Therapieempfehlungen bei HOCM, Risikogenen, Vorhofflimmern & Herzinsuffizienz
Autor:
Dr. Thomas Sturmberger
Kardiologie, Angiologie & Interne Intensivmedizin
Interne 2
Ordensklinikum Linz
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Durch die Erstellung der ESC-Leitlinien für Kardiomyopathien 2023 werden erstmals Therapieoptionen auf diesem Gebiet mit entsprechendem Evidenzlevel angeführt. Naturgemäß gibt es Überschneidungen mit bisherigen Leitlinien, aber es werden auch spezifische therapeutische Aspekte bei den diversen Phänotypen hervorgehoben.
Keypoints
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Aufgrund von robuster Datenlage wird bei Ineffektivität oder schlechter Verträglichkeit von Betablockern, Kalziumantagonisten oder Disopyramidin Mavacamten in der Zweitlinie empfohlen.
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Im Falle von Hochrisikogenen für DCM und NDLVC besteht unabhängig von der LVEF eine Empfehlung für eine ICD-Implantation.
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Bei DCM, NDLVC oder ARVC sollte bei Vorhofflimmern oder -flattern bei einem CHA2DS2-VASc-Score >2 (bei Männern) bzw. >3 (bei Frauen) eine orale Antikoagulation etabliert werden.
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Für asymptomatische Herzinsuffizienzpatient:innen kann in einer Frühphase von DCM und NDLVC zur Progressionsverzögerung auf etablierte Herzinsuffizienzmedikamente zurückgegriffen werden.
Nichtinvasive Therapie bei HOCM
Basierend auf vier kleinen nichtrandomisierten Studien mit Propanolol, die vor 50 Jahren publiziert wurden und eine klinische Verbesserung bei Patient:innen und Patient:innen mit Ausflusstraktobstruktion des linken Ventrikels (LVOTO) zeigen konnten, werden nichtvasodilatierende Betablocker weiterhin als Erstlinientherapie empfohlen (Klasse IB).
Eine rezente doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte Studie mit 29 Patient:innen verglich Metoprolol mit Placebo bei Patient:innen mit HOCM und einem NYHA-Stadium >II. Es konnte eine signifikante Reduktion des Ausflusstraktgradienten sowohl in Ruhe als auch bei Belastung im Studienarm mit Metoprolol gezeigt werden. Dies führte zu einer Verbesserung des NYHA-Stadiums und der Lebensqualität. Die maximale Leistungskapazität, Messungen der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2 peak) und des NT-proBNP zeigten keinen signifikanten Unterschied. Bei Ineffektivität oder Unverträglichkeit von Betablockern sollten die Kalziumantagonisten Verapamil mit einer Zieldosis von 480 mg oder Diltiazem mit einer Zieldosis von 360mg täglich angewendet werden. Auch diese Empfehlungen sind auf ältere Studien zurückzuführen, welche eine Besserung der Hämodynamik und der Klinik zeigen konnten. Meist werden jedoch diese Zieldosen aufgrund von Intoleranz nicht erreicht.
Der Myosin-ATPase-Inhibitor Mavacamten erhielt einen Empfehlungsgrad IIa/A zur medikamentösen Behandlung einer Linksventrikelausflusstraktobstruktion (LVOTO) bei symptomatischen Patient:innen mit HOCM.
Das „First-in-class“-Medikament Mavacamten konnte in 2 Studien bei sehr hohem Sicherheitsprofil eine signifikante Reduktion des LV-Ausflusstraktgradienten und eine Verbesserung der Klinik zeigen. In die VALOR-HCM-Studie wurden symptomatische Patient:innen mit HOCM eingeschlossen, die die Kriterien für eine Septumreduktion erfüllten. Nach 16 Wochen erfüllten lediglich 17,9% im Studienarm mit Mavacamten weiterhin die Kriterien für eine Septumreduktion. Zudem kam es zu einer signifikanten Verbesserung der NYHA-Klasse, zu einer mittleren Reduktion der LVOTO bei einer Belastung um die 37,2mmHg und zu einer Verbesserung des NT-proBNP-Spiegels.
Bei fehlenden Vergleichsstudien konnte die Task Force der ESC-Leitlinien keine Empfehlung für eine Erstlinientherapie mit Mavacamten abgeben, allerdings wird auf die robuste Datenlage für Mavacamten hingewiesen, sodass es bei Ineffektivität oder schlechter Verträglichkeit von Betablockern, Kalziumantagonisten oder Disopyramidin (in Österreich nicht erhältlich) als Zweitlinientherapie eingesetzt werden soll. Eine Kombination von Mavacamten und Betablocker oder Kalziumantagonisten, so wie in den Studien durchgeführt, ist möglich.
Prävention des plötzlichen Herztodes
In den neuen Leitlinien gibt es für die verschiedenen Phänotypen der Kardiomyopathien Empfehlungen hinsichtlich der Prävention des plötzlichen Herztodes mit ICD. Diese Empfehlungen sind zum Teil auch in den ESC-Leitlinien von 2022 für das Management von Patient:innen mit ventrikulären Arrhythmien und die Prävention von plötzlichem Herztod erwähnt worden. Bei Patient:innen mit hypertropher Kardiomyopathie (HCM) wird auf validierte SCD-Scores zur Risikoabschätzung hingewiesen (Klasse IB). Für den neu definierten Phänotyp der „non-dilated left ventricular cardiomyopathy“ (NDLVC) gelten die gleichen Kriterien wie bei der dilatativen Kardiomyopathie (DCM), wobei sich bei einer LVEF unter 35% eine Klasse-IIa-Empfehlung für eine ICD-Implantation ergibt. Anzumerken ist die Risikostratifizierung anhand der genetischen Untersuchung bei DCM und NDLVC. Im Falle von Hochrisikogenen wie LMNA, FLNC-truncating Varianten, TMEM43 u.a. ergibt sich, unabhängig von der LVEF, eine Empfehlung für eine ICD-Implantation (Klasse IIa).
Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung bei Patient:innen mit Kardiomyopathien bei einer Prävalenz um die 30%. Insbesondere Patient:innen mit kardialer Amyloidose, hypertropher Kardiomyopathie (HCM) und restriktiver Kardiomyopathie (RCM) haben ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse. Der CHA2DS2-VASc-Score wurde nicht exklusiv für Patient:innen mit Kardiomyopathien getestet und ist hinsichtlich Insultprädiktion bei HCM und kardialer Amyloidose eingeschränkt. Somit ist in Kenntnis des hohen Insultrisikos bei allen Patient:innen mit HCM und ATTR-Amyloidose mit Vorhofflimmern oder -flattern eine orale Antikoagulation empfohlen (Klasse IB). Bei DCM, NDLVC oder ARVC („arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy“) und Vorhofflimmern oder -flattern sollte bei Männern mit einem CHA2DS2-VASc-Score >2 und bei Frauen >3 eine orale Antikoagulation verordnet werden (Klasse IB).
Therapie der Herzinsuffizienz
Patient:innen mit Herzinsuffizienzsymptomen sollten unabhängig von der Ätiologie nach den ESC-Leitlinien von 2022 für die Diagnose und die Behandlungvon akuter und chronischer Herzinsuffizienz behandelt werden. Die medikamentöse Therapie der HFrEF ist auch auf Patient:innen mit DCM und NDLVC übertragbar, da in den großen randomisierten Herzinsuffizienzstudien auch Patient:innen mit Kardiomyopathien inkludiert waren.Die kardiale ATTR-Amyloidose nimmt diesbezüglich eine Sonderstellung ein. Bei diesen Patient:innen ist eine Euvolämie anzustreben, da eine forcierte diuretische Therapie zu Orthostase und klinischer Intoleranz führen kann und ein großer Flüssigkeitsverlust die Symptome aufgrund des restriktiven Füllungsmusters des linken Ventrikels verstärken kann. Ebenso gibt es keine Evidenz für einen positiven Effekt von Betablockern, ACE-Hemmern, ARB oder ARNIs bei Patient:innen mit kardialer Amyloidose und diese Medikamente werden auch oftmals aufgrund der Hypotension schlecht vertragen. Offen bleibt auch der Nutzen einer ICD-Implantation im Sinne einer Primärprophylaxe bei ATTR-Amyloidose, da es hierfür keine Evidenz für einen Benefit bei dieser Patient:innengruppe gibt. Die medikamentöse Therapie einer ATTR-Amyloidose mit Tafamidis erhielt schon in Herzinsuffizienzleitlinien eine Klasse-IB-Empfehlung für Patient:innen mit NYHA-Stadium I–II und wird in den Leitlinien für Kardiomyopathien nicht mehr explizit angeführt.
Unklar ist auch der Stellenwert einer Herzinsuffizienztherapie bei asymptomatischen Patient:innen. Dies betrifft vor allem junge Patient:innen mit positivem Genotyp, die im Rahmen eines genetischen Kaskadentests entdeckt werden, bei denen noch ein unauffälliger Phänotyp vorliegt. Da die etablierten Herzinsuffizienzmedikamente das LV-Remodeling bei symptomatischen Patienten mit LV-Dysfunktion günstig beeinflussen, kann eine Etablierung dieser Wirkstoffe in der Frühphase von DCM oder NDLVC in Erwägung gezogen werden, um eine Progression zu vermeiden (Klasse IIb/C). Die laufende EARLY-gene-Studie untersucht diese Hypothese. Das Ende der Studie wird für Mitte 2026 erwartet.
Literatur:
beim Verfasser
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