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Photodynamische Therapie mit wirkstoffhaltigem Pflaster

Patch-PDT – eine vielversprechende Behandlung der aktinischen Cheilitis

Die photodynamische Therapie (PDT) hat durch rezente Studien an Bedeutung bei der Behandlung der aktinischen Cheilitis (AC) gewonnen. Die AC ist eine häufige präkanzeröse Erkrankung der Lippen; hervorgerufen durch übermäßige Sonnenexposition, erfordert sie präzise und effektive Maßnahmen. Die PDT nutzt eine Kombination aus photosensibilisierendem Medikament und Licht, um geschädigte Zellen gezielt zu zerstören. Aufgrund ihrer Wirksamkeit und guten Verträglichkeit sollte die PDT bei der Behandlung der aktinischen Cheilitis als nichtinvasive und nebenwirkungsarme Therapieoption in Betracht gezogen werden.

Keypoints

  • Die Diagnose der aktinischen Cheilitis basiert vornehmlich auf klinischen Untersuchungen, die eine detaillierte Inspektion und taktile Beurteilung der Läsionen sowie der Mundhöhle beinhalten.

  • Behandlungsoptionen umfassen chirurgische Verfahren (Vermillionektomie, Kryotherapie, Laserablation und Mohs-Chirurgie), konservative Methoden (topische Behandlung mit Imiquimod, 5-Fluorouracil, Diclofenac etc.) und die photodynamische Therapie (PDT).

  • Die Anwendung einer spezifischen PDT zur Behandlung der aktinischen Cheilitis kann laut zwei Studien nicht nur zu einer erhöhten Abheilungsrate und verringerten Rezidivrate führen, sondern auch sehr gute kosmetische Ergebnisse erzielen.

Die aktinische Cheilitis (AC) wurde erstmals im Jahr 1923 als eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Lippen beschrieben, die durch Sonneneinstrahlung verursacht wird.1 Sie ist auch unter den Begriffen „sailor’s lips“ oder „farmer’s lips“ bekannt aufgrund ihrer Assoziation mit Beschäftigungen im Außenbereich, besonders bei Personen, die über 25 Jahre lang im Freien arbeiteten.2 Im Jahr 2020 wurde sie vom Collaborating Centre for Oral Cancer Workshop der WHO als potenziell bösartige Erkrankung klassifiziert.2

Prävalenz

Laut einer Metaanalyse aus dem Jahr 2021 liegt die Prävalenz der AC weltweit zwischen 0,4% und 2,4% in der allgemeinen Bevölkerung.3 Steigende Häufigkeiten zeigen sich in Gebieten mit intensiverer UV-Strahlung wie Regionen nahe dem Äquator, in höheren Lagen, bei geringer Wolkenbedeckung, niedrigem Ozongehalt sowie in Gebieten mit reflektierenden Oberflächen wie Wasser, Sand und Schnee. In Kohortenstudien an sonnenexponierten Bevölkerungsgruppen, darunter Bergleute, Landwirte, Fischer und Strandarbeiter, wurden höhere Prävalenzraten zwischen 11,4% und 28,4% berichtet.4–8 In Europa gibt es eine begrenzte Datengrundlage zur Inzidenz der AC, da die Mehrheit der Studien in Ländern mit erhöhter Sonnenexposition durchgeführt wurde. Allerdings konnte in einer spanischen Studie bei 31,3% der über 45-jährigen Bevölkerung eine AC festgestellt werden.9 Die genaue Bestimmung der Prävalenz der AC innerhalb von Bevölkerungsgruppen gestaltet sich insgesamt schwierig aufgrund variabler demografischer Faktoren in diesen Studien von geringerer Qualität sowie mit Unterschieden in den Methoden der Datenerhebung, sei es durch histologische oder klinische Diagnosestellung.

Der wichtigste Risikofaktor der AC ist die chronische und kumulative Einwirkung von UV-Strahlung auf die Lippenhaut, was auch ihre häufige Manifestation an der Unterlippe erklärt. Tabakrauchen scheint eine Rolle bei der Progression der AC zu Plattenepithelkarzinomen (SCC) zu spielen, induziert es jedoch nicht eigenständig. Alkoholismus, chronische Narbenbildung und mangelhafte Mundhygiene sind weitere Risikofaktoren, die den Schweregrad der AC erhöhen und die Entwicklung invasiver Karzinome begünstigen können.9 Rodriguez-Archilla et al. legten eine dreifach erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der AC bei Personen über 50 Jahre dar und zeigten eine signifikant höhere Betroffenheit der männlichen Bevölkerung im Vergleich zur weiblichen.3 Zusammenfassend betonen diese Erkenntnisse die Wichtigkeit von Präventionsstrategien und der Früherkennung, um die steigende Inzidenz der AC insbesondere in Hochrisikogruppen einzudämmen.

Klinisches Erscheinungsbild

Klinisch zeigt die AC ein breites Spektrum an Erscheinungsformen, von chronischer Trockenheit über weiße Plaques bis hin zu atrophen und – in fortgeschritteneren Stadien – erosiven Arealen an den Lippen. Die Läsionen können lokal begrenzt oder diffus auftreten, sind jedoch in der Regel asymptomatisch. Bei der Palpation offenbart sich oft eine raue, sandpapierähnliche Textur. Betroffene beschreiben häufig eine anhaltende Trockenheit oder das Empfinden von Straffheit sowie mangelnder Elastizität der Lippen. Die Diagnose der AC basiert vornehmlich auf der klinischen Untersuchung, die eine detaillierte Inspektion und taktile Beurteilung der Läsionen sowie der Mundhöhle umfasst, welche im Zusammenhang mit einer präzisen medizinischen und sozialen Anamnese stehen. Bei unklarer klinischer Diagnose bzw. zum Ausschluss eines invasiven Plattenepithelkarzinoms der Lippe sollte eine Gewebeentnahme durchgeführt werden.

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Abb. 1: A) Patient vor und B) nach einer Alacare®-Patch-PDT-Behandlung mit vollständiger klinischer Heilung und sehr gutem kosmetischem Ergebnis

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Abb. 2: A) Mäßige phototoxische Reaktion mit Schwellung und Rötung einen Tag nach Alacare®-Patch-PDT, B) leichte Rötung, Schwellung und mäßig ausgeprägte Krustenbildung eine Woche nach Alacare®-Patch-PDT

Histologie

Unter histologischer Betrachtung zeigt die AC Atypie und Verlust der Polarität der Keratinozyten, ein chronisches entzündliches Infiltrat und Elastose im Bindegewebe aufgrund basophiler Degeneration der extrazellulären Matrix (solare Elastose). In fortgeschrittenen Fällen können auch dysplastische Veränderungen beobachtet werden.10 Der Prozess der malignen Umwandlung der aktinischen Cheilitis in ein invasives Plattenepithelkarzinom der Lippenhaut verläuft üblicherweise sehr langsam, dieser Vorgang dauertetwa 1–30 Jahre.10 Die Häufigkeit der malignen Transformation variiert zwischen 10% und 30%,11,12 jedoch wird berichtet, dass 95% der SCC der Unterlippe auf einer bereits vorhandenen AC entstehen. Das SCC der Lippenhaut ist aggressiver als das SCC der restlichen Haut und weist eine viermal höhere Metastasierungsrate auf.12,13

Klassische Behandlungsoptionen

Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der AC sind aufgrund der hohen Rate der Transformation in ein SCC für die Prognose entscheidend. Allerdings gestaltet sich die Therapie aufgrund der spezifischen anatomischen Nähe zur Schleimhaut und der histologischen Merkmale (dünne Hautschichten) sowie der Bedeutung des kosmetischen Ergebnisses als schwierig, und es besteht kein allgemeiner Konsens über den besten therapeutischen Ansatz.13

Behandlungsoptionen umfassen chirurgische Verfahren (Vermillionektomie, Kryotherapie, Laserablation und Mohs-Chirurgie), konservative Methoden (topische Behandlung mit Imiquimod, 5-Fluorouracil, Diclofenac) und photodynamische Therapie (PDT).12–18

Zu den am häufigsten angewandten chirurgischen Behandlungen gehört die Vermillionektomie, ein radikales Verfahren, das die vollständige Entfernung der Lippenmukosa umfasst. Diese Methode ist mit der höchsten Rate an vollständigem Ansprechen verbunden, wobei die Rückfallrate äußerst gering ist, jedoch ist sie eine maximalinvasive Methode. Eine weitere invasive Methode zur Behandlung der AC ist die Laserablation unter Verwendung des Kohlendioxid-Lasers oder des Erbium-dotierten Yttrium-Aluminium-Granat(Er-YAG)-Lasers.12,13,15,16

Unter den konservativen Methoden führte die Anwendung von Imiquimod 5% in 80–100% der Fälle zu einer klinischen Verbesserung und in 73% der Fälle zu einer vollständigen histologischen Regression.15

Die PDT gilt als sehr gute Wahl zur Behandlung aktinischer Keratosen besonders bei großflächigem Befall (Feldkanzerisierung). Dieses nichtinvasive Verfahren nutzt einen Photosensibilisator, der gezielt in präkanzerösen oder malignen Läsionen angereichert wird. Anschließend erfolgt eine Bestrahlung mit Licht einer spezifischen Wellenlänge (600–800nm), um eine zelluläre phototoxische Reaktion auszulösen, die zur Zerstörung der betroffenen Zellen führt. Obwohl die PDT aufgrund ihrer hervorragenden Wirksamkeit in der Therapie der aktinischen Keratosen weit verbreitet ist, variieren die Ergebnisse in der Behandlung der AC beträchtlich. Die Erfolgsraten bei der Anwendung der PDT schwanken zwischen 47% und 80% für 12 Monate nach PDT,19 was zum Teil auf unterschiedliche PDT-Protokolle und Diskrepanzen zwischen der klinischen und histopathologischen Bewertung des Behandlungsergebnisses zurückzuführen ist.15,16 Generell zeigte die PDT bei der AC im Vergleich zu aktinischen Keratosen eine deutlich geringere Erfolgsquote. Dies wird auf eine ungleichmäßige Absorption des topischen Photosensibilisators aufgrund der Verdünnung durch Speichel sowie eine ungleichmäßige Belichtung aufgrund der spezifischen Anatomie der Lippen zurückgeführt.20

In einer prospektiven Studie von Sotiriou et al.wurden 34 Patienten mit histologisch nachgewiesener AC der Grade 1 und 2 eingeschlossen. Die therapeutische Intervention umfasste 2 aufeinanderfolgende Sitzungen Methylaminolävulinat-PDT im Abstand von 2 Wochen, gefolgt von einer 2-wöchigen Ruhephase. Anschließend erfolgte die topische Anwendung von Imiquimod 5% Creme an 3 Tagen pro Woche für 4 Wochen. Die Langzeitergebnisse nach 12 Monaten zeigten eine beeindruckende vollständige klinische Heilungsrate von 80%, welche bei 73% der Patienten histologisch bestätigt werden konnte.19

Spezifischer Therapieansatz

Ein weiterer unserer Ansicht nach vielversprechender Therapieansatz für die Behandlung der AC stellt die Alacare®-PDT dar. Dieser Ansatz zeichnet sich durch eine gezielte Freisetzung des Photosensitizers aus, wodurch die therapeutische Effektivität gesteigert und die Verträglichkeit der Behandlung verbessert wird. Im Gegensatz zur konventionellen PDT, bei der der topische Photosensitizer (5-Aminolävulinsäure oder Methylaminolävulinat) unter einer okklusiven Folie aufgetragen wird, verwendet die Alacare®-Patch-PDT selbstklebende, hautfarbene medikamentöse Pflaster mit einer Fläche von 4cm2. Diese enthalten eine standardisierte Menge an 5-Aminolävulinsäure (ALA) – 8mg 5-Aminolävulinsäure (2mg/cm2) – und werden direkt auf die Läsionshaut aufgebracht – ohne zusätzliche okklusive Verbände. Die guten Therapieergebnisse nach Anwendung der Patch-PDT zur Behandlung der AC wurden in zwei klinischen Studien durch unsere Forschungsgruppe untersucht.17,21 In einer vorausgegangenen retrospektiven Analyse von 11 Patienten mit insgesamt 15 AC-Läsionen, die ein- oder zweimal mittels Alacare®-Patch-PDT behandelt und über einen Zeitraum von einem Jahr nachverfolgt wurden, ergaben sich vollständige klinische Ansprechraten von 80% nach 3 Monaten und 67% nach 12 Monaten, bei einer errechneten Rückfallrate von 17%.17

Aufgrund dieser Ergebnisse setzten wir unsere vorherige Forschungsarbeit mit einer prospektiven Studie an weiteren 21 Patienten fort. Hierbei erhielten alle Patienten lediglich eine PDT, da zuvor kein signifikanter Unterschied in der klinischen Heilungsrate nach einer oder zwei PDT-Expositionen festgestellt werden konnte. Eine vollständige Abheilung der aktinischen Cheilitis bis zu 12 Monate nach lediglich einer Alacare®-Patch-PDT wurde bei 84% der Patienten erreicht, was nahezu identisch mit der Ansprechrate in der vorangegangenen Studie ist.16,19,21

Neben der klinischen Wirksamkeit beobachteten sowohl wir als auch die Patienten selbst gute kosmetische Ergebnisse, darunter eine Verbesserung feiner perioraler Linien, eine Reduktion von Rauheit und Trockenheit sowie eine Zunahme des Lippenvolumens nach der Behandlung.17,21 Diese Veränderungen könnten auf eine Induktion der Kollagensynthese durch die PDT zurückzuführen sein.22,23

Die zunehmende Prävalenz der AC und ihre Assoziation mit UV-Exposition unterstreichen die Notwendigkeit einer verstärkten Aufklärung über Sonnenschutzmaßnahmen und eines breiteren öffentlichen Bewusstseins für die Risiken von Lippenläsionen. Die Weiterentwicklung sowie die Erforschung neuer therapeutischer Ansätze sind von entscheidender Bedeutung, um das Fortschreiten der aktinischen Cheilitis zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

1Ayres S: Chronic actinic cheilitis. J Am Med Assoc 1923; 81(14): 1183-6 2 Warnakulasuriya S et al.: Oral potentially malignant disorders: A consensus report from an international seminar on nomenclature and classification, convened by the WHO Collaborating Centre for Oral Cancer. Oral Dis 2021; 27(8): 1862-80 3 Rodriguez-Archilla A, Irfan-Bhatti A: Risk factors for actinic cheilitis: a meta-analysis. J Dent Res Dent Clin Dent Prospects 2021; 15(4): 285-9 4 Ferreira AM et al.: Prevalence and factors associated with oral potentially malignant disorders in Brazil’s rural workers. Oral Dis 2016; 22(6): 536-42 5 de Oliveira Ribeiro A et al.: Prevalence of and risk factors for actinic cheilitis in Brazilian fishermen and women. Int J Dermatol 2014; 53(11): 1370-6 6 Faria MHD et al.: Actinic cheilitis in rural workers: prevalence and associated factors. Einstein (Sao Paulo) 2022; 20: eAO6862 7 de Souza Lucena EE et al.: Prevalence and factors associated to actinic cheilitis in beach workers. Oral Dis 2012; 18(6): 575-9 8 Moreira P et al.: Social and behavioural associated factors of actinic cheilitis in rural workers. Oral Dis 2021; 27(4): 911-8 9 Rodríguez-Blanco I et al.: Actinic cheilitis prevalence and risk factors: a cross-sectional, multicentre study in a population aged 45 years and over in North-west Spain. Acta Derm Venereol 2018; 98(10): 970-4 10 Dancyger A et al.: Malignant transformation of actinic cheilitis: a systematic review of observational studies. J Invest Clin Dent 2018; 9(4): e12343 11 Lopes MLDS et al.: Clinicopathological profile and management of 161 cases of actinic cheilitis. An Bras Dermatol 2015; 90(4): 505-12 12 Bakirtzi K et al.: Treatment options and post-treatment malignant transformation rate of actinic cheilitis: a systematic review. Cancers (Basel) 2021; 13(13): 3354 13 Trager MH et al.: Actinic cheilitis: a systematic review of treatment options. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021; 35(4): 815-23 14 Varela-Centelles P et al.: Therapeutic approaches for actinic cheilitis: therapeutic efficacy and malignant transformation after treatment. Int J Oral Maxillofac Surg 2020; 49(10): 1343-50 15 Salgueiro AP et al.: Treatment of actinic cheilitis: a systematic review. Clin Oral Investig 2019; 23(5): 2041-53 16 Lai M et al.: Treatments of actinic cheilitis: a systematic review of the literature. J Am Acad Dermatol 2020; 83(3): 876-87 17 Radakovic S, Tanew A: 5-aminolaevulinic acid patch-photodynamic therapy in the treatment of actinic cheilitis. Photodermatol Photoimmunol Photomed 2017; 33(6): 306-10 18 Heppt MV et al.: S3 guideline for actinic keratosis and cutaneous squamous cell carcinoma - short version, part 1: diagnosis, interventions for actinic keratoses, care structures and quality-of-care indicators. J Dtsch Dermatol Ges 2020; 18(3): 275-94 19 Sotiriou E et al.: Sequential use of photodynamic therapy and imiquimod 5% cream for the treatment of actinic cheilitis: a 12-month follow-up study. Br J Dermatol 2011; 165(4): 888-92 20 Berking C et al.: The efficacy of photodynamic therapy in actinic cheilitis of the lower lip: a prospective study of 15 patients. Dermatol Surg 2007; 33(7): 825-30 21 Radakovic S et al.: 5-aminolevulinic acid patch (Alacare) photodynamic therapy for actinic cheilitis: data from a prospective 12-month follow-up study on 21 patients. J Eur Acad Dermatol Venereol 2020; 34(9): 2011-5 22 Zane C et al.: Clinical and echographic analysis of photodynamic therapy using methylaminolevulinate as sensitizer in the treatment of photodamaged facial skin. Lasers Surg Med 2007; 39(3): 203-9 23 Karrer S et al.: Photodynamic therapy for skin rejuvenation: review and summary of the literature--results of a consensus conference of an expert group for aesthetic photodynamic therapy. J Dtsch Dermatol Ges 2013; 11(2): 137-48

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