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ESC/ESVS Guidelines 2017:

Periphere arterielle Verschlusskrankheit – was ist neu?

<p class="article-intro">Das Update der ESC Guidelines<sup>1</sup> wurde 2017 erstmals zusammen mit der Fachgesellschaft der Europäischen Gefäßchirurgen verfasst. Somit konnte ein großer Konsensus in der Diagnostik und Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) geschaffen werden. Im Folgenden möchte ich auf die in den neuen Richtlinien für die Praxis relevanten Punkte eingehen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Wenn wir von PAVK (PAD = &bdquo;peripheral arterial disease&ldquo;) sprechen, beziehen sich die Richtlinien wie schon zuvor (2011) auf alle Gef&auml;&szlig;gebiete, die nicht intrazerebral oder koronar sind oder die Aorta umfassen. Wenn m&ouml;glich soll ein multidisziplin&auml;rer Ansatz in der Diagnostik und Therapie gew&auml;hlt werden. In Gef&auml;&szlig;zentren sollte ein multidisziplin&auml;res Team den jeweiligen Patienten betreuen.</p> <h2>Neue Ans&auml;tze und &Auml;nderungen pro Gef&auml;&szlig;gebiet</h2> <p><strong>Carotisstromgebiet</strong><br /> Als Carotisstenose wird eine Lumeneinengung &gt;50 % bezeichnet. F&uuml;r die Diagnostik ist nach wie vor die Duplexsonografie mit Bestimmung des Stenosegrades nach den NASCET-Kriterien das diagnostische Verfahren der 1. Wahl. Weitere diagnostische Ma&szlig;nahmen (CTA/MRA oder Angiografie) sind nur indiziert, wenn eine Sanierung der Stenose angedacht wird. Unabh&auml;ngig von der Symptomatik ist bei einer Carotisstenose &gt;50 % die Einleitung einer Monotherapie mit einem Pl&auml;ttchenaggregationshemmer indiziert, aufgrund des hohen konkordanten kardiovaskul&auml;ren Risikos.<br /> Hinsichtlich der Sanierung der Carotisstenose wurde die Unterscheidung nach Symptomen gew&auml;hlt:</p> <ol style="list-style-type: lower-latin;"> <li>Eine asymptomatische Stenose mit einem Stenosegrad &gt;60 % und geringem Gesamtrisiko des Patienten kann vorzugsweise chirurgisch saniert werden; ist das Team in endovaskul&auml;ren EIngriffen erfahren, auch mittels Stenting.</li> <li>Ist die Stenose symptomatisch (Symptome &lt;6 Monate, Stenosegrad &gt;50 % ), sollte m&ouml;glichst rasch eine Sanierung angestrebt werden, auch hier wiederum vorzugsweise chirurgisch; ist das Team in endovaskul&auml;ren Eingriffen erfahren, auch mittels Stenting. Wenn der Patient ein hohes Operationsrisiko hat, ist der endovaskul&auml;ren Behandlung der Vorzug zu geben.</li> <li>Eine prophylaktische Behandlung vor aortokoronarer Bypassoperation ist nicht indiziert.</li> </ol> <p><strong>Nierenarterienstenose (NAST)</strong> <br />Ein Screening auf Nierenarterienstenose ist generell nicht n&ouml;tig, sie hat praktisch keinen Einfluss auf die Therapie. Ein Screening hinsichtlich NAST ist nur dann indiziert, wenn ein arterieller Hypertonus vor dem 30. Lebensjahr oder rezidivierende hypertensive Krisen mit Lungen&ouml;dem auftreten oder ein therapierefrakt&auml;rer Hypertonus besteht. Die Diagnosemethode der Wahl ist die Duplexsonografie, eine Nierenszintigrafie ist aufgrund der geringen Aussagekraft nicht mehr indiziert. Sollte eine NAST diagnostiziert werden, ist eine endovaskul&auml;re Therapie nur im Falle einer fibromuskul&auml;ren Hyperplasie indiziert, im Falle einer arteriosklerotischen NAST nur bei rezidivierenden schweren Hypertoniekrisen. In diesem Falle ist ein Stenting der NAST m&ouml;glich. Die weit verbreitete generelle Therapie einer Nierenarterienstenose mittels Stent ist somit kontraindiziert, da kein therapeutischer Benefit zu erwarten ist. <br /><br /><strong>LEAD (AVK der unteren Extremit&auml;tenarterien)</strong><br /> F&uuml;r den Bereich unteren Extremit&auml;tenarterien (LEAD, &bdquo;lower extremity arterial disease&ldquo;) wurden 3 neue Konzepte geschaffen:</p> <ol style="list-style-type: lower-latin;"> <li>Die g&uuml;ltigen Einteilungskriterien nach Symptomatik (Rutherford/Fontaine) bleiben bestehen, aber es wurde die Klassifikation &bdquo;masked LEAD&ldquo; etabliert. Damit wird die Tatsache bezeichnet, dass es asymptomatische Patienten gibt, die f&auml;lschlicherweise als asymptomatisch gelten, weil sie aufgrund ihres Allgemeinzustandes nie ihre Symptome sp&uuml;ren (geriatrische Patienten, Patienten mit Neuropathie, &hellip;). Diese Patienten haben aber das gleiche kardiovaskul&auml;re Risiko wie Patienten mit Claudicatio intermittens.</li> <li>Bei Patienten mit Claudicatio intermittens wurde festgelegt, dass prinzipiell f&uuml;r einen Zeitraum von 3 Monaten ein Gehtraining und eine optimale medikament&ouml;se Therapie eingeleitet werden sollen und im Falle einer dann noch vorhandenen, f&uuml;r den Patienten Lebensstil- limitierenden Claudicatio intermittens eine gef&auml;&szlig;erweiternde Therapie durchzuf&uuml;hren ist. Die Begrenzung der Gehstrecke mit 200m ist somit obsolet. Die Therapie sollte bevorzugt endovaskul&auml;r sein. Des Weiteren wurden die TASC-Kriterien, die Verschlussl&auml;ngen oder Stenosegrade bezeichnen, ebenfalls abgeschafft und es wurde eine Einteilung in kurze oder lange L&auml;sionen gew&auml;hlt. F&uuml;r den Bereich der Beckengef&auml;&szlig;e gilt ein Cut-off von 5cm, im Bereich der Oberschenkelarterien von 25cm.</li> <li>Ein weiterer neuer Terminus betrifft die kritische Extremit&auml;tenisch&auml;mie, die nun als CLTI (&bdquo;critical limb threatening ischemia&ldquo;) bezeichnet wird. Zur besseren Quantifizierung der Bedrohung der Extremit&auml;t wird der WIFI-Score gew&auml;hlt, in diesem flie&szlig;en h&auml;modynamische Parameter (Doppler-Index), Wundverh&auml;ltnisse und der Grad der Infektion zusammen. Der Doppler-Index alleine gilt somit nicht mehr zur Bestimmung des Risikos des Grades der Isch&auml;mie bei bedrohter Extremit&auml;t. Jeder Patient mit einer CLTI muss rasch revaskularisiert werden, bevorzugt endovaskul&auml;r. Die Abkl&auml;rung der Gef&auml;&szlig;situation muss mittels Angiografie in Interventionsbereitschaft durchgef&uuml;hrt werden. Eine Amputation ohne vorherige Abkl&auml;rung durch einen Angiologen oder Gef&auml;&szlig;chirurgen ist obsolet und kontraindiziert.</li> </ol> <h2>Antithrombotische Therapie</h2> <p>Ein neues Kapitel und eigenst&auml;ndig ist der Bereich der antithrombotischen Therapie bezogen auf das jeweilige Gef&auml;&szlig;stromgebiet. Da im Bereich der einzelnen Gef&auml;&szlig;stromgebiete unterschiedliche Evidenz hinsichtlich der antithrombotischen Therapieoptionen besteht, wurde hier f&uuml;r das Karotisstromgebiet sowie f&uuml;r den Bereich LEAD und f&uuml;r Patienten mit einer zwingenden Indikation f&uuml;r eine orale Antikoagulation (Vorhofflimmern) ein Entscheidungsalgorithmus festgelegt (Abb. 1&ndash;3).</p> <ol style="list-style-type: lower-latin;"> <li>Die Initiierung einer antithrombotischen Therapie mit Thrombozytenfunktionshemmern sollte sehr genau abgewogen werden, sie kann bei asymptomtischen Patienten nicht generell indiziert werden, da auch bei Monotherapie das Blutungsrisiko relevant erh&ouml;ht ist. Wenn eine Therapie indiziert wird, dann sollte sie bevorzugt mit Clopidogrel durchgef&uuml;hrt werden.</li> <li>Eine duale Therapie mit Aspirin und Clopidogrel sollte generell nach endovaskul&auml;rer Therapie nur f&uuml;r 1 Monat indiziert werden, au&szlig;er es werden spezielle Therapieverfahren angewandt. Nach chirurgischen Eingriffen ist eine Monotherapie indiziert.</li> <li>Sollte der Patient Vorhofflimmern aufweisen, ist bei stabilen Patienten ohne rezente endovaskul&auml;re Therapien oder chirurgische Sanierungen eine orale Antikoagulation indiziert. Wird der Patient mit einem NOAC therapiert, ist diese Therapie weiterzuf&uuml;hren. Eine additive thrombozytenfunktionshemmende Therapie ist vom Blutungsrisiko abh&auml;ngig.</li> </ol> <p>Diese kurze Aufstellung ist, wie in der Einleitung erw&auml;hnt, nur ein Auszug aus den neu adaptierten Richtlinien f&uuml;r die Diagnostik und Therapie der PAVK. Nachzulesen sind die vollst&auml;ndigen Richtlinien auf der Homepage der ESC: www.escardio.org</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s18_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1360" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s18_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="1473" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s18_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="1310" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Aboyans V et al.; for the ESC Scientific Document Group: 2017 ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS): Document covering atherosclerotic disease of extracranial carotid and vertebral, mesenteric, renal, upper and lower extremity arteries. Endorsed by: the European Stroke Organization (ESO), The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases of the European Society of Cardiology (ESC) and of the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur Heart J 2018; 39(9): 763-816. doi: 10.1093/eurheartj/ehx095</p> </div> </p>
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