Herzstillstand: Der Elefant im Raum ist die Herzdruckmassage
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Mit der Definition und dem Monitoring einzelner Abläufe, beispielsweise der «door-to-balloon time», hat sich das Überleben von Patienten nach einem Myokardinfarkt deutlich verbessert. Bei Patienten mit einem Herzstillstand ausserhalb des Spitals ist das Outcome nach wie vor schlecht. Warum das so ist und wo Handlungsbedarf besteht, erklärte Prof. Dr. med. Wolf Hautz vom Universitätsspital/Inselspital Bern.
Die kardiopulmonale Reanimation («cardiopulmonary resuscitation», CPR) ist die wichtigste lebensrettende Massnahme nach einem Herzstillstand. So wie das Überleben der Betroffenen davon abhängt, wie schnell das Ereignis erkannt wird und die lebensrettenden Massnahmen eingeleitet werden, spielt auch die richtige Durchführung der CPR eine essenzielle Rolle für das Outcome der Patienten. Bei korrekter Durchführung sichert die CPR lediglich 10–30% des normalen Blutflusses zum Herzen und 30–40% des normalen Blutflusses zum Gehirn.1 «Dieses Blut ist nicht normal, sondern hypoxisch und azedotisch», sagte Hautz am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie.
Optimierungsbedarf auch beim medizinischen Personal
Eine US-amerikanische Studie untersuchte die CPR-Qualität bei Personen, die während des Spitalaufenthalts einen Herzstillstand («in-hospital cardiac arrest», IHCA) erlitten haben.2 Sie zeigt, dass die CRP nur in einem Drittel der Fälle korrekt durchgeführt wurde. Bei 28% erfolgte die Herzdruckmassage mit einer zu niedrigen Frequenz, bei 37% wurde die zuvor definierte Kompressionstiefe nicht erreicht oder die sogenannte «no-flow fraction», d.h. die Zeit, in der keine Kompressionen stattfinden, wurde überschritten.2 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Untersuchung aus Norwegen, die die CPR-Qualität des Rettungspersonals bei Patienten mit einem Herzstillstand ausserhalb des Spitals untersucht hat («out-of-hospital cardiac arrest, OHCA).3 Am wenigsten effektiv ist die Laienreanimation bei Personen mit OHCA. Wie eine Studie aus Südkorea mit ca. 6780 Patienten, von denen knapp 59% von Laien reanimiert wurden, zeigte, wurde die CPR lediglich bei 6% davon korrekt durchgeführt.4
«Wenn wir das Outcome von Patienten mit einem Herzstillstand verbessern wollen, dann müssen wir ein System aufbauen, das die Qualität der CPR auf dem gesamten Weg vom Herzstillstand bis zum Herzkatheterlabor oder zur Intensivpflegestation sicherstellt», so der Anästhesist.
Fehlende Zertifizierung in der Schweiz
Es scheint zunächst verwunderlich, dass sich das Inselspital um eine Zertifizierung durch das German Resuscitation Council (GRC) bemüht hat. «In der Schweiz existiert bislang kein vergleichbares Zertifikat», erklärte Hautz. Der Prozess bringe verschiedene Vorteile mit sich, z.B. eine detailliertere Datenerhebung und damit auch verbesserte Vergleichbarkeit mit anderen medizinischen Zentren. So zeigt beispielsweise die Jahresstatistik von 2021, dass bei rund 95% der Patienten, die im Cardiac Arrest Center in Bern eingeliefert wurden, im Rettungswagen ein 12-Kanal-EKG durchgeführt wurde. In Deutschland war das gemäss den GRC-Gesamtdaten nur bei circa der Hälfte der Patienten der Fall.
Hautz unterstrich noch einmal die Bedeutung des 12-Kanal-EKG zur Unterscheidung von Patienten mit einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI) respektive einem Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI). Wie die Ergebnisse der EMERGE-Studie im Juni dieses Jahres gezeigt haben, hatte die notfallmässige Koronarangiografie im Vergleich zur verzögerten Intervention bei Patienten nach einem OHCA und NSTEMI nach spontaner Rückkehr des Herzrhythmus keinen Einfluss auf die 180-Tagesmortalität und den neurologischen Status.5 Vergleichbare Resultate hatte Ende des letzten Jahres die TOMAHAWK-Studie mit etwa doppelt so vielen Patienten gezeigt.6 Bei Personen nach OHCA und STEMI im EKG ist die sofortige Koronarangiografie von grosser prognostischer Bedeutung.
Unterschiede zeigten sich auch beim Einsatz der extrakorporalen kardiopulmonalen Reanimation («extracorporeal cardiopulmonary resuscitation», eCPR/ECMO). So dauerte der Anschluss an die ECMO gemessen von der Aufnahme im Inselspital durchschnittlich 20 Minuten und war damit circa zweimal so schnell wie im deutschen Durchschnitt. «Dagegen ist im Inselspital der Anteil der Patienten, die mittels ECMO behandelt werden, im Vergleich zu deutschen Zentren niedrig», so Hautz. Warum das so ist, müsse man nun herausfinden.
Mögliche Therapieoptionen bei OHCA?
Eine Möglichkeit, die Oxygenierung von Herz und Hirn bei Patienten mit einem OHCA von Anfang an zu verbessern, ist der unmittelbare Anschluss (vor Ort) an eine ECMO. Eine Studie, die dieses Vorgehen mit der Standardtherapie verglichen hat, konnte einen numerischen, aber nicht statistisch signifikanten Vorteil bezüglich der 180-Tage-Mortalität zeigen (primärer Endpunkt: 31,5% vs. 22%; OR: 1,63; p=0,09).7 Allerdings hatten sich 30 Tage nach dem Ereignis 30% der Patienten in der ECMO-Gruppe und 18% in der Standardgruppe neurologisch erholt (OR: 1,99; p=0,02). Die kardiale Erholung betrug nach 30 Tagen 43% in der ECMO-Gruppe resp. 34% in der Standardgruppe.7 «Wir verfügen zunehmend über Daten, die für einen frühzeitigen Einsatz der ECMO sprechen», sagte Wolf Hautz. Die Voraussetzung für eine gute Wirksamkeit sei allerdings eine sorgfältige Patientenselektion. Ein Problem ist auch die Verfügbarkeit der ECMO, die sich häufig auf grosse Städte beschränkt.
Eine relativ neue Behandlungsoption zur Verbesserung der kardialen und zerebralen Oxygenierung ist die Verkleinerung der Zirkulationsfläche durch den Verschluss der thorakalen Aorta nach distal («resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta», REBOA). Die Methode hat sich im Tiermodell als hocheffektiv erwiesen. Eine in Bern durchgeführte Pilotstudie mit 15 Patienten konnte zeigen, dass der Aortenverschluss unter laufender CPR bei 60% der Versuche erfolgreich war. Weitere Informationen sollen zwei klinische Studien, darunter eine aus Bern, liefern.
Quelle:
Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK), 15. bis 17. Juni 2022, St. Gallen
Literatur:
1 Meaney PA et al.: Cardiopulmonary resuscitation quality: improving cardiac resuscitation outcomes both inside and outside the hospital. Circulation 2013; 128: 417-435 2 Abella BS et al.: Quality of cardiopulmonary resuscitation during in-hospital cardiac arrest. JAMA 2005; 293: 305-10 3 Wik L et al.: Quality of cardiopulmonary resuscitation during out-of-hospital cardiac arrest. JAMA; 2005; 293: 299-304 4 Park HJ et al.: Factors associated with high-quality cardiopulmonary resuscitation performed by bystander. Emerg Med Int 2020; 2020: 8356201 5 Hauw-Berlemont C et al.: Emergency vs delayed coronary angiogram in survivors of out-of-hospital cardiac arrest: results of the randomized, multicentric EMERGE trial. JAMA 2022; 7: 700-7 6 Desch S et al.: Angiography after out-of-hospital cardiac arrest without ST-segment elevation. N Engl J Med 2021; 385: 2544-53 7 Behlolavek J et al.: Effect of intra-arrest transport, extracorporeal cardiopulmonary resuscitation, and immediate invasive assessment and treatment on functional neurologic outcome in refractory out-of-hospital cardiac arrest: a randomized clinical trial. JAMA 2022; 327: 737-47 8 Levis A et al.: Resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta (REBOA) during cardiopulmonary resuscitation: A pilot study. Resuscitation 2020; 156: 27-34
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