurden somit 178 Patienten für die weiterführenden Analysen miteinbezogen. Aus diesem Patientenkollektiv wurden 113 Patienten (63,5%) für eine mediane Dauer von 10 Tagen (Interquartilbereich 9–10) mit niedrig dosiertem Dexamethason behandelt. 65 Patienten (36,5%) bildeten die Kontrollgruppe.
Ergebnisse
Baselinecharakteristika
Das Durchschnittsalter lag bei 66 Jahren, über zwei Drittel der Patienten waren männlich (72,5%, n=129). Alle Patienten waren zumindest prophylaktisch antikoaguliert, wobei Patienten aus der Dexamethason-Gruppe signifikant höhere Raten an therapeutischer Antikoagulation aufwiesen. Ansonsten zeigten sich zwischen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Baselinecharakteristika und der Komorbiditäten. Erwartungsgemäß kam es unter Dexamethason-Therapie zu einer signifikanten Reduktion der CRP-Spiegel, was die antiinflammatorischen Effekte der Dexamethason-Therapie unterstreicht.
Myokardiale Schädigung
Unseren Erwartungen entsprechend zeigte sich eine signifikante Reduktion der maximalen Troponinwerte in der Dexamethason-Gruppe über die ersten zehn Tage der Intensivbehandlung (Abb. 1, Tab. 1). Auffällig ist, dass bereits am ersten Tag nach der Aufnahme auf die Intensivstation ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen zu beobachten war. Dies dürfte am ehesten darin begründet sein, dass eine spezifische Covid-19-Behandlung mitunter bereits vor der Aufnahme auf die Intensivstation eingeleitet wurde. Daher können die Unterschiede bei den Troponinwerten an Tag 1 als Auswirkung der frühen Behandlung mit Dexamethason suspiziert werden.
Abb. 1: Troponinspiegel in den ersten 10 Tagen bei Covid-19-Patienten mit Dexamethason vs. ohne Dexamethason (modifiziert nach Jirak P et al. 2022)
Tab. 1: Vergleich der allgemeinen und kardialen Parameter zwischen Patientengruppe mit Dexamethason vs. Patientengruppe ohne Dexamethason (modifiziert nach Jirak P et al. 2022)
Thromboembolien
Parallel zur Reduktion der myokardialen Schädidung führte Dexamethason auch zu einer signifikanten Reduktion der maximalen D-Dimer-Spiegel (Abb. 2). Dies spiegelte sich in einer signifikanten Reduktion der Pulmonalembolien im Gesamtkollektiv wider. Da jedoch für die Dexamethason-Gruppe eine erhöhte Rate an therapeutischer Antikoagulation bestand, wurde zusätzlich die Pulmonalembolierate im Kollektiv der therapeutisch antikoagulierten Patienten untersucht. Es zeigte sich dabei, dass auch unter therapeutischer Antikoagulation eine signifikante Reduktion der Pulmonalembolieraten im Dexamethason-Kollektiv bestand. Während in der Dexamethason-Gruppe fünf Patienten (6%) eine Lungenembolie erlitten, waren es in der Nicht-Dexamethason-Gruppe 11 Patienten (34,4%). Dagegen verblieben die Raten an tiefen Beinvenenthrombosen und Insulten ohne statistisch signifikante Unterschiede. Da kein spezifisches Screening auf thromboembolische Ereignisse vorlag, wurde eine weiterführende Abklärung nur bei klinischem Verdacht durchgeführt. Entsprechend gehen wir davon aus, dass die Raten an thromboembolischen Ereignissen in der Studie unterschätzt wurden.
Abb. 2: D-Dimer-Spiegel in den ersten 10 Tagen bei Covid-19-Patienten mit Dexamethason vs. ohne Dexamethason (modifiziert nach Jirak P et al. 2022)
Intensivaufenthalt
Hinsichtlich der Mortalitätsraten auf der Intensivstation sowie der Inzidenz von ventrikulären Arrhythmien zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen sowie für die Intensivtherapie (Hämofiltration, ECMO etc.) selbst (Tab. 2). Jedoch beobachteten wir bei den mit Dexamethason behandelten Patienten einen Trend für eine verkürzte Liegedauer auf der Intensivstation, der jedoch in unserer Kohorte statistisch nicht signifikant war. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Überlebensdaten in unserer Studie nur die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation berücksichtigen und daher einen möglichen mittel- und langfristigen Effekt einer Dexamethason-Behandlung bei schwerer Covid-19-Erkrankung nicht widerspiegeln können. Diese Tatsache muss auch im Hinblick auf die Befunde einer Verringerung von Myokardschäden und Lungenembolien berücksichtigt werden, da diese Effekte nicht nur einen unmittelbaren, sondern auch einen langfristigen Einfluss auf das Überleben haben könnten.
Tab. 2: Verlauf des Intensivstationsaufenthalts bei Covid-19-Patienten mit Dexamethason vs. ohne Dexamethason (modifiziert nach Jirak P et al. 2022)
Zusammenfassung und Ausblick
Die vorliegende Arbeit war die erste Studie, welche einen wesentlichen Einfluss der Behandlung mit Dexamethason auf das kardiovaskuläre System demonstrierte. Unseren Daten zufolge führt eine Dexamethason-Therapie bei schwerer, intensivpflichtiger Covid-19-Pneumonie zu einer signifikanten Verringerung der Troponinwerte, was für eine Reduktion des myokardialen Schadens sprechen könnte. Ebenfalls konnten wir eine Verringerung der Pulmonalembolieraten beobachten. Die beobachtete Verringerung derselben war dabei unabhängig vom Vorliegen einer therapeutischen Antikoagulation, was die protektive Wirkung der Behandlung mit Dexamethason bei schwerer Covid-19-Erkrankung unterstreicht. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die signifikant erhöhten Thromboembolie- und insbesondere auf die Pulmonalembolieraten bei schwerer Covid-19-Pneumonie von Bedeutung, da eine therapeutische Antikoagulation in diesem Kontext scheinbar eine ineffektive präventive Maßnahme darstellt. Da sowohl die kardiale Beteiligung als auch die Thromboembolieneigung bei Covid-19 in erster Linie mit einer stark erhöhten Entzündungslast in Verbindung gebracht werden, scheint der potenzielle kardiovaskuläre Nutzen einer entzündungshemmenden Dexamethason-Therapie plausibel. Darüber hinaus könnte darüber spekuliert werden, dass eine Verringerung der Covid-19-bedingten Vaskulitis durch eine Dexamethason-Therapie die schützenden kardiovaskulären und antithrombotischen Effekte weiter begünstigen könnte.
Literatur:
• Horby P et al.: Dexamethasone in hospitalized patients with Covid-19. NEJM 2021; 384: 693-704 • Guzik TJ et al.: Covid-19 and the cardiovascular system: Implications for risk assessment, diagnosis, and treatment options. Cardiovasc Res 2020; 116(10): 1666-87 • Liu PP et al.: The science underlying Covid-19: Implications for the cardiovascular system. Circulation 2020; 142: 68-78 • Imazio M et al.: Covid-19 pandemic and troponin: indirect myocardial injury, myocardial inflammation or myocarditis? Heart 2020; 106: 1127-31 • Ruzzenenti G et al.: Covid and cardiovascular diseases: Direct and indirect damages and future perspective. High Blood Press Cardiovasc Prev 2021; 28(5): 439-45 • Jirak P et al.: Myocardial injury in severe Covid-19 is similar to pneumonias of other origin: results from a multicentre study. ESC Heart Fail 2021; 8(1): 37-46 • Metkus TS et al.: Myocardial injury in severe Covid-19 compared with non-Covid-19 acute respiratory distress syndrome. Circulation 2021; 143(6): 553-65 • Lu YF et al.: A meta-analysis of the incidence of venous thromboembolic events and impact of anticoagulation on mortality in patients with Covid-19. Int J Infect Dis 2020; 100: 34-41 • Bikdeli B et al.: Covid-19 and thrombotic or thromboembolic disease: Implications for prevention, antithrombotic therapy, and follow-up: JACC State-of-the-Art Review. J Am Coll Cardiol 2020; 75(23): 2950-73 • Mengozzi A et al.: The relationship between cardiac injury, inflammation and coagulation in predicting Covid-19 outcome. Sci Rep 2021; 11(1): 6515 • Hadid T et al.: Coagulation and anticoagulation in Covid-19. Blood Rev 2021; 47: 100761 • Lopes RD et al.: Therapeutic versus prophylactic anticoagulation for patients admitted to hospital with Covid-19 and elevated D-dimer concentration (ACTION): an open-label, multicentre, randomised, controlled trial. Lancet 2021; 397(10291): 2253-63 • Sadeghipour P et al.: Effect of intermediate-dose vs standard-dose prophylactic anticoagulation on thrombotic events, extracorporeal membrane oxygenation treatment, or mortality among patients with Covid-19 admitted to the intensive care unit: The INSPIRATION randomized clinical trial. JAMA 2021; 325(16): 1620-30 • Goligher EC et al.: Therapeutic anticoagulation with heparin in critically Ill patients with Covid-19. NEJM 2021; 385: 777-89 • Paar V et al.: Anti-coagulation for Covid-19 treatment: both anti-thrombotic and anti-inflammatory? J Thromb Thrombolysis 2021; 51: 226-31 • Smilowitz NR et al.: Multiple biomarker approach to risk stratification in Covid-19. Circulation 2021; 143(13): 1338-40 • Iba T et al.: The coagulopathy, endotheliopathy, and vasculitis of Covid-19. Inflamm Res 2020; 69(12): 1181-9 • Jirak P et al.: Dexamethasone improves cardiovascular outcomes in critically Ill Covid-19, a real world scenario multicenter analysis. Front Med (Lausanne) 2022; 9: 808221
Das könnte Sie auch interessieren:
ESC gibt umfassende Empfehlung für den Sport
Seit wenigen Tagen ist die erste Leitlinie der ESC zu den Themen Sportkardiologie und Training für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen verfügbar. Sie empfiehlt Training für ...
ESC-Guideline zur Behandlung von Herzvitien bei Erwachsenen
Kinder, die mit kongenitalen Herzvitien geboren werden, erreichen mittlerweile zu mehr 90% das Erwachsenenalter. Mit dem Update ihrer Leitlinie zum Management kongenitaler Vitien bei ...
Inclisiran bei Patienten mit Statinintoleranz wirksam und sicher
Eine Analyse statinintoleranter Patienten aus dem Phase III Studienprogramm ORION zeigt, dass Inclisiran die LDL-Cholesterinspiegel kardiovaskulärer Hochrisikopatienten, die kein Statin ...