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Behandlung mit Mavacamten: Was haben wir nach einem Jahr gelernt?
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Seit mehr als einem Jahr steht in der Schweiz eine ursächliche und spezifisch wirksame medikamentöse Therapie zur Behandlung der hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) zur Verfügung, die von jeder Kardiologin und jedem Kardiologen* begonnen werden kann. Am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie tauschten sich Kardiologinnen und Kardiologen aus den Zentrumsspitälern und aus Arztpraxen am Satellite Atelier über ihre bisherigen Behandlungserfahrungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Therapie aus.
Die vielleicht wichtigste Message in Bezug auf die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist: Es handelt sich um keine seltene Erkrankung. Die weltweite Prävalenz liegt bei 1:200 bis 1:500.1 «Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass man eine Patientin oder einen Patienten mit dieser Krankheit in der Praxis sieht», sagte PD Dr. med. Annina Vischer vom Universitätsspital Basel. Damit bei den häufig auftretenden klinischen Präsentationen wie Herzinsuffizienz oder Arrhythmien die HCM als Ursache nicht vergessen wird, ist ein «cardiomyopathy mindset» erforderlich, heisst es in den Guidelines von 2023.2
Der erste Schritt in der Diagnostik ist die Echokardiografie. Diese gibt Auskunft über funktionelle und morphologische Myokardveränderungen, einschliesslich des Vorhandenseins einer Obstruktion im linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT-Obstruktion). Bei etwa zwei Dritteln der HCM-Patient:innen findet sich eine LVOT-Obstruktion; davon die Hälfte in Ruhe und die Hälfte unter Belastung.3 Wie eine Studie zeigt, ist das Risiko für eine Herzinsuffizienz bei einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) erhöht.3 «Deshalb ist es wichtig, mittels Provokation danach zu suchen», sagte PD Dr. Vischer.
Mit dem spezifischen reversiblen Myosin-Inhibitor Mavacamten (CAMZYOS®) steht erstmals eine medikamentöse Therapie für die HOCM zur Verfügung.4 In Studien konnte gezeigt werden, dass die Therapie mit Mavacamten die LVOT-Obstruktion reduziert und die Leistungsfähigkeit sowie die klinische Symptomatik bei HOCM verbessert.5 Die verminderte Hyperkontraktilität und verbesserte Relaxation des Herzmuskels reduzieren die Steifigkeit und normalisieren die Pumpfunktion.6,7 Eine Studie mit HOCM-Patient:innen, die die Kriterien für eine Septumreduktionstherapie (SRT) erfüllten zeigte, dass im Behandlungsverlauf deutlich weniger Patient:innen noch für eine SRT infrage kamen.8 Das gute Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil von Mavacamten wurde in der laufenden Langzeitanalyse MAVA-LTE über 180 Wochen bestätigt.9 Die «2023 ESC Guidelines for Cardiomyopathies» empfehlen Mavacamten als Second-line-Therapie vor einer SRT für Patient:innen, die unter der Behandlung mit Betablocker oder Verapamil bzw. Diltiazem weiterhin symptomatisch sind (Kl.IIa, Evidenzgrad A).2
Zwei Fälle aus der Praxis
Fall Nr. 1
Bei diesem Fall handelte es sich um eine 36-jährige Patientin, die sich 2019 mit persistierenden thorakalen Schmerzen auf dem Notfall präsentierte. In der Echokardiografie zeigten sich eine signifikante LVOT-Obstruktion (Spitzengradient von 67mmHg), eine basale Septumhypertrophie des linken Ventrikels (16mm), ein «systolic anterior movement» (SAM) des Mitralsegels und sekundär eine moderate Mitralinsuffizienz (MI). Die Belastungskapazität der Patientin war mit einer Dauer von 5 Minuten und 75% vom Sollwert reduziert. Im MRT fanden sich typische Zeichen für eine HOCM. Die anschliessend initiierte Behandlung mit Bisoprolol (1x tgl. 5mg) führte zu einer Abnahme des Gradienten in Ruhe und unter Valsalva.
2021 erlitt die Patientin eine Synkope, nachdem sie zuvor aus Compliance-Gründen die Therapie gestoppt hatte. Der LVOT-Spitzengradient in Ruhe betrug 142mmHg resp. 146mmHg unter Valsalva, zudem zeigte sich eine schwere MI. Unter der fortgesetzten Behandlung mit Bisoprolol (1x tägl. 5mg) kam es zu einer leichten Verbesserung. Eine Auftitrierung wurde von der Patientin nicht toleriert, das Gleiche galt für einen Behandlungsversuch mit Verapamil. Unter der im weiteren Verlauf begonnenen Therapie mit Disopyramid (2x tägl. 100mg) plus Bisoprolol (1x tägl. 7,5mg) zeigte die Patientin eine anhaltend schwere LVOT-Obstruktion (118/128mmHg in Ruhe/unter Valsalva) und eine unverändert schwere MI. Erst der Therapiebeginn mit Mavacamten (CAMZYOS®) führte zu einer Abnahme des LVOT-Gradienten und der Symptome sowie zu einer deutlichen Zunahme der Belastbarkeit (11 Minuten, 127% «predicted»). Die gemäss Behandlungsschema vorgeschriebene Dosisreduktion auf 2,5mg Mavacamten bei einem LVOT-Gradienten ≥20mmHg nach acht Wochen führte zu einem leichten «Rebound»-Effekt der Obstruktion und konsekutiv zu einer Dosisanpassung auf zunächst 5mg täglich, im weiteren Verlauf auf 10mg täglich. Darunter nahm der LVOT-Gradient auf 6/7mmHg ab, die MI war moderat und die LVEF (linksventrikuläre Auswurffraktion) betrug 57%. Besonders beeindruckend war gemäss dem Referenten Dr. med. Yakup Yakupoglu aus Aarau die Abnahme der Septumdicke und des LAVI (linksatrialer Volumenindex) unter der Therapie mit Mavacamten, und auch die intraventrikulären Erregungsleitungsstörungen waren nicht mehr nachweisbar.
Fall Nr. 2
Eine 83-jährige Patientin, bei der vor rund zehn Jahren (2011) eine HCM diagnostiziert worden war, stellte sich 2020 wegen rekurrierender Synkopen in der Klinik vor. Die Ereignisse waren nach schweren Mahlzeiten, bei körperlicher Anstrengung, aber auch im Sitzen aufgetreten. Die Echokardiografie zeigte eine septale Hypertrophie mit einem SAM des elongierten anterioren Mitralsegels, eine MI und eine LVOT-Obstruktion. Die im gleichen Jahr durchgeführte Alkohol-Septumablation war initial erfolgreich. Zwei Monate nach der Intervention betrug der LVOT-Gradient 16/16mmHg.
Im weiteren Verlauf kam es zu einem erneuten Anstieg des LVOT-Gradienten, weshalb eine medikamentöse Therapie mit Bisoprolol 7,5mg 1x täglich begonnen wurde. Im Dezember 2021 betrug der LVOT-Gradient unter dieser Therapie 22/114mmHg, der Blutdruck und die Herzfrequenz waren mit 112/68mmHg und 52bpm niedrig. Weitere Synkopen waren nicht mehr aufgetreten, aber die Patientin litt nach wie vor unter einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit und Dyspnoe, wie Dr. med. Helena Hammer, HerzGefässZentrum Im Park und Herzpraxis Stadelhofen in Zürich, berichtete.
Im Mai 2023 wurde die Frau mit einer akuten Herzinsuffizienz mit Lungenödem und einer schweren LVOT-Obstruktion im Rahmen eines Ileus hospitalisiert. Etwa drei Wochen nach der Spitalentlassung wurde sie erneut wegen anhaltender Dyspnoe und Belastungsintoleranz vorstellig. Unter der anschliessend begonnenen Therapie mit Mavacamten 1x täglich 5mg war die LVOT-Obstruktion nach acht Wochen regredient, der LVOT-Gradient betrug 10/25mmHg. Die klinische Symptomatik hatte sich verglichen mit dem Echokardiografiebefund jedoch kaum verbessert. Etwa zwölf Wochen nach dem Therapiebeginn hatte sich die NYHA-Klasse von II–III auf I verbessert. Die Patientin berichtete, dass es ihr viel besser gehe und sie kleine Wanderungen unternehmen könne. Der Echokardiografiebefund war unverändert gut.
Management von Patient:innen mit HOCM
Die anschliessende Diskussion drehte sich zunächst darum, in welchem Zeitraum ein Therapieansprechen unter Mavacamten zu erwarten ist. Gemäss den beiden Expertinnen PD Dr. med. Annina Vischer vom Universitätsspital Basel und PD Dr. med. Christiane Gruner vom universitären Herzzentrum in Zürich kommt es bei der Mehrheit der Patient:innen innerhalb von vier bis acht Wochen zu einer Abnahme des LVOT-Gradienten. Dies entspreche auch den Erfahrungen aus der EXPLORER-HCM- und der VALOR-HCM-Studie.7,8 «Aus meiner Sicht ist die Reaktion von der Erkrankungsdauer und vom Ausmass der Hypertrophie abhängig», sagte Gruner. «Wenn sich der LVOT-Gradient nach zwölf Wochen nicht verbessert, ist womöglich eine Dosiserhöhung notwendig.» Hinsichtlich der klinischen Symptome gab es unterschiedliche Beobachtungen: Während es bei manchen Patient:innen einige Zeit dauerte, bis nach der Abnahme des LVOT-Gradienten eine Verbesserung der NYHA-Klasse auftrat, gab es auch Patient:innen, bei denen eine deutliche Besserung der klinischen Symptomatik bereits bei der ersten Kontrolle (vier Wochen nach Initiierung von Mavacamten) zu beobachten war.
Ein wichtiger Diskussionspunkt war auch die Frage, wo die Patient:innen behandelt werden sollten. Die Einstellung mit Mavacamten ist nach der Kostengutsprache sowohl bei niedergelassenen Kardiolog:innen als auch im Spitalsetting möglich. Spitäler, die bereits Erfahrungen mit Mavacamten gesammelt haben, streben vermehrt ein geteiltes Patient:innenmanagement an, um die Behandlung und die Kontrollen an niedergelassene Kardiolog:innen zu übergeben. «Mit diesem Modell habe ich gute Erfahrungen gemacht», berichtete PD Dr. Vischer.
«Die Kriterien für eine Therapie mit Mavacamten sind klar definiert und die Therapie ist gut verträglich», sagte Dr. Hammer. Eine Herausforderung ist das engmaschige Follow-up. Bis zur 12. Behandlungswoche ist alle vier Wochen eine Kontrolle notwendig. «Vielen Patient:innen geht es mit der Therapie schlagartig besser, sie sind unternehmungslustiger und viel unterwegs», berichtete Dr. Hammer. Die Behandlung müsse deshalb von Anfang an gut und zusammen mit den Patient:innen geplant werden.
* nach vorhergehender Kostengutsprache
Quelle:
Satellite Atelier: «Big Hearts–Bigger Responsibility» der Firma Bristol Myers Squibb SA im Rahmen der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie, 19. bis 21. Juni 2024, Lausanne
Literatur:
1 Maron BJ et al.: Diagnosis and evaluation of hypertrophic cardiomyopathy: JACC state-of-the-art review. J Am Coll Cardiol 2022; 79: 372-89 2 Arbelo E et al.: 2023 ESC guidelines for the management of cardiomyopathies. Eur Heart J 2023; 44: 3503-626 3 Rowin E et al.: Role of exercise testing in hypertrophic cardiomyopathy. JACC Cardiovasc Imaging 2017; 10: 1374-86 4 Fachinformation CAMZYOS®. Abrufbar unter: www.swissmedicinfo.ch 5 Olivotto I et al.: Mavacamten for treatment of symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy (EXPLORER-HCM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2020; 396: 759-69 6 Nag S et al.: Mavacamten, a precision medicine for hypertrophic cardiomyopathy: from a motor protein to patients. Sci Adv 2023; 9(30): eabo7622 7 Ho CY et al.: Study design and rationale of EXPLORER-HCM: evaluation of mavacamten in adults with symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy. Circ Heart Fail 2020; 13(6): e006853 8 Desai MY et al.: Myosin inhibition in patients with obstructive hypertrophic cardiomyopathy referred for septal reduction therapy. J Am Coll Cardiol 2022; 80: 95-108 9 Garcia-Pavia P et al.: Long-term effect of mavacamten in obstructive hypertrophic cardiomyopathy. Eur Heart J 2024 Sep 1. Epub ahead of print. PMID: 39217450.
Die Referenzen werden auf Anfage von Bristol Myers Squibb zur Verfügung gestellt.
Kurzfachinformation
Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Für weitere Informationen, siehe Fachinformation CAMZYOS® (Mavacamten) auf www.swissmedicinfo.ch.
CAMZYOS® (Mavacamten). WWH: Kann Herzinsuffizienz aufgrund systolischer Dysfunktion auslösen. Echokardiografische Untersuchungen der LVEF vor und während Anwendung erforderlich. Behandlungsbeginn bei LVEF <55% nicht empfohlen. Behandlungsunterbruch bei LVEF <50% oder Verschlechterung des klinischen Zustands. Vorsicht bei gleichzeitiger Gabe von bestimmten CYP450-Inhibitoren und -Induktoren wegen Herzinsuffizienzrisiko geboten. I: Behandlung erwachsener Patienten mit symptomatischer (NYHA II-III) obstruktiver hypertropher Kardiomyopathie zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und assoziierter Symptome. D: 2,5 mg, 5 mg, 10 mg oder 15 mg 1x/d. Die empfohlene Initialdosis beträgt 5 mg 1x/d, die Maximaldosis beträgt 15 mg 1x/d. Die Initiierung oder Auftitrierung von CAMZYOS® bei Patienten mit LVEF <55% ist nicht empfohlen. Eine regelmässige Bewertung des LVEF und des LVOT-Gradienten unter Valsalva ist für eine sorgfältige Titration erforderlich, um eine LVEF ≥50% aufrechtzuerhalten und einen angemessenen Ziel-Valsalva-LVOT-Gradienten zu erreichen. Für Titrationshinweise während der Initiierungs- und Erhaltungsphase, Dosisanpassungen bei gleichzeitiger Gabe anderer Arzneimittel und bei Behandlungsunterbruch siehe Fachinformation. Bei LVEF <50% während der Behandlung mit CAMZYOS®, muss die Behandlung unterbrochen werden. KI: Überempfindlichkeit gegen Wirkstoff oder Hilfsstoffe. Schwangerschaft. W/VM: Mavacamten verringert LVEF und kann Herzinsuffizienz durch systolische Dysfunktion auslösen. Patienten, die an schwere interkurrente Erkrankungen (schwere Infektionen oder Herzrhythmusstörungen) oder sich einer grösseren Herzoperation unterziehen, können ein höheres Risiko einer systolischen Dysfunktion oder Herzinsuffizienz haben. Asymptomatische LVEF-Reduktion, interkurrente Erkrankungen (z.B schwere Infektionen) und Arrhythmien bei der Dosierung berücksichtigen. Regelmässige Beurteilung des klinischen Zustands vor und während der Behandlung mit CAMZYOS®. IA: Bei Initiierung, Absetzen oder Dosisanpassung einer gleichzeitiger Anwendung mit starkem CYP2C19-Inhibitor wird Dosisanpassung von Mavacamten und/oder zusätzliche klinische Kontrolle empfohlen. Diese sollten in Betracht gezogen werden bei moderatem oder schwachem CYP2C19- oder starkem oder moderatem CYP3A4-Inhibitor. Bei Absetzen oder Dosisreduktion der gleichzeitigen Behandlung mit starkem CYP2C19- oder CYP3A4-Induktor, werden zusätzliche klinische Kontrollen empfohlen. Diese sollten in Betracht gezogen werden bei Initiierung oder Dosiserhöhung des Induktors. Intermittierende Gabe von CYP2C19-Hemmer, starkem CYP2C19-Induktor, starkem oder moderatem CYP3A4-Hemmer oder starkem CYP3A4-Induktor wird nicht empfohlen. UAW: Schwindel, Herzinsuffizienz, systolische Dysfunktion (LVEF < 50%). P: Hartkapseln zu 2,5 mg, 5 mg, 10 mg oder 15 mg: 28. (B). ZI: Bristol-Myers Squibb SA, Hinterbergstrasse 16, 6312 Steinhausen. Ausführliche Informationen siehe Arzneimittel-Fachinformation unter www.swissmedicinfo.ch. (V002)
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