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Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Familiäre Hypercholesterinämie und Lipidsenkung

<p class="article-intro">Herzerkrankungen sind nach wie vor Todesursache Nummer eins – das wissen wir. LDL-Cholesterin spielt bei der Entwicklung von Herzerkrankungen eine entscheidende Rolle – auch das wissen wir. Der Österreichische Herzfonds lud nun zu seinem ersten Jahreskongress und gab dem Thema LDL-Cholesterin und familiäre Hypercholesterinämie breiten Raum zur Diskussion mit dem Ziel, vom Wissen zum Handeln zu kommen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Dilemma der Pr&auml;vention</h2> <p>&bdquo;Pr&auml;vention ist nach wie vor ein Stiefkind. In der &Ouml;ffentlichkeit fehlt oft die Akzeptanz und die gesundheitspolitische Realit&auml;t kennen wir. Die Bek&auml;mpfung von Risikofaktoren muss aber fr&uuml;h beginnen&ldquo;, er&ouml;ffnete Univ.-Prof. Dr. Othmar Pachinger, Pr&auml;sident des &Ouml;sterreichischen Herzfonds, den Jahreskongress. Ein Beispiel daf&uuml;r ist etwa die m&ouml;glichst fr&uuml;he Detektion von Menschen mit famili&auml;rer Hypercholesterin&auml;mie (FH). In der Pr&auml;vention sind einerseits politische und gesetzliche Initiativen notwendig, andererseits ist auch der Einsatz innovativer Technologien und neuester Medikamente essenziell. Nicht zuletzt m&uuml;ssten sich auch &Auml;rzte mehr in der Pr&auml;vention engagieren, so Pachinger. Bereits bei der Detektion von FH besteht noch Aufholbedarf, auch wenn Initiativen dazu schon gesetzt wurden. Dar&uuml;ber hinaus ist insbesondere bei der lipidsenkenden Therapie noch viel Luft nach oben.</p> <h2>FH &ndash; neue Wege in Diagnostik und Therapie</h2> <p><strong>Epidemiologie und Risiko</strong><br /> Univ.-Doz. Dr. Bernhard Paulweber, Paracelsusklinik, Innere Medizin I, Salzburg, widmete sich in seinem Vortrag der famili&auml;ren Hypercholesterin&auml;mie (FH). Als Ursache f&uuml;r die FH wurden Mutationen im sogenannten PCSK9-Gen festgemacht.<sup>1</sup> Hyperlipid&auml;mien &ndash; unterschiedliche Formen sind bekannt &ndash; erh&ouml;hen das Risiko f&uuml;r koronare Herzerkrankungen. Die FH kann in einer heterozygoten Form (heFH) auftreten (H&auml;ufigkeit 1:200&ndash;300) oder als homozygote FH (hoFH), wobei diese mit 1:160.000&ndash;300.000 selten ist. Verantwortlich f&uuml;r die FH sind Gendefekte &ndash; &bdquo;loss of function&ldquo; im LDL-Rezeptor- Gen (84&ndash;96 % ) oder &bdquo;loss of function&ldquo; im Apo-B-Gen (4&ndash;16 % ). Typischerweise liegen die LDL-C-Spiegel bei der heFH im Bereich 190&ndash;550mg/dl, bei der hoFH zwischen 500&ndash;1.000mg/dl. Im Folgenden wird wegen der H&auml;ufigkeit meist auf die heFH Bezug genommen.<br /> &bdquo;Die FH verursacht rund 20 % aller KHK-Ereignisse bei unter 45-J&auml;hrigen und rund 5 % aller KHK-Ereignisse bei unter 60-J&auml;hrigen. H&auml;ufig sind Aortenklappenstenosen mit oder ohne Hauptstammstenose&ldquo;, so Paulweber. Therapieziele bei FH sind LDL-C-Werte &lt;135mg/dl bei Kindern und &lt;100mg/dl bei Erwachsenen (ohne Vorliegen einer kardiovaskul&auml;ren Erkrankung und ohne Typ-2-Diabetes) bzw. &lt;70mg/dl, wenn diese vorliegen. Die FH ist in den meisten L&auml;ndern nur etwa zu 10 % diagnostiziert, weniger als 50 % der Betroffenen sind unter Statintherapie und nur ein kleiner Teil erreicht das LDL-CTherapieziel.<sup>2</sup> Die Dutch Cross-Sectional Study zeigte, dass nur 21 % der Teilnehmer einen LDL-C-Zielwert &lt;100mg/dl erreichen und von jenen, die das Ziel nicht erreichen, 73 % nicht unter maximaler lipidsenkender Therapie sind.<sup>3</sup> In &Ouml;sterreich rechnet man mit 30&ndash;35.000 Betroffenen, von denen vermutlich weniger als 3.000 bekannt sind. Deshalb wird derzeit unter F&uuml;hrung von Prof. Dieplinger mit Beteiligung von FHchol am Aufbau eines nationalen FH-Registers gearbeitet.<br /> Die Copenhagen General Population Study mit 98.098 Teilnehmern zeigte, dass das kumulative Risiko f&uuml;r Tr&auml;ger von LDLRezeptor- Mutationen bis zum Alter von etwa 70 Jahren f&uuml;r einen Myokardinfarkt beim 5,3-Fachen von jenem von nicht davon betroffenen Menschen liegt (p&lt;0,001).<sup>4</sup> Das bedeutet, dass Tr&auml;ger dieser Mutationen durchschnittlich 13 Jahre fr&uuml;her einen Myokardinfarkt erleiden. Dies zeigt sich gut im Konzept der Cholesteringramm- Jahre (Abb. 1).<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s40_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="829" /><br /><br /><strong>FH-Diagnostik</strong><br /> Zur Diagnostik der heFH bei Erwachsenen haben sich die Kriterien des Dutch Lipid Clinic Network (DLCN) etabliert (Tab. 1).<sup>2</sup> Dass diese klinischen Kriterien einigerma&szlig;en treffsicher sind zeigt der Umstand, dass bei als &bdquo;definitiv&ldquo; diagnostizierten F&auml;llen zu 65&ndash;75 % auch eine Mutation entdeckt wird, bei 40&ndash;70 % der als wahrscheinlich eingesch&auml;tzten F&auml;lle und bei 30&ndash;40 % der als m&ouml;glich klassifizierten F&auml;lle. Das Vorgehen bei Diagnose und Therapie von Patienten mit FH zeigt Abbildung 2.<sup>6</sup> Argumente f&uuml;r eine Genanalyse bei einem DLCN-Score &lt;5 sind: Patienten mit nachgewiesener FH haben ein h&ouml;heres kardiovaskul&auml;res Risiko als Personen mit vergleichbarem LDL-C-Wert ohne Mutationsnachweis, manche Gentr&auml;ger weisen nicht den typischen Lipidph&auml;notyp von FH auf, es ist ein einfacheres Kaskaden-Screening m&ouml;glich, eine fr&uuml;he FH-Detektion bei Kindern erm&ouml;glicht einen fr&uuml;heren Therapiebeginn und die Therapieadh&auml;renz verbessert sich.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s40_tab1.jpg" alt="" width="686" height="1658" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s40_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="834" /><br /><br /><strong> Lipidsenkende Therapie</strong> Zur Lipidsenkung k&ouml;nnen bei heFH verschiedene Medikamente eingesetzt werden. Dabei kann man mit folgenden Reduktionen des LDL-C-Spiegels rechnen: Statine bis 55 % , Cholesterinresorptionshemmer (Ezetimib) 15&ndash;20 % , Anionenaustauscher 15&ndash; 18 % , Lipidapherese bis 75 % , PCSK9-Inhibitoren 50&ndash;60 % .<sup>6</sup> Zu den relativ neuen PCSK9-Inhibitoren Alirocumab und Evolocumab liegen Studien bei heFH-Patienten vor, bei Evolocumab auch zu hoFHPatienten, wobei bei Letzteren eine Senkung des LDL-C-Wertes von 40 % erreicht wurde. Die ODYSSEY-ESCAPE-Studie zeigte zudem bei heFH-Patienten, die eine Lipidapherese ben&ouml;tigen, eine Reduktion der Apheresefrequenz.<sup>7</sup> &bdquo;Die aktuellen ESC/ EAS Guidelines on management of dyslipidemias 2016 beinhalten Empfehlungen f&uuml;r die Detektion und Behandlung von heFH-Patienten.<sup>8</sup> Bei Hochrisikogruppen k&ouml;nnen auch bereits vor dem Vorliegen von Endpunktstudien PCSK9-Inhibitoren erwogen werden&ldquo;, schloss Paulweber.</p> <h2>PCSK9-Hemmung</h2> <p>&bdquo;In zahlreichen Studien &ndash; TNT, JUPITER, PROVE-IT &ndash; wurde gezeigt, dass niedrige LDL-C-Werte mit einem niedrigeren Risiko f&uuml;r das Auftreten kardiovaskul&auml;rer Ereignisse einhergehen&ldquo;, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Kurt Huber, Abteilung f&uuml;r Kardiologie und Intensivmedizin, Wilhelminenspital, Wien.<sup>9&ndash;11</sup> Das LDL-Cholesterin stellte sich somit als ein Hauptfaktor f&uuml;r das kardiovaskul&auml;re Risiko heraus. Statinstudien, die zur Sekund&auml;rpr&auml;vention kardiovaskul&auml;rer Ereignisse durchgef&uuml;hrt wurden, zeigen einen linearen Zusammenhang zwischen der H&ouml;he des LDL-C-Werts und kardiovaskul&auml;ren Ereignisraten.<sup>12</sup><br /> Untersuchungen mit dem intravaskul&auml;ren Ultraschall (IVUS) ergaben, dass LDLC- Spiegel und die Regression der arthrotischen Plaque zusammenh&auml;ngen. So kommt es erst bei LDL-C-Werten von unter etwa 70mg/dl zu einer solchen Regression. Dieses LDL-C-Ziel wurde auch so in den ESC/EAS-Guidelines definiert. Prim&auml;r werden Statine eingesetzt, auch eine Kombination mit Ezetimib wird in den Guidelines empfohlen. In der EUROASPIRE-IVStudie erreichte jedoch nur einer von 5 Myokardinfarktpatienten das angestrebte Therapieziel von &lt;70mg/dl &ndash; trotz hoher Statinmedikation (87 % der Studienteilnehmer) und guter Adh&auml;renz.<br /><br /><strong> PCSK9 und LDL-C-Rezeptor</strong><br /> An der Zelloberfl&auml;che sind LDL-C-Rezeptoren lokalisiert, die das LDL-C in die Zelle transportieren, wo es abgebaut wird. Der Rezeptor wird recycelt und steht danach wieder an der Zelloberfl&auml;che zur Verf&uuml;gung. PCSK9 verhindert, dass der LDL-C-Rezeptor recycelt werden kann, das LDL-C im Blut steigt. Es gibt Menschen mit einem genetischen &bdquo;loss of function&ldquo; (LoF) und mit einem &bdquo;gain of function&ldquo; (GoF) der PCSK9-Produktion. Bei GoF kommt es zu erh&ouml;hten LDL-C-Spiegeln; Atherosklerose tritt schon fr&uuml;h auf. Die LoF wirkt atheroprotektiv.<br /><br /><strong> Umfassende Studienprogramme</strong><br /> &bdquo;Zu Alirocumab und Evolocumab gibt es umfangreiche Studienprogramme&ldquo;, erkl&auml;rte Huber. Die OSLER-Studien zeigten, dass ausgehend von einem Basiswert unter einer Standardtherapie, der etwa bei 120mg/dl lag, eine Reduktion unter Evolocumab um &uuml;ber 70mg/dl erreicht wurde.<sup>13</sup> Die Studie war zwar nicht als Outcomestudie ausgelegt, eine Auswertung ergab aber eine Reduktion des relativen Risikos f&uuml;r den kombinierten Endpunkt (MI, Hospitalisierung aufgrund einer instabilen Angina pectoris, Notwendigkeit einer Revaskularisation, Schlaganfall, TIA oder Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz) von 63 % (p=0,003) bei einem Follow-up von einem Jahr. Eine Post-hoc- Analyse der ODYSSEY-LONG-TERM-Studie zu Alirocumab zeigte eine Reduktion kardiovaskul&auml;rer Ereignisse von 48 % .<br /><br /> In der im Rahmen des AHA-Kongresses 2016 vorgestellten GLAGOV-Studie (Statin &plusmn; Ezetimib + Evolocumab vs. Placebo) wurde mit IVUS gezeigt, dass es bei niedrigen LDL-C-Werten zu einer Plaqueregression kommen kann. Der LDL-C-Wert lag zu Studienbeginn bei knapp 90mg/dl und bei Studienende in der Standardgruppe + Placebo bei 93,0mg/dl, w&auml;hrend er in der Evolocumab-Gruppe um 59,8 % fiel (36,6mg/dl). Prim&auml;rer Endpunkt der Studie war die Ver&auml;nderung des Atheromvolumens. Unter Evolocumab lag dies bei &ndash;0,95 % (p&lt;0,0001), in der Vergleichsgruppe kam es zu keiner &Auml;nderung. Evolocumab wurde gut vertragen und war hinsichtlich unerw&uuml;nschter Wirkungen mit Placebo vergleichbar.<br /><br /> &bdquo;Die bislang vorliegenden Studien waren nicht prospektiv hinsichtlich des Outcomes f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Ereignisse konzipiert. Dazu laufen derzeit die ODYSSEYOutcome- und die FOURIER-Studie. Die EBBINGHAUS-Studie untersucht eventuelle Auswirkungen auf die neurokognitiven Funktionen&ldquo;, warf Huber einen Blick in die Zukunft.*</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> PCSK9-Inhibitoren zus&auml;tzlich zur lipidsenkenden Standardtherapie k&ouml;nnen den LDL-C-Spiegel um mehr als 50 % reduzieren und helfen dabei, das Therapieziel bei einem gro&szlig;en Anteil der Patienten zu erreichen. Die starke LDL-C-Reduktion k&ouml;nnte auch die Gr&ouml;&szlig;e koronarer Plaques und das Plaquevolumen reduzieren. Klinische Outcome- Daten (ODYSSEY Outcome, FOURIER), basierend auf gro&szlig;en prospektiven randomisierten Studien, werden erwartet, um Genaues &uuml;ber die klinische Effizienz und Sicherheit zu erfahren.* Potenzielle Patienten f&uuml;r PCSK9-Inhibitoren sind Hochrisikopatienten mit Statinintoleranz, jene, bei denen Statine und Ezetimib eine ungen&uuml;gende Effizienz zeigen, und m&ouml;glicherweise auch Patienten, die eine Lipidapherese vermeiden wollen.</div></p> <p class="article-quelle">Quelle: 1. Jahreskongress des Österreichischen Herzfonds, 12. Dezember 2016, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Abifadel M et al: Nat Genet 2003; 34: 154-6 <strong>2</strong> Nordestgaard BG et al: Eur Heart J 2013; 34: 3478-90 <strong>3</strong> Pijlman AH et al: Atherosclerosis 2010; 209: 189-94 <strong>4</strong> Benn M et al: Eur Heart J 2016: 37: 1384-94 <strong>5</strong> Hovingh GK et al: Eur Heart J 2013; 34: 962-71 <strong>6</strong> Klose G et al: Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 523-9 <strong>7</strong> Moriarty PM et al: Eur Heart J 2016; 37(48): 3588-95 <strong>8</strong> Catapano Al et al: Eur Heart J 2016; 37(39): 2999-3058 <strong>9</strong> LaRosa JC et al: J Am Coll Cardiol 2007; 100: 747-52 <strong>10</strong> Hsia J et al: J Am Coll Cardiol 2011; 57: 1666-75 <strong>11</strong> Wiviott SD et al: J Am Coll Cardiol 2007; 46: 1411-6 <strong>12</strong> La Rosa JC et al: N Engl J Med 2005; 352: 1425-35 <strong>13</strong> Sabatine MS et al: N Engl J Med 2015; 372(16): 1500-9 (Suppl): 1-21</p> </div> </p>
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