Grober Fehler: Bund verrechnete sich bei AHV-Ausgaben
Bei den erwarteten Ausgaben der obligatorischen Rentenversicherung hat sich der Bund um mehrere Milliarden verrechnet. Linke fordern nun eine Wiederholung der Abstimmung über das Rentenalter von Frauen.
Bern. Bei der Berechnung der prognostizierten Ausgaben der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ist ein gravierender Rechenfehler passiert. 2033 dürften die AHV-Ausgaben rund vier Milliarden Franken oder rund sechs Prozent niedriger ausfallen, als bisher berechnet. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat bei Kontrollarbeiten in den AHV-Finanzperspektiven festgestellt, dass die AHV-Ausgaben langfristig unplausibel hoch erscheinen. Grund sind laut BSV zwei fehlerhafte Formeln im Berechnungsprogramm. Das führte zu Kritik von SP und dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB): Der Bund habe mit seinen «negativen Angstszenarien die AHV-Politik massgebend beeinflusst und grossen Druck auf Leistungskürzungen ausgeübt. Arbeitnehmende und Rentner:innen wurden in die Irre geführt. Die publizierten Abweichungen entsprechen fast einer 13. Monatsrente», schreibt die SGB auf ihrer Webseite. «Die fehlerhafte Berechnung der AHV-Finanzperspektiven zeigen klar, dass die längerfristige Finanzierung der AHV viel solider ist, als bisher prognostiziert wurde. Die Pläne der Bürgerlichen, bei den Rentenleistungen zu kürzen und sogar das Rentenalter zu erhöhen, gehören damit definitiv vom Tisch», meinte auch SP-Co-Fraktionspräsidentin Samira Marti.
Parteikollegin und Co-Präsidentin der SP-Frauen Tamara Funiciello forderte nun ausserdem die Wiederholung der Volksabstimmung über die Anhebung des Rentenalters bei Frauen: Die bekannt gemachten Prognosefehler würden die Einsparungen durch die Erhöhung des Frauenrentenalters und die Erhöhung der Mehrwertsteuer deutlich übersteigen. «Es ist befremdend, dass sich der Bundesrat für diesen Fehler nicht entschuldigt und nicht von sich aus vorschlägt, diese Abstimmung zu wiederholen», entrüstete sich Funiciello. Der SGB sieht die Auswirkungen des Rechenfehlers ähnlich: «Das äusserst knappe Abstimmungsresultat (Anmerkung: 50.6 Prozent stimmten für eine Erhöhung) zur Erhöhung des Frauenrentenalters wird damit infrage gestellt.»
Die SP-Frauen werden in den nächsten Tagen die politischen und juristischen Möglichkeiten prüfen, um Parlament und Bundesrat in die Verantwortung zu nehmen, heisst es in einer Medienmitteilung. Das BVS hat indessen vorläufig neue Prognosen veröffentlicht: Intern erstellte alternative Rechnungsmodelle des BSV haben ergeben, dass die AHV-Ausgaben vor allem mittel- und langfristig von den bisherigen Projektionen abweichen. Im Jahr 2026, wenn die 13. Altersrente eingeführt wird, dürften die Ausgaben der AHV wie bisher angenommen rund 57 Milliarden Franken betragen (zu Preisen von 2023). 2028 werden sie voraussichtlich rund eine Milliarde niedriger liegen, was einer Abweichung von 1.5 Prozent entspricht. 2030 dürfte die Überschätzung auf rund zwei Milliarden (drei Prozent) und bis 2033 auf rund vier Milliarden Franken ansteigen, was einer Abweichung von rund sechs Prozent entspricht. Das Umlageergebnis (Differenz von Einnahmen und Ausgaben, ohne erwartete Anlagerendite) wird, wie bisher angegeben, ab 2026 mit der Einführung der 13. Altersrente negativ. Die erwarteten Defizite sind allerdings geringer: Das Umlagedefizit wächst bis 2030 auf rund zwei statt bisher knapp vier Milliarden Franken und bis 2033 auf rund vier statt bisher über sieben Milliarden Franken an.
Zusätzlich zu den internen Modellen hat das BSV zwei Forschungsinstitute damit beauftragt, bis Ende August je ein unabhängiges Modell für die künftigen Ausgaben der AHV zu entwickeln. Die Berechnungen der beiden externen Institute werden es erlauben, die neuen Berechnungsmodelle des BSV zu validieren. Im September wird das BSV die neuen, korrigierten AHV-Finanzperspektiven veröffentlichen. (kagr)
Quellen: Medienmitteilungen des Bundesrats und der SP
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