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Schlaganfall und Demenz

Was im Alter Epilepsie verursachen kann

Während Epilepsien bei Kindern und jüngeren Erwachsenen meist einen idiopathischen oder genetischen Hintergrund haben, treten mit zunehmendem Alter immer häufiger sekundäre Anfälle auf. Diese können beispielsweise die Folge von Schlaganfällen sein. Intensiv beforscht werden auch Assoziationen von Epilepsien und Demenzerkrankungen. In dieser Hinsicht dürften vor allem spät im Leben auftretende Anfälle problematisch sein.

Epilepsien betreffen rund 0,8% der österreichischen Bevölkerung (in der Schweiz ist ebenfalls rund 1% der Bevölkerung betroffen) und zeigen einen Inzidenzverlauf mit zwei Gipfeln: einen in der frühen Kindheit, den zweiten im höheren Alter, ab etwa dem 75. Lebensjahr. Fast 70% der Epilepsiefälle werden als idiopathisch/kryptogenetisch eingestuft. Allerdings liegt bei 11% der Fälle eine zerebrovaskuläre Epilepsie zugrunde. Diese Epilepsien traten naturgemäss gehäuft im späteren Leben auf, wie unter anderem eine Studie aus den 1990er-Jahren zeigt.1 Rezentere Daten liefern ein sehr ähnliches Bild mit 9% Epilepsien infolge einer zerebrovaskulären Erkrankung.2 In der Altersgruppe der über 60-Jährigen sind laut mehreren Studien zwischen 35 und 50% der neu aufgetretenen Epilepsien durch vaskuläre Probleme verursacht.3

Bei den Post-Stroke-Epilepsien unterscheidet man zwischen provozierten Anfällen, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Schlaganfall auftreten (Frühanfälle innerhalb von sieben Tagen nach dem zerebrovaskulären Ereignis), und unprovozierten Anfällen, die in keinem Zusammenhang zu einer akuten systemischen Veränderung oder einer akuten Schädigung des ZNS stehen, so Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Serles von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien, der jedoch auch darauf hinweist, dass diese Unterscheidung relativ arbiträr getroffen wurde. Darüber hinaus gibt es Spätanfälle, die sich mehr als eine Woche nach einem Schlaganfall einstellen und mit der neuronalen Reorganisation in Verbindung gebracht werden.

Zur Inzidenz von Früh- und Spätanfällen liegen aus unterschiedlichen Studien unterschiedliche Zahlen vor. Aus den Studien ergibt sich ein relativ einheitliches Bild mit einer hohen Inzidenz in den ersten beiden Jahren und einer danach abflachenden Kurve. Serles beziffert die kumulative Inzidenz fünf Jahre nach einem ischämischen Insult mit 8% und fünf Jahre nach einer intrakraniellen Blutung mit 12%.

Spätanfälle nach Schlaganfall sollen als Epilepsie behandelt werden

Tritt ein Spätanfall auf, so bedeutet dies, dass eine entsprechende Läsion im Gehirn vorhanden sein muss, damit eine Epilepsie diagnostiziert werden kann. Das Rezidivrisiko ist bei Frühanfällen sehr niedrig, bei Spätanfällen hingegen sehr hoch, was eine entsprechende Therapie erforderlich macht. Dementsprechend empfehlen die DGN-Leitlinien nach einem Frühanfall zunächst keine Therapie. Wird eine Therapie begonnen, so soll im weiteren Verlauf versucht werden, diese wieder zu reduzieren und abzusetzen. Ausnahme sind Patient:innen mit besonders hohem individuellem Risiko. Dieses kann anhand von Scores berechnet werden. Der SELECT-Score gibt das Epilepsierisiko nach ischämischem Schlaganfall an. Berücksichtigt werden die Schwere des Insults, Atherosklerose grosser Gefässe, frühe Anfälle, kortikale Beteiligung sowie eine Lage des Infarkts im Stromgebiet der Arteria cerebri media.4

Das Risiko von Spätanfällen nach einer intrazerebralen Blutung kann mittels des CAVE-Scores berechnet werden. Ausschlaggebende Parameter sind dabei kortikale Beteiligung, Alter unter 65 Jahren, Volumen der Blutung über 10ml sowie frühe Anfälle.5

Möglicherweise kann durch eine adäquate Behandlung nach einem Frühanfall das Risiko der Entwicklung einer Epilepsie reduziert werden. Entsprechende Evidenz ist allerdings wenig vorhanden. Serles weist auf die 2022 publizierte PEACH-Studie hin, in der 50 Patient:innen mit intrazerebralen Blutungen in der Akutphase mit Levetiracetam behandelt wurden, wobei das EEG monitiert wurde. Die Studie wurde aufgrund von Rekrutierungsproblemen infolge von Covid 19 abgebrochen, konnte jedoch die Sicherheit der Behandlung zeigen. Mehrere Studien zur Prävention von Epilepsie nach Schlaganfall sind aktuell im Laufen.6

Schwache Assoziationenvon Epilepsie mit Demenz

Ebenfalls seit Langem beschrieben sind Assoziationen von Epilepsien und Demenz. So zeigt eine vor rund 20 Jahren publizierte Arbeit bei Patient:innen mit unterschiedlichen Formen von Epilepsie über eine definierte Beobachtungszeit einen gewissen kognitiven Abbau, wobei unter Therapie anfallsfreie Patient:innen besser abschnitten als Patient:innen, die nach wie vor Anfälle hatten. Betroffen waren das verbale und das figurale Gedächtnis, nicht jedoch die Wortflüssigkeit oder die Aufmerksamkeit. Operierte Patient:innen waren aus dieser Studie ausgeschlossen.7

Prof. Dr. med. Gerhard Ransmayr, Facharzt für Neurologie in Linz, betont in diesem Zusammenhang, dass die Ergebnisse sehr breit gestreut und daher auf individuelle Fälle schwer anwendbar sind. Umfangreiche, zum Teil in Österreich durchgeführte Forschung zeige für die Temporallappenepilepsie, dass Demenz, wenn überhaupt, erst spät auftritt.

Ein Review von fünf Studien zu Demenz bei älteren Patient:innen mit Epilepsie fand neurokognitive Defizite in mehreren Domänen, leichte kognitive Einschränkungen (MCI), allerdings bei der Mehrzahl der Patient:innen keine Demenz. Polytherapie erwies sich dabei als ungünstiger Prognosefaktor im Hinblick auf kognitive Leistung. Die Datenlage ist allerdings schlecht, mit kleinen Fallzahlen, kaum Longitudinaldaten und vielen offenen Fragen im Hinblick auf Komorbiditäten.8

Eine Studie mit älteren Patient:innen und einer Epilepsiedauer von durchschnittlich zehn Jahren fand bei 56% der Kohorte kognitive Einschränkungen. Bei gesunden Kontrollen war dies lediglich bei 28% der Fall. Ransmayr betont jedoch, dass die statistischen Unterschiede zwischen Patient:innen und Kontrollen hauptsächlich durch einzelne Individuen mit sehr schlechten Werten getrieben wurden, während beim Gros der untersuchten Personen die Differenzen klinisch vermutlich nicht von Bedeutung waren.9

Intensiv beforscht werden mögliche Assoziationen zwischen Epilepsien und Alzheimerdemenz. Epidemiologische Daten zeigen, dass spät im Leben auftretende Epilepsien ein Prädiktor einer Alzheimererkrankung sein können. Eine häufig unterschätzte Rolle spielen im Alter posttraumatische Epilepsien infolge von Stürzen. Hier besteht eine naheliegende Assoziation zu Demenz, die nach Schädel-Hirn-Trauma ebenfalls gehäuft auftritt.10 Alles in allem dürften Epilepsien bei der Entstehung von Demenzen keine grosse Rolle spielen. Ransmayr weist auf Daten eines deutschen Epilepsiezentrums hin, die zeigen, dass nur bei 0,25% der am Zentrum behandelten Epilepsiepatient:innen eine Demenz vorlag.11

Gemeinsame Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Epileptologie und der Österreichischen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung, 26. und 27. April 2024 in Wien

1 Annegers JF et al.: Mayo Clin Proc 1996; 71(6): 570-5 2 Olfasson E et al.: Lancet Neurol 2005; 4(10): 627-34 3 Hauser WA et al.: Epilepsia 1993; 34(3): 453-68 4 Galovic M et al.: Lancet Neurol 2018; 17(2): 143-52 5 Haapaniemi E et al.: Stroke 2014; 45(7): 1971-6 6 Peter-Derex L et al.: Lancet Neurol 2022; 21(9): 781-91 7 Helmstaedter C et al.: Ann Neurol 2003; 54(4): 425-32 8 Sen A et al.: Brain 2018; 141(6): 1592-608 9 Chai X et al.: Epileptic Disord 2023; 25(1): 65-73 10 Schneider ALC et al.: JAMA Neurol 2024; 81(4): 346-53 11 Helmstaedter C et al.: Front Neurol 2023; 14: 1217594

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