© Getty Images/iStockphoto

Niedervoltage: Diagnostik und Ursachen

<p class="article-intro">Die Niedervoltage im Elektrokardiogramm (EKG) ist definiert als eine Verminderung der Amplitude des Kammerkomplexes unter die altersentsprechenden Normwerte, der in den meisten Fällen eine pathophysiologische Ursache zugrunde liegt. Je nach betroffenen Ableitungen wird zwischen einer peripheren, zentralen und totalen Niederspannung differenziert.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Diagnostik einer Niedervoltage</h2> <p>Die Diagnostik einer Niedervoltage erfolgt im Standard-EKG (Abb. 1) durch die Ermittlung der sogenannten RS-Amplitude, des Abstandes zwischen R- und S-Zacke, jedes QRS-Komplexes. Ist der Abstand zwischen R und Q gr&ouml;&szlig;er, wird gelegentlich auch dieser Wert zur Bestimmung herangezogen. Beim Erwachsenen spricht man von einer peripheren Niedervoltage, wenn die in den Extremit&auml;tenableitungen gemessenen Amplituden kleiner als 0,5mV sind. Sind die QRS-Amplituden hingegen nur in den Brustwandableitungen reduziert, liegt eine zentrale Niederspannung vor.<sup>2</sup> Je nach Quelle variiert hier der Grenzwert; in der deutschsprachigen Literatur liegt er bei &lt;0,7mV, in der englischsprachigen bei&nbsp;&lt;1mV.&nbsp;Verminderte RS-Amplituden in Extremit&auml;ten- und Brustwandableitungen bezeichnet man als totale Niedervoltage.<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1805_Weblinks_s36_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="954" /></p> <h2>Pathologische Hintergr&uuml;nde einer Niedervoltage</h2> <p>Das EKG-Bild einer Niedervoltage kann durch zahlreiche Pathologien verursacht werden. Differenziert wird dabei zwischen einem extrakardialen, einem myokardialen und einem perikardialen Ursprung.<sup>1</sup> Vor jeder weiteren Diagnostik ist aber vor allem bei symptomfreien Patienten immer darauf zu achten, ob ein Ableitungsfehler oder ein schlechter Elektronenkontakt vorliegt. Nur in seltenen F&auml;llen spricht man von einer idiopathischen Niedervoltage.</p> <p><strong>Extrakardiale Ursachen</strong> <br />Befindet sich die Ursache extrakardial, sind dabei oftmals nur die QRS-Komplexe in den Extremit&auml;tenableitungen reduziert. Diese periphere Niedervoltage resultiert meist durch eine abnorme Zunahme von Fl&uuml;ssigkeit, Fett oder Luft, die zu einem d&auml;mpfenden Effekt zwischen Herz und EKG-Elektroden f&uuml;hrt. Der dadurch entstandene Potenzialverlust an der K&ouml;rperoberfl&auml;che wird beispielsweise verursacht durch periphere &Ouml;deme, Adipositas sowie durch ein Lungenemphysem oder Pneumothorax.<sup>2</sup> Hinsichtlich der Fl&uuml;ssigkeitseinlagerung bei schwerer Herzinsuffizienz konnten Kamath et al. zeigen, dass die Niedervoltage auch ein wichtiger Marker f&uuml;r die Krankheitsschwere und somit einen Risikofaktor f&uuml;r ein negatives Outcome f&uuml;r Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz darstellt.<sup>3</sup></p> <p>Eine Besonderheit stellt die sogenannte vorget&auml;uschte periphere Niedervoltage beim sagittalen Lagetyp dar. Diese tritt in den meisten F&auml;llen pathologisch beim Cor pulmonale oder einer Rechtsherzhypertrophie auf; physiologisch ist diese bei Patienten mit Trichterbrust. Oftmals zeigt sich auch eine relative Niedervoltage in den Extremit&auml;tenableitungen vom Normtyp mit begleitendem &uuml;berdrehtem Linkstyp bei Personen mit leptosomem oder asthenischem K&ouml;rperbau.<sup>4</sup></p> <p>Ist die Niedervoltage unklarer Genese sollte in jedem Fall an eine Hypothyreose, die mit schweren kardialen Ver&auml;nderungen einhergeht, gedacht werden.<sup>1</sup> Pathophysiologisch f&uuml;hrt eine Unterfunktion der Schilddr&uuml;se nicht nur zu einer myx&ouml;demat&ouml;sen Ablagerung in den Extremit&auml;ten und im Gesicht, sondern auch im Myokard. Ebenfalls kommt es zu einer reduzierten Sympathikusaktivit&auml;t und aufgrund des Thyroxinmangels zur verminderten Inotropie und Chronotropie des Herzens. Allesamt f&uuml;hrt dies zum Potenzialverlust und zeichnet sich im EKG als Niedervoltage ab.<sup>5</sup></p> <p><strong>Myo- und perikardiale Ursachen</strong> <br />Bei Erkrankungen des Myokards oder Perikards zeichnet sich der Potenzialverlust entweder nur in den Brustwandableitungen oder im gesamten EKG ab (zentrale oder totale Niederspannung). In einer Studie von 2017 konnten Kim et al. zeigen, dass einer isolierten Niederspannung in der Brustwandableitung keine differenzierte Ursache zugrunde liegt und dass bei klassischen Ursachen die Inzidenz an Linksherzvergr&ouml;&szlig;erung h&ouml;her ist.<sup>6</sup> Auf pathophysiologischer Ebene kommt es beim myo- und perikardialen Ursprung zu einer direkt unmittelbar dem Herz umgebenen Isolation. <br />Die h&auml;ufigste perikardiale Ursache ist der Perikarderguss jedes Verlaufes, der sowohl chronisch als auch akut in jedem Fall hinsichtlich der lebensbedrohlichen Folge einer Perikardtamponade einer weiteren klinischen und echokardiografischen Abkl&auml;rung bedarf.<sup>7</sup> Der Verdacht eines akuten Perikardergusses erh&auml;rtet sich bei der elektrokardiografischen Trias einer Tachykardie, einem elektrischen Alternans und einer Niedervoltage in den Brustwandableitungen.<sup>8</sup> Weitere perikardiale Ursachen sind fibrotische und kalzifizierende Umbauvorg&auml;nge nach einer durchgemachten Perikarditis, im Sinne einer Pericarditis constrictiva, sowie tumor&ouml;se Ver&auml;nderungen des Herzbeutels.<sup>1</sup> <br />Zu den myokardialen Ursachen z&auml;hlen isch&auml;mische Areale nach einem Myokardinfarkt, kardiotoxische Medikamente, entz&uuml;ndliche Sch&auml;digungen des Herzmuskels sowie Infiltrationskrankheiten wie etwa die kardiale Amyloidose.<sup>2</sup></p> <h2>Weitere Abkl&auml;rung unumg&auml;nglich</h2> <p>Diese Auflistung der zahlreichen und oftmals potenziell auch lebensbedrohlichen Ursachen soll zeigen, dass das EKG-Bild einer Niedervoltage nicht ignoriert oder vernachl&auml;ssigt werden darf. Zur weiterf&uuml;hrenden Diagnostik sind die Bestimmung der Schilddr&uuml;senparameter und Entz&uuml;ndungszeichen, die Durchf&uuml;hrung bildgebender Verfahren, hier sei vor allem die rasch verf&uuml;gbare und aussagekr&auml;ftige Echokardiografie erw&auml;hnt, und eventuell bei Verdacht auf eine infiltrative Kardiomyopathie eine Gewebebiopsie unumg&auml;nglich.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Klinge R: Das Elektrokardiogramm: Leitfaden f&uuml;r Ausbildung und Praxis. Thieme, 2015 <strong>2</strong> 6 Abnorme EKG-Amplituden. In: Lindinger A, Paul T, editors. EKG im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2017 <strong>3</strong> Kamath SA et al.: Low voltage on the electrocardiogram is a marker of disease severity and a risk factor for adverse outcomes in patients with heart failure due to systolic dysfunction. Am Heart J 2006; 152(2): 355-61 <strong>4</strong> von Olshausen K: EKGInformation: Vom Anf&auml;nger zum Profi. Steinkopff, 2005 <strong>5</strong> Gr&uuml;nwald F, Derwahl KM: Diagnostik und Therapie von Schilddr&uuml;senerkrankungen: Ein Leitfaden f&uuml;r Klinik und Praxis. Lehmanns Media, 2014 <strong>6</strong> Kim DH, Verdino RJ: Electrocardiogram voltage discordance: interpretation of low QRS voltage only in the precordial leads. J Electrocardiol 2017; 50(5): 551-4 <strong>7</strong> Schuster HP, Trappe HJ: EKG-Kurs f&uuml;r Isabel. Thieme, 2005 <strong>8</strong> Erdmann E: Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gef&auml;&szlig;e. Berlin &ndash; Heidelberg: Springer, 2011</p> </div> </p>
Back to top