Nicht rhythmogene kardiale Synkope
Autorin:
Heidi Abbühl
Oberärztin, Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital Bern
E-Mail: heidi.abbuehl@insel.ch
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Nach einer Synkope ist das Vorliegen einer kardialen Ursache mit einer schlechten Prognose assoziiert – dementsprechend sind eine umgehende Abklärung und Therapie der kardialen Ursache wichtig:Wie soll vorgegangen werden?
Keypoints
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Die nicht rhythmogene kardiale Synkope ist bedingt durch ein vermindertes Schlagvolumen oder eine Flussbehinderung. Sie ist eine Risikosynkope und erfordert eine zeitnahe und konklusive Abklärung und Therapie.
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Die Basisdiagnostik erfolgt mit differenzierter Synkopenanamnese, kardiopulmonalem Kurzbefund/Vitalparameter und EKG, ergänzt durch Echokardiografie und meist auch kardiale Biomarker sowie situativ durch eine erweiterte kardiovaskuläre Bildgebung.
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Kardiale Biomarker werden bei V.a. eine kardiale Synkopenursache gemäss üblichen Algorithmen eingesetzt (Koronarsyndrom, Lungenembolie); als Routineparameter in der allgemeinen Synkopendiagnostik sind sie hingegen (noch) nicht indiziert.
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Die Ergometrie hat keine Indikation zur Routine- oder Ischämiediagnostik bei Verdacht auf kardiale Synkope (sondern einzig mit der Frage nach belastungsinduziertem höhergradigem AV-Block).
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Scores haben keinen Stellenwert mehr in der Synkopendiagnostik.
Pathophysiologie
Bei einem transienten Bewusstseinsverlust mit raschem Beginn, kurzer Dauer und kompletter spontaner Erholung innert weniger Minuten sind die typischen Kriterien einer Synkope erfüllt. Eine abnorme Motorik ist Teil der Bewusstlosigkeit und kann sich als schlaffer Tonusverlust, als tonische Anspannung oder mit wenigen Myoklonien manifestieren, ist aber nicht mit den meist höherfrequenten rhythmischen Zuckungen bei Epilepsie zu verwechseln. Die Synkope beruht auf einer passageren globalen zerebralen Hypoperfusion («Blutleere») bei einem Blutdruckabfall auf systolisch 60mmHg oder niedriger (Herzebene) ab 6–8sec. Dauer.1 Dafür verantwortlich sind entweder ein Abfall des peripheren Widerstandes («Tonusverlust», Vasodilatation), oder eine verminderte kardiale Auswurfleistung. Die Auswurfleistung kann rhythmogen reduziert sein oder aufgrund eines niedrigen oder anderweitig eingeschränkten («behinderten») kardialen Schlagvolumen, gemäss der Formel:1
BD=(SV x HF) x PW
(BD: Blutdruck; SV: Schlagvolumen; HF: Herzfrequenz; PW: peripherer Widerstand); HMV: Herzminutenvolumen [=SV x HF],
Epidemiologie
Synkopen sind häufig: Bei Erwachsenen beträgt die Prävalenz 18–47%, die jährliche Inzidenz 0,6% bzw. 2–6% bei betagten Patienten und die kumulative Inzidenz ca. 5% bei Jüngeren (20- bis 29-Jährige), und bis zu 50% bei den über 80-jährigen Frauen (bei den Männern ist der Prozentsatz geringer); und Synkopen sind der Grund für 1–2% der Notfallkonsultationen.1,2 Am häufigsten sind Synkopen vasovagal (ca. 21–48% vasovagale Reflexsynkopen) oder orthostatisch bedingt (4–24%), 5–20% sind kardial bedingt, dabei ca. 6% rhythmogen.1,2 Im Vergleich dazu ist eine Epilepsie viel seltener, mit einer jährlichen Inzidenz von 0,05% und einer Prävalenz von ca. 1%. Die Lebenszeitprävalenz für epileptische Anfälle (überwiegend provozierte Gelegenheitsanfälle) beträgt 5–10% (epi-suisse, 11/2021).
Kardiale Synkope = Risikosynkope! Zeitnahe und konklusive Abklärung
Synkopen kardialer Ursache sind mit einem erhöhten Risiko und einer schlechteren Prognose mit einer Mortalität bis 10% im 6-Monats-Verlauf assoziiert3 – sie gelten als Risikosynkopen. Dementsprechend zeitnah und konklusiv sollte nach dem Ereignis abgeklärt werden. Welche Kriterien, Parameter oder Untersuchungen helfen bei vermuteter kardialer Synkope?
Eine effiziente Synkopenabklärung sollte dem empfohlenen Algorithmus der ESC-Guidelines 2018 folgen, in der Reihenfolge Basisdiagnostik – Risikostratifizierung – Triage.1 Die Basisdiagnostikenthält die Elemente Synkopenanamnese (Tab. 1), kardiopulmonaler Kurzbefund und ein EKG; in der Notfallsituation kommen ergänzend noch die Echokardiografie und meist die kardialen Biomarker dazu (hsTroponin-T, NTproBNP). Basierend auf diesen Informationen erfolgt die Risikostratifizierung mit Triage: Bei Vorliegen eines oder mehrerer kardialer Risikomarker (Tab. 2) ist eine meist stationäre (u.a. 6- bis24-stündige Rhythmusüberwachung), evtl. auch eine zeitnahe ambulante Abklärung und Therapie indiziert. Weitere Abklärungen zur definitiven Diagnosefindung sollten gezielt gemäss Indikation aus der Basisdiagnostik erfolgen. So gehört z.B. die Ergometrie nicht zur Routineuntersuchung nach Synkope, auch ein Langzeit-EKG sollte nur bei entsprechender Indikation erfolgen.1
Tab. 1: Synkopenanamnese (nach Synkopentrack Inselspital 2020, adaptiert nach Brignole et al.)1
Tab. 2: Synkopenrisikomarker allgemein inkl. rhythmogener Marker (nach Synkopentrack Inselspital 2020, adaptiert nach Brignole et al.)1
Eine differenzierte und umfassende Anamnese ist das Schlüsselelement überhaupt bei der Synkopenabklärung, das gilt auch für die kardiale Synkope. Dabei sollten spezifische kardiale Risikoelemente, wie neu aufgetretener Thoraxschmerz oder Dyspnoe, Synkope bei Anstrengung oder im Liegen, Palpitationen unmittelbar vor der Synkope, sowie auch eine relevante strukturelle oder koronare Herzkrankheit in der Vorgeschichte eruiert werden (Tab. 1 und 2).
Im kardiopulmonalen Kurzbefund inkl. Vitalparameter sind eine unerklärte Hypotonie (systolisch <90mmHg), ein unbekanntes Herzgeräusch, ein Pulsus paradoxus oder alternans, kardiopulmonale Dekompensationszeichen oder ein fehlendes Atemgeräusch (Pneumothorax) als Alarmzeichen für eine kardiale Synkope zu suchen.1
Das EKG kann akute Ischämiezeichen, einen neuen Schenkelblock, Hypertrophiezeichen oder, bei Niedervoltage und evtl. elektrischem Alternans, Hinweise auf einen relevanten Perikarderguss zeigen, ebenso wie Q-Zacken als Hinweis auf eine strukturelle ischämische oder anderweitige Kardiomyopathie.1
Die Echokardiografie spielt eine zentrale Rolle bei der Abklärung vermuteter kardialer Synkopen, sei es in der Notfallsituation oder bei der initialen Evaluation: es sind Ursachen für ein geringes oder eingeschränktes kardiales Schlagvolumen zu suchen, wie in Tabelle 3 aufgeführt.
Tab. 3: Kardiale Synkope (nicht rhythmogen): pathophysiologische und -anatomische Ursachen eines verminderten Schlagvolumens bzw. einer Flussbehinderung (adaptiert nach Brignole et al.)1
Als patho-anatomisches Korrelat einer Einfluss- oder Ausflusstraktobstruktion sind zunächst relevante Klappenstenosen auszuschliessen. Weiter ist nach Obstruktionen im Bereich des Ein- und Ausflusstrakts beidseits zu suchen, die den Blutfluss entweder fix oder dynamisch obstruieren: rechts z.B. ein (prolabierendes) Myxom, ein aus der V. cava inferior ragender Tumorzapfen oder auch akut embolisierende Thrombosefragmente; und links selten einmal ein prolabierend-obstruierender linksatrialer Thrombus oder eine muskuläre Ausflusstrakt-Obstruktion wie bei einer hypertroph-obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) oder einer subvalvulären Aortenstenose. Im Bereich der grossen kardialen Gefässe sind eine Lungenembolie oder auch eine exazerbierte pulmonale Hypertonie (mit hämodynamischer Flussbehinderung) auszuschliessen, bei der Aorta eine Dissektion mit entsprechender Volumensequestrierung; auch ein Spannungspneumothorax kann durch Kompression der grossen Gefässe zur Flussbehinderung führen. Hier kommen diagnostisch die CT-Angiografie sowie die erweiterte kardiale Bildgebung zum Zug (Koronar-CT, Koronarangiografie, und Kardio-MRI).
Als funktionelle Ursache einer Schlagvolumenminderung kann eine akute oder chronische Koronarobstruktion vorliegen: sei es atherosklerotisch-thrombotisch, kardioembolisch oder auch durch externe Koronarkompression, z.B. bei intramuskulär oder zwischen Aorta und Pulmonalarterie verlaufender Koronaranomalie bzw. bei Muskelbrücken über den Koronararterien. Diese Koronarobstruktion/-kompression kann via ischämisch bedingte rechts- oder linksventrikuläre Funktionseinschränkung, evtl. auch via ischämische Mitralinsuffizienz (oder auch via ischämisch getriggerte Arrhythmie), zu einer relevanten Einbusse der kardialen Auswurfleistung führen, wie generell auch relevante Klappeninsuffizienzen (evtl. akut im Rahmen einer Endokarditis oder Koronarischämie). Nebst der systolischen Herzinsuffizienz lässt eine kardiale Füllungsbehinderung bei hämodynamisch relevantem Perikarderguss bzw. Perikardtamponade die kardiale Auswurfleistung ebenfalls einbrechen.
Schliesslich führt auch jede Blutung und relevante Hypovolämie zu einem verminderten kardialen Auswurf (Herzminutenvolumen).
Eine eingeschränkte kardiale Auswurfleistung wird bei entsprechendem peripherem Bedarf symptomatisch: Eine schwere Aortenklappenstenose kann bei leichter Belastung noch asymptomatisch sein und erst bei höherer Belastung zu Schwindel oder Synkope führen. Auch kann nebst der kardialen Synkopenursache immer auch ein durch Thoraxschmerz, Dyspnoe oder Angst getriggerter vasovagaler Reflexmechanismus zur Synkope führen oder dazu beitragen (wie auch eine zusätzliche aggravierende Arrhythmie) und die Synkope somit multifaktoriell bedingt sein.1
Kardiale Biomarker
Die kardialen Biomarker hsTroponin-I und -T sowie BNP und NTproBNP haben eine prognostische Aussagekraft in Bezug auf Tod resp. kardiales Risiko (MACE) nach Synkope,4–6 und die Basel-IX-Studie zeigte u.a. für die Kombination von BNP und hsTroponin-I (+ EGSYS-Score) auch eine gute diagnostische Aussagekraft bei kardialer Synkope (AUC: 0,8–0,85).6 Jedoch bleiben die Biomarkergrenzwerte für die Verwendung als diagnostisches Kriterium für eine kardiale Synkope noch zu definieren.5 Auch wurde bisher nicht gezeigt, ob die routinemässige Bestimmung der kardialen Biomarker zu einem effizienteren und kosteneffektiveren Synkopenmanagement beiträgt.5 Dementsprechend sind die kardialen Biomarker in den ESC-Guidelines 2018 noch nicht als diagnostischer Parameter in der Routine-Basisdiagnostik aufgeführt, scheinen aber vielversprechend und sind natürlich wie üblich in der Standarddiagnostik bei Verdacht auf ein kardiales Ereignis als Synkopenursache indiziert.
Koronarischämie-Abklärung nach Synkope
Wenn Anamnese (Synkope bei Anstrengung, Thoraxschmerz), EKG, Echokardiografie bzw. die Biomarker (Troponin) eine Koronarischämie als Synkopenursache vermuten lassen, ist die Wahl der adäquaten Untersuchungsmodalität wichtig: Bei einer Synkope als Symptom ergibt sich gemäss der adaptierten Tabelle von Diamond und Forrester7 eine eher niedrige Vortestwahrscheinlichkeit für eine koronare Herzkrankheit (atypisches Symptom). Dementsprechend ist ein Ischämietest mit hoher Sensivität und Spezifität zu wählen: z.B. ein Koronar-CT, eine Kardio-Stress-MRI-/SPECT- oder PET-Untersuchung bzw., insbesondere bei Troponinerhöhung, eine direkte Koronarangiografie. Die Ergometrie hat keine Indikation zur Ischämieabklärung nach Synkope – sie hat zwar eine Indikation (IC) zur Abklärung nach anstrengungsinduzierter Synkope, aber nur mit der Frage nach belastungsinduziertem höhergradigem AV-Block oder vasovagaler Reflexsynkope, nicht aber mit der Frage nach Ischämie; und generell gehört die Ergometrie nicht zur Routineuntersuchung nach Synkope.1
Scores
Mehrere Synkopen-Risikoscores wurden in der Vergangenheit zur Diagnose und Risikostratifizierung nach Synkope vorgeschlagen: Canadian Syncope Risk Score, CSRS, San Francisco Syncope Rule, SFSR, Stratification of Syncope in the Emergency Departement, ROSE, Osservatorio Epidemiologico della Sincope nel Lazio, OESIL, Evaluation of Guidelines in Syncope Study, EGSYS.
Gemäss ESC-Guidelines zur Synkope von 2018 und einem umfangreichen Review von 2019 (11 Studien, >4000 Patienten8) werden diese Scores jedoch weder zur initialen Diagnostik noch zur weiteren Synkopenabklärung empfohlen, da die klinische Untersuchung und Beurteilung (Risikostratifizierung) zusammen mit dem EKG bei der Diagnostik kardialer Synkopen besser abgeschnitten haben und «adäquat Patienten ohne bzw. mit kardialer Synkope identifizieren können».1,5,8
Therapie der nicht rhythmogenen kardialen Synkope
Die Therapie bei kardialer Synkope besteht generell in der unmittelbaren Behandlung der zugrunde liegenden Pathologie: hauptsächlich Koronarrevaskularisation bzw. Herzklappenintervention/-chirurgie, Therapie der Lungenembolie (medikamentös, interventionell, chirurgisch), Schocktherapie/Blutungsstillung, Pleura- und Perikarddrainage, Aortenchirurgie etc.
Literatur:
1 Brignole M et al.: 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J 2018; 39: 1883-948 2 Kenny RA et al.: Epidemiology of syncope/collapse in younger and older Western patient populations. Prog Cardiovasc Dis 2013; 55: 357-63 3 Soteriades ES et al.: Incidence and prognosis of syncope. N Engl J Med 2002; 347: 878-85 4 Christ M et al.: Diagnostic and prognostic value of high-sensitivity cardiac troponin T in patients with syncope. Am J Med 2015; 128: 161-70 e1 5 Sandhu RK, Sheldon RS: Are cardiac biomarkers the key to solving the syncope mystery? Circulation 2019; 139: 2419-21 6 du Fay de Lavallaz J et al.: B-type natriuretic peptides and cardiac troponins for diagnosis and risk-stratification of syncope. Circulation 2019; 139: 2403-18 7 Knuuti J et al.: 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes. Eur Heart J 2020; 41: 407-77 8 Albassam OT et al.: Did this patient have cardiac syncope?: The rational clinical examination systematic review. JAMA 2019; 321: 2448-57
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