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Lipidsenkung per Apherese

Lp(a) – den Risikofaktor aus dem Blut waschen

<p class="article-intro">Erhöhtes Lipoprotein (a), Lp(a), ist ein Risikofaktor für Atherosklerose und frühzeitige kardio- und zerebrovaskuläre Ereignisse. Die Lipidapherese ist eine Methode, das Lp(a) effektiv aus dem Blut auszuwaschen und damit die Ereignisraten bei Patienten mit erhöhtem Lp(a) auf nahezu null zu senken. Wir sprachen mit Univ.-Prof. Dr. Kurt Derfler, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Wien, über die Bedeutung von Lp(a) sowie den Stellenwert der Lipidapherese.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong><em>Worum handelt es sich beim Lipoprotein (a)?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Lp(a) ist ein LDL-Partikel, das an seiner Oberfl&auml;che neben Apolipoprotein B-100 auch Apolipoprotein (a) aufweist. Apolipoprotein (a) &auml;hnelt dem Plasminogen, weshalb es die Entstehung von Atherosklerose, von Thrombosen und Embolien beg&uuml;nstigt. Die Spiegel von Lp(a) sind durch die Genetik des Menschen bestimmt und sehr stabil. Fr&uuml;her dachten wir, dass erh&ouml;htes Lp(a) sehr selten ist, heute sch&auml;tzen wir jedoch, dass Lp(a) bei etwa 5 % der Bev&ouml;lkerung erh&ouml;ht ist. Von einem erh&ouml;hten Lp(a) sprechen wir ab Werten von &uuml;ber 70nmol/l.</p> <p><strong><em>Welche Bedeutung hat Lp(a) als kardiovaskul&auml;rer Risikofaktor?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Bei einem erh&ouml;hten Lp(a) ist das Risiko f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Ereignisse, aber auch f&uuml;r die periphere arterielle Verschlusskrankheit signifikant erh&ouml;ht. Ereignisse wie Herzinfarkt k&ouml;nnen dabei schon sehr fr&uuml;h auftreten. So haben Betroffene h&auml;ufig bereits vor dem 50. Lebensjahr mehrere schwere Infarkte erlitten und sind mehrfach Bypass-operiert.<br /> Interessant ist, dass Patienten mit erh&ouml;htem Lp(a) h&auml;ufiger Pulmonalembolien haben, weshalb ich meinen Patienten bei Fl&uuml;gen &uuml;ber vier Stunden eine Thromboseprophylaxe empfehle.<br /> Dar&uuml;ber hinaus ist die Erh&ouml;hung von Lp(a) und LDL-Cholesterin die h&auml;ufigste Ursache f&uuml;r neu auftretende Aortenstenosen in einem Alter jenseits des 50. Lebensjahres. Unter unseren Patienten sind aber auch Kinder im Alter von vier bis f&uuml;nf Jahren, bei denen es zu beginnenden Ver&auml;nderungen der Aortenklappen kommt. In diesen F&auml;llen muss sofort mit einer Lipidapherese begonnen werden, denn ist das Lp(a) sehr hoch, k&ouml;nnen bereits im Kindesalter Schlaganf&auml;lle auftreten.</p> <p><strong><em>In welchen Situationen sollte an die Bestimmung des Lp(a) gedacht werden?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Wenn in der Familie h&auml;ufig fr&uuml;hzeitige Herzinfarkte oder Schlaganf&auml;lle auftreten, sollte auf jeden Fall eine Lp(a)-Bestimmung durchgef&uuml;hrt werden. Wird eine Lp(a)-Erh&ouml;hung diagnostiziert, muss ein Familien-Screening durchgef&uuml;hrt werden, das auch die Kinder inkludiert. Im Prinzip sollte Lp(a) jedoch einmal im Leben bestimmt werden. Wenn etwa im 18. Lebensjahr eine Lp(a)-Erh&ouml;hung nachgewiesen wird, so wei&szlig; ich, dass dieser pathologische Befund mein Leben lang besteht; wenn es normal ist, wird das auch so bleiben. Es gibt nur ganz wenige Konditionen, in denen eine Lp(a)-Erh&ouml;hung neu auftreten kann. Das kann bei Nierenerkrankungen mit gro&szlig;em Eiwei&szlig;verlust und bei Schilddr&uuml;senunterfunktion der Fall sein.</p> <p><strong><em>Kann das mit Lp(a)-Erh&ouml;hung assoziierte Risiko durch Lebensstilma&szlig;nahmen modifiziert werden?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Vor allem wenn die Lp(a)- Erh&ouml;hung im 6. oder 7. Lebensjahr diagnostiziert wird, ist es eminent wichtig, gesund zu leben, also nicht zu rauchen und regelm&auml;&szlig;ig Sport zu treiben. So l&auml;sst sich die Atherogenit&auml;t des Lp(a) lange zur&uuml;ckhalten. In der Regel verstehen die Kinder es, wenn man ihnen sagt, dass sie eine Stoffwechselerkrankung haben und erfolgreich etwas dagegen tun k&ouml;nnen. In 15 Jahren haben wir nur einen einzigen jungen Patienten gehabt, der zu rauchen begonnen hat. Lp(a) ist zwar nicht von der Ern&auml;hrung oder dem K&ouml;rpergewicht abh&auml;ngig, die Atherogenit&auml;t steigt jedoch mit der H&ouml;he des LDL-Cholesterinspiegels. Die prim&auml;re Intervention ist daher, das LDL-Cholesterin unter 70mg/dl zu bringen. Werden s&auml;mtliche zus&auml;tzliche Risikofaktoren zur Lp(a)-Erh&ouml;hung wie &Uuml;bergewicht, Hypercholesterin&auml;mie oder Rauchen eliminiert, so ist der Gro&szlig;teil der Patienten bereits ausreichend behandelt.</p> <p><strong><em>Wie lautet die Indikation zur Lipidapherese?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Das prim&auml;re Kriterium ist immer die progrediente kardiovaskul&auml;re und/oder vaskul&auml;re Erkrankung, wenn das Lp(a) &uuml;ber 150nmol/l ist. Weitere Indikationen sind die homozygote famili&auml;re Hypercholesterin&auml;mie und die therapieresistente heterozygote famili&auml;re Hypercholesterin&auml;mie. Zur definitiven Indikationsstellung haben wir immer einen Kardiologen und einen Angiologen im Team mit dabei. Dar&uuml;ber hinaus wurde f&uuml;r alle zum Nachlesen 2015 ein Konsensus-Statement zu Indikation und Durchf&uuml;hrung der Lipidapherese in &Ouml;sterreich publiziert.<sup>1</sup> Eingangskriterien sind ein Alter unter 60 Jahren, die Progression der Erkrankung sowie das Verhalten des Patienten. Raucht ein Patient etwa weiterhin 40 Zigaretten t&auml;glich, so kann ich ihm auch mit der Lipidapherese nicht helfen. Zur Evaluierung einer Progression der kardiovaskul&auml;ren Erkrankung machen wir in erster Linie eine Carotis-Duplex-Sonografie und Koronar-CT-Untersuchungen. Damit k&ouml;nnen wir die Patienten identifizieren, bei denen eine Koronarangiografie n&ouml;tig ist.</p> <p><strong><em>Was l&auml;sst sich mit der Lipidapherese erreichen?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Mitglieder des Lipidaphereseregisters publizierten 2015 in Circulation ihre Ergebnisse und konnten zeigen, dass unter der Lipidapherese die Ereignisrate um 90 % reduziert ist. Die 10 % , die trotz Apherese ein weiteres Ereignis erleiden, sind zum &uuml;berwiegenden Anteil Raucher. Heuer werden von diesem Patientenkollektiv die 5-Jahres-Daten ver&ouml;ffentlicht. Interessant ist, dass w&auml;hrend der ersten drei Monate der Apheresebehandlung die Infarktrate noch kaum gesenkt werden kann. Dann stabilisieren sich die Plaques, sie rupturieren nicht mehr, die Ereignisrate geht auf unter 10 % zur&uuml;ck.</p> <p><strong><em>Wie funktioniert die Lipidapherese?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Es gibt unterschiedliche Verfahren. So k&ouml;nnen z.B. bei der Apherese mit Schafantik&ouml;rpern gegen humanes Apolipoprotein B die atherogenen Lipoproteine wie LDL-C, Lp(a) und Teile des VLDL-Triglyzerides vom HDL-Cholesterin unterschieden und selektiv eliminiert werden. Eine andere M&ouml;glichkeit ist es, die elektrische Ladung zu n&uuml;tzen. LDL-C und Lp(a) sind an der Oberfl&auml;che positiv geladen. Einige Aphereseverfahren n&uuml;tzen dies zur Elimination aus, Dextransulfat wiederum ist negativ geladen und S&auml;uren mit dieser Substanz binden die atherogenen Partikel bei Passage von Vollblut oder Plasma zu faktisch 100 % . HDL, das negativ geladen ist, wird vom Dextransulfat abgesto&szlig;en und wieder reinfundiert. Unser Zielbereich bei einer Behandlung ist eine Absenkung von LDLC und Lp(a) von mindestens 70 % . Obwohl es bereits nach zwei Tagen zu einem Wiederansteigen der LDL-C- und der Lp(a)-Spiegel &uuml;ber den geforderten Zielbereich kommt, erreichen wir die zuvor genannten guten Ergebnisse in Bezug auf die kardiovaskul&auml;re Mortalit&auml;t. Der Effekt der LDL-Apherese ist vermutlich nicht prim&auml;r von der mittleren Absenkung der Werte, sondern vom raschen Absenken abh&auml;ngig. Wir vermuten, dass durch dieses sehr viel Cholesterin aus den Plaques mobilisiert wird.</p> <p><strong><em>Wie oft muss sich ein Patient der Apherese unterziehen und wie belastend ist diese Behandlung?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Da nach einer Woche die Werte wieder auf circa 80 % des Ausgangswertes ansteigen, muss die Apherese zumindest 40-mal j&auml;hrlich durchgef&uuml;hrt werden. Die einzelnen Behandlungen dauern, je nachdem, wie hoch die Vorwerte und wie gut die Venen sind, zwischen zwei und drei Stunden. Nat&uuml;rlich muss der Patient regelm&auml;&szlig;ig die Zeit daf&uuml;r aufbringen und die Termine in sein Leben einplanen. Die Apherese selbst ist nicht belastend, wir haben bei &uuml;ber 40 000 Behandlungen keine Virusinfektionen gehabt und niemand ist verstorben. Das Einzige, worauf zu achten ist, ist, dass die Patienten keine ACE-Hemmer einnehmen, da es sonst zu einem schweren Bradykinin-Schock kommt.</p> <p><strong><em>Hat sich der Stellenwert der Lipidapherese durch die Einf&uuml;hrung der PCSK9- Inhibitoren ver&auml;ndert?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Wir haben mit Zulassung der PCSK9-Inhibitoren alle Patienten mit heterozygoter famili&auml;rer Hypercholesterin&auml;mie aus der Apherese herausgenommen. Ob die Prognose f&uuml;r diese Patienten so g&uuml;nstig wie unter der Apherese ist, k&ouml;nnen wir allerdings noch nicht sagen. Das Lp(a) l&auml;sst sich mit den PCSK9-Hemmern n&auml;mlich nur um etwa 15 bis 20 % senken. Das ist f&uuml;r Patienten mit 600nmol/l nat&uuml;rlich viel zu wenig. Die Erkrankung ist durch eine solche Absenkung in keiner Weise beeinflussbar. In den USA wurde ein Antik&ouml;rper entwickelt, der das Lp(a) erkennt und neutralisiert. Es konnte gezeigt werden, dass nach sechs Injektionen dieses Antik&ouml;rpers innerhalb von 10 Tagen das Lp(a) f&uuml;r bis zu 8 Monate um 80 % abgesenkt ist. Phase-III-Studien dazu werden gerade begonnen.</p> <p><strong><em>Wo in &Ouml;sterreich gibt es Apheresestationen?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Von den 80 Patienten, die eine Lp(a)-Apherese erhalten, wird ein Gro&szlig;teil in Wien behandelt. Weitere Lp(a)-Apheresestationen und -institute gibt es in Innsbruck, Linz, Salzburg, Graz und Feldkirch.</p> <p><strong><em>Sie sind Vorstandsmitglied der Austrian Apheresis Association. Was sind die Ziele dieser Vereinigung?</em></strong><br /> <strong><em>K. Derfler:</em></strong> Unser Ziel ist, dass das Bewusstsein f&uuml;r die Erkrankung Atherosklerose gesch&auml;rft wird und dass wir deren Endstadien nach M&ouml;glichkeit nicht sehen. Es muss m&ouml;glich sein, die 40 000 Patienten in &Ouml;sterreich zu finden, die prim&auml;r genetische Defekte des Lipidstoffwechsels haben und damit Hochrisikopatienten sind. Entsprechende fr&uuml;hzeitige Identifizierung und Schulung k&ouml;nnen verhindern, dass das Endstadium Herzinfarkt bei diesen Patienten eintritt. Dar&uuml;ber hinaus setzen wir uns daf&uuml;r ein, dass alle Apheresestationen nach den gleichen Standards bez&uuml;glich Indikationsstellung und Durchf&uuml;hrung arbeiten.</p> <p><strong><em>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch.</em></strong></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Derfler K, Steiner S, Sinzinger H: Wien Klin Wochenschr 2015; 127: 655-63</p> </div> </p>
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