Erster direkter Therapieansatz bei HOCM
Autoren:
Dr. Christopher Mann
Priv.-Doz. DDr. Daniel Dalos
Klinische Abteilung für Kardiologie
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Medizinische Universität Wien
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Die hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie (HOCM) ist eine der häufigsten, genetisch vererbbaren kardialen Erkrankungen. Sie ist charakterisiert durch eine Einengung des linksventrikulären Ausflusstraktes (tlw. auch apikal – midventrikulär). Bislang konnte sie indirekt medikamentös bzw. interventionell/chirurgisch therapiert werden. Mit dem selektiven, reversiblen Myosin-Inhibitor Mavacamten steht in Österreich seit August 2023 (in der Schweiz seit April 2023, Anm.d.R.) der erste direkte medikamentöse Therapieansatz in der Behandlung der HOCM zur Verfügung.
Keypoints
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Die HOCM ist eine genetische Herzkrankheit mit einer Prävalenz von 1:500.
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Sie ist gekennzeichnet durch eine Verdickung im linksventrikulären Myokard (≥15mm) mit entsprechender obstruktiver Komponente.
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Als Standardbehandlung gelten Betablocker, Kalziumkanalantagonist oder, bei weiterhin symptomatischen Patienten mit Druckgradient ≥50mmHg, die Alkoholablation bzw. chirurgische Myektomie.
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Mavacamten ist seit August 2023 in Österreich (seit April 2023 in der Schweiz, Anm.d.R.) der erste direkte, medikamentöse Therapieansatz mit Abbildung in den rezenten Leitlinien.
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Die Risikostratifizierung von HCM-Patienten ist essenziell hinsichtlich Entscheidungsfindung für prophylaktische ICD-Implantation zur Vermeidung des plötzlichen Herztodes.
Hypertrophe Kardiomyopathie: Definition & Epidemiologie
Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) wird definiert als Verdickung eineslinksventrikulären Wandabschnitts von 15mm oder mehr, ohne dass eine erkennbare Ursache wie z.B. unbehandelter Bluthochdruck oder eine signifikante Herzklappenerkrankung vorliegt. Die vorherrschende Variante der HCM ist die asymmetrische Form, bei der hauptsächlich das interventrikuläre Septum betroffen ist, obwohl es ebenfalls rein apikale und kombinierte Ausprägungen gibt. Bei 40–60% der Betroffenen wird die Krankheit durch eine genetische Mutation verursacht, die autosomal-dominant vererbt wird; jedoch können auch verschiedene Speichererkrankungen und/oder neurologische Krankheitsbilder zur Ausprägung einer HCM führen.
Ein Druckgradient von 30mmHg oder höher kennzeichnet eine signifikante Obstruktion, die in der Regel den Ausflusstrakt des linken Ventrikels (LVOT) betrifft, aber auch in mittleren Bereichen des Ventrikels bzw. apikal auftreten kann. Eine deutliche Obstruktion im LVOT führt zu einer systolischen, anterioren Bewegung der Mitralklappensegel (SAM-Phänomen), was häufig eine erhebliche Mitralklappeninsuffizienz zur Folge hat. Die Prävalenz der HCM liegt bei etwa 1:500, wobei ungefähr zwei Drittel der Patienten eine signifikante Obstruktion in einem Bereich des linken Ventrikels aufweisen.1
Etablierte Therapieansätze der HCM
Die Behandlung einer signifikanten LVOT-Obstruktion stützt sich auf drei Hauptpfeiler:
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euvolämen Zustand aufrechterhalten
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Spitzenbelastungen vermeiden
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starke Blutdruckschwankungen vermeiden
Medikamentöse Therapie
Historisch wurden vor allem kardioselektive Betablocker und Kalziumkanalantagonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ (wie Verapamil und Diltiazem) eingesetzt, um den Sauerstoffbedarf des Herzens zu senken, den Druckgradienten nach Belastungsphasen zu reduzieren sowie die diastolische Füllungsphase zu prolongieren. Sollten diese Maßnahmen nicht zur gewünschten klinischen Besserung beitragen oder der Druckgradient weiterhin hoch bleiben, können invasive Eingriffe oder neuerdings eine medikamentöse Alternativtherapie mit Mavacamten in Betracht gezogen werden.
Alkoholablation
Bei diesem Verfahren, auch als TASH („transkoronare Ablation der Septum-Hypertrophie“) oder PTSMA („perkutane transluminale septale Myokardablation“) bekannt, wird im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung Ethanol in einen passenden septalen Ast der linken Koronararterie injiziert, um das hypertrophierte Septumgewebe zu verkleinern und so den Druckgradienten im LVOT zu reduzieren.
Chirurgische Myektomie
Bei diesem Eingriff wird ein Teil des verdickten Septums meist durch einen transaortalen Zugang (Myektomie nach Morrow) entfernt, um den linksventrikulären Ausflusstrakt zu erweitern. Dies kann besonders bei Patienten mit strukturellen Alterationen der Mitralklappe und/oder der Sehnenfäden notwendig sein. Die Wahl zwischen Alkoholablation und chirurgischer Myektomie sollte individuell nach sorgfältiger Abwägung von Risiko und Nutzen erfolgen, da bisher keine prospektiv randomisierten Studien zum Vergleich beider Methoden vorliegen.
Neue Therapieoption bei HOCM
Seit August 2023 ist in Österreich ( (seit April 2023 in der Schweiz, Anm.d.R.) der erste selektive, reversible Myosin-Inhibitor Mavacamten (Camzyos®) zugelassen und kann entsprechend der rezenten Kardiomyopathie-Richtlinien der europäischen kardiologischen Gesellschaft zusätzlich oder alternativ zur individuell maximal tolerierten Basistherapie verordnet werden (Abb. 1). Die Zulassungsstudien sowie ebenfalls deren längerfristige Erweiterungsstudien konnten eindrucksvoll zeigen, dass Patienten, die sich im aktiven Mavacamten-Behandlungsarm befanden, eine signifikant bessere Leistungsfähigkeit aufwiesen und nach einer entsprechenden Behandlungsdauer laut Richtlinien nicht mehr für eine invasive/operative Therapie geeignet waren.2–5
Abb. 1: Therapieentscheidung bei symptomatischen HOCM-Patienten (nach Arbelo E. et al. 2023)1
Risikostratifizierung plötzlicher Herztod
HCM-Patienten sind hinsichtlich maligner Rhythmusstörungen einem erhöhten Risiko für plötzlichen Herztod im Vergleich zur Normalbevölkerung ausgesetzt. Folgedessen besteht ein wesentlicher Bestandteil des Managements dieses Kollektivs aus der regelmäßigen Risikostratifizierung hinsichtlich eines plötzlichen Herztodes und einer potenziell konsekutiven Implantation eines implantierbaren Defibrillators (ICD). Der Risikorechner der europäischen Leitlinien basiert auf verschiedenen Parametern, um das 5-Jahres-Risiko für einen plötzlichen Herztod abzuschätzen. Zusätzliche Risikofaktoren wie beispielsweise das Vorhandensein apikaler Aneurysmen bzw. ausgeprägtes myokardiales Narbengewebe sollten ebenfalls im individuellen Setting in den Entscheidungsprozess hinsichtlich ICD Eingang finden (Abb. 2).1
Abb. 2: Risikostratifizierung bei HCM-Patienten (nach Arbelo E. et al. 2023)1
Zusammenfassung
Die HOCM ist die häufigste, genetisch bedingte Herzerkrankung, die durch eine Verdickung des Myokards charakterisiert ist und zu einer Obstruktion des linksventrikulären Lumens führt – die Prävalenz liegt bei 1:500. Mögliche Behandlungen umfassen die Gabe von Betablockern, Calciumantagonisten, die Alkoholablation oder die chirurgische Myektomie und seit 2023 den Myosin-Inhibitor Mavacamten. Letzterer ist als erstes direktes Therapeutikum zugelassen. Ein weiterer essenzieller Bestandteil im Management der HOCM ist die regelmäßige Risikostratifizierung hinsichtlich des plötzlichen Herztodes.
Literatur:
1 Arbelo E et al.: 2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies: developed by the task force on the management of cardiomyopathies of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2023; 44(37): 3503-626 2 Olivotto I et al.: Mavacamten for treatment of symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy (EXPLORER-HCM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2020; 396(10253): 759–69 3 Rader F et al.: Long-term safety of Mavacamten in patients with obstructive hypertrophic cardiomyopathy: interim results of the mava-long term extension (lte) study. J Am Coll Cardiol 2021; 77(18): 532 4 Desai MY et al.: Myosin inhibition in patients with obstructive hypertrophic cardiomyopathy referred for septal reduction therapy. J Am Coll Cardiol 2022; 80(2): 95-108 5 Desai MY et al.: Mavacamten in patients with hypertrophic cardiomyopathy referred for septal reduction: week 56 results from the VALOR-HCM randomized clinical trial. JAMA Cardiol 2023; 8(10): 968-77
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