Endokarditis-Guideline: grössere Rolle für ambulante antibiotische Therapie
Bericht:
Reno Barth
Medizinjournalist
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Die Diagnostik und Therapie der infektiösen Endokarditis können auch im Jahr 2023 noch herausfordernd sein. Im Rahmen des diesjährigen ESC-Kongresses wurde eine Neufassung der ESC-Guidelines zum Management der Endokarditis vorgestellt, die einige wichtige Änderungen enthält.1 So können von einer Endokarditis Betroffene in vielen Fällen nach initialer intravenöser antibiotischer Therapie ambulant und mit oralen Medikamenten weiterbehandelt werden. Auch die Wichtigkeit der Endokarditisprophylaxe wurde bei der Präsentation der Guidelines betont.
Keypoints
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Das höchste Risiko für eine infektiöse Endokarditis weisen Personen auf, die bereits eine solche überstanden haben.
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Die Diagnostik beginnt mit der klinischen Klassifikation, der Blutkultur sowie einem transösophagealen und einem transthorakalen Ultraschall. Weitere bildgebende Verfahren können indiziert sein, wenn der Ultraschall inkonklusiv bleibt.
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Die definitive Diagnose kann gestellt werden, wenn zwei Hauptkriterien oder ein Haupt- und drei Nebenkriterien bzw. fünf Nebenkriterien erfüllt sind.
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Die Therapie erfolgt zunächst mit intravenöser Gabe von Antibiotika. Die grosse Mehrheit der Patienten kann nach initialer Stabilisierung oral weiterbehandelt werden.
Die infektiöse Endokarditis ist mit einer Inzidenz von jährlich 13,8 Fällen auf 100000 Personen relativ selten, stellt jedoch aufgrund einer extrem hohen Mortalität weltweit ein erhebliches medizinisches Problem dar. Für das Jahr 2019 wurde abgeschätzt, dass die infektiöse Endokarditis für mehr als 1,7 Millionen DALYs («disability-adjusted life years») verantwortlich gemacht werden kann, so Dr. med. Stefano Caselli von der Klinik im Park, Zürich, der im Rahmen seiner Präsentation der Guidelines zum Endokarditis-Management auf die grosse Bedeutung der Endokarditisprophylaxe hinwies.
Voraussetzung für die Entwicklung einer Endokarditis sind eine Bakteriämie und prädisponierende Faktoren, wie zum Beispiel ein ungünstiger Immunstatus. Pathogene Keime können ihren Weg in die Blutbahn über die Mundhöhle oder die Haut nehmen. Auch iatrogene Infektionen kommen vor. Bei bestimmten Konstellationen kann das Risiko auf fast 500/100000 Personen pro Jahr ansteigen, wie eine aktuelle britische Studie zu Personen mit prädisponierenden kardialen Faktoren zeigt. Das höchste Risiko weisen Personen auf, die bereits eine infektiöse Endokarditis überstanden haben.2
Prophylaxe: Antibiotikaprophylaxe bei hohem Risiko
In ihren aktuellen «Guidelines for the Management of Endocarditis»1 nimmt die ESC ausführlich zu Fragen der Prävention Stellung. Diese gestaltet sich je nach individuellem Risikoprofil unterschiedlich. Für Personen mit sehr hohem Risiko ist unter bestimmten Umständen, etwa bei orodentalen Eingriffen, eine Antibiotikaprophylaxe mit Klasse-I-Empfehlung indiziert, generalpräventive Massnahmen im Sinne einer verstärkten Hygiene werden auch bei mittlerem Risiko empfohlen und sollten «idealerweise auf Personen mit niedrigem Risiko ausgeweitet werden». Zu diesen Massnahmen zählen auch eine gute Mund- und Handhygiene sowie das Vermeiden von Piercings und Tätowierungen.
Hohes Risiko
Hohes Risiko besteht wie bereits eingangs erwähnt gemäss der ESC-Leitlinie bei Patienten nach überstandener Endokarditis sowie bei Patienten mit Klappenprothesen, bei bestimmten Vitien und bei Trägern eines linksventrikulären Unterstützungssystems.
Mittleres Risiko
Mittleres Risiko besteht bei rheumatischer Herzerkrankung, nichtrheumatischer Klappenerkrankung, kongenitalen Klappendefekten, implantierten Devices sowie bei hypertropher Kardiomyopathie. Eine Empfehlung der Einnahme von Antibiotika besteht nicht nur bei den zuvor erwähnten orodentalen Eingriffen, sondern beispielsweise auch bei bestimmten Herz- und anderen Operationen im Bereich des Thorax. Bei diesen Patienten soll vor der Operation auch ein Screening auf eine Besiedelung der Nase mit S. aureus vorgenommen werden. Auf eine maximale Hygiene im Operationssaal oder im Katheterlabor ist zu achten. Caselli betonte in diesem Zusammenhang auch den besonders wichtigen Faktor der Patientenedukation.
Diagnostik: anhand von Klinik, Labor und Bildgebung
Die Diagnostik der infektiösen Endokarditis beruht auf dem klinischen Verdacht, einem konsistenten mikrobiologischen Befund sowie dem Nachweis passender Läsionen in der kardialen Bildgebung, so Prof.Nina Ajmone Marsan von der Universität Leiden, Niederlande, am ESC-Kongress.
Diagnostik
Die Diagnostik beginnt mit der klinischen Klassifikation, der Blutkultur und sowohl einer transösophagealen als auch einer transthorakalen Echokardiografie. Mit einer Klasse-I-Empfehlung wird in den Leitlinien betont, dass immer beide Methoden zum Einsatz kommen sollen. Weitere bildgebende Verfahren können indiziert sein, wenn die Echokardiografie inkonklusiv bleibt. Die Indikationen werden in der Leitlinie detailliert aufgelistet. Auch ein Hirn- und Ganzkörper-Imaging kann zur Diagnostik peripherer Läsionen indiziert sein. Die Guideline enthält auch einen Algorithmus der mikrobiologischen Diagnose zur Identifikation unterschiedlicher Pathogene. Ausgehend von diesen Befunden wird anhand einer Reihe von Haupt- und Nebenkriterien die Diagnose einer Endokarditis gestellt.
Kriterien für die Diagnose bzw. den Ausschluss einer Endokarditis
Eine definitive Diagnose kann gestellt werden, wenn zwei Hauptkriterien oder ein Haupt- und drei Nebenkriterien bzw. fünf Nebenkriterien erfüllt sind. Eine mögliche Endokarditis liegt vor, wenn ein Haupt- und ein oder zwei Nebenkriterien bzw. drei bis vier Nebenkriterien erfüllt sind. In allen anderen Fällen liegt laut den Guidelines keine infektiöse Endokarditis vor.
In der neuen ESC-Leitlinie finden sich mehrere Diagnosealgorithmen für spezifische Situationen, die insbesondere dann zum Einsatz kommen, wenn möglicherweise eine Endokarditis vorliegt.
Therapie: ambulante Behandlung nach frühestens zehn Tagen
Dr. med. Emil Fosbøl vom Rigshospitalet Kopenhagen unterstreicht, dass auch 2023 das Therpapiemanagement einer Endokarditis anspruchsvoll sein kann und daher in einem multidisziplinären Endokarditisteam erfolgen soll.
Intravenöse Gabe von Antibiotika
Die Therapie erfolgt – empirisch oder gezielt – zunächst mit intravenöser Gabe von Antibiotika. Die aktuelle Guideline weist im Vergleich zu früheren Dokumenten der oralen, ambulanten Behandlung eine grössere Rolle zu. Diese kann bei vielen Patienten nach zehn Tagen intravenöser Therapie begonnen werden. Ausgenommen sind Patienten mit Infektionen durch schwierig zu behandelnde Pathogene sowie Patienten mit schweren Komorbiditäten oder besonders problematischer Klinik. Rund 80% der Patienten können nach initialer Stabilisierung oral weiterbehandelt werden. Die Leitlinie listet eine Reihe von Kriterien für Stabilität auf. Dass diese Strategie nicht nur mit kürzeren Spitalaufenthalten, sondern auch mit einem besseren Outcome assoziiert ist, konnte in der POET-Studie gezeigt werden.3 Es sei allerdings wichtig, so Fosbøl, nur Patienten vorzeitig zu entlassen, bei denen von einer ausgezeichneten Adhärenz ausgegangen werden kann. Engmaschige Kontrollen sind in jedem Fall indiziert.
Indikationen für einen chirurgischen Eingriff
In schwierigen Fällen kann auch eine chirurgische Versorgung indiziert sein. Dies ist beispielsweise bei lokal nicht kontrollierten Infektionen (Abszess, Fistel etc.) sowie bei Infektionen mit Pilzen oder multiresistenten Keimen der Fall. Die Indikationen zur Operation werden in der Guideline detailliert aufgelistet.
Quelle:
ESC-Kongress, 25. bis August 2023, Amsterdam
Literatur:
1 Delgado V et al.; ESC Scientific Document Group: 2023 ESC Guidelines for the management of endocarditis. Eur Heart J 2023; 44: 3948-4042 2 Thornhill MH et al.: Quantifying infective endocarditis risk in patients with predisposing cardiac conditions. Eur Heart J 2018; 39: 586-95 3Iversen K et al.: Partial oral versus intravenous antibiotic treatment of endocarditis. N Engl J Med 2019; 380: 415-24
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