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Vorhofflattern
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Bernd Eber
Ambulantes kardiologisches Rehabilitationszentrum Cardio Vital Wels<br> E-Mail: ordination.eber@gmail.com<br> www.prof-eber.at
30
Min. Lesezeit
31.05.2017
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<p class="article-intro">Mit einer Prävalenz von 0,4–1,2 % bei hospitalisierten Patienten ist das Vorhofflattern (VF) nach dem Vorhofflimmern die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Es wird zum Formenkreis der supraventrikulären Tachykardien gezählt<sup>1</sup> und ist Thema unserer aktuellen Serie EKG.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Beim Vorhofflattern (VF) liegt eine Makro-Reentry- Tachykardie vor. Das VF kann anfallsartig (paroxysmal), intermittierend und permanent sein.</li> <li>Betroffene beschreiben Herzklopfen bzw. -stolpern und Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit und Atemnot, Leistungseinschränkungen und Polyurie.</li> <li>Erregungen präsentieren sich im EKG beim typischen VF als negative Flatterwellen, erkennbar in den diaphragmalen Ableitungen II, III und aVF.</li> <li>Hochfrequenzstromablation ist das Mittel der ersten Wahl bei VF bei rezidivierender Symptomatik oder relevanter Hämodynamik.</li> <li>Mittel der Wahl bei medikamentöser Ablation ist Ibutilid</li> </ul> </div> <h2>Pathologie</h2> <p>Pathophysiologisch liegt beim VF eine Makro-Reentry-Tachykardie mit einer Frequenz von etwa 250–350/min vor. Man unterscheidet sowohl zwischen einem anfallsartigen (paroxysmalen), intermittierenden und permanenten VF als auch – aufgrund der unterschiedlichen Entstehung – zwischen einem typischen und einem atypischen VF. Meist befindet sich der Ursprung der Pathologie im rechten Vorhof. Hier entsteht um den Trikuspidalklappenanulus eine kreisende Erregung, ein Reentry-Mechanismus.<sup>2</sup> Anatomisch befindet sich die auslösende Engstelle (Isthmus) zwischen der Trikuspidalklappe, der Mündung der unteren Hohlvene und dem Koronarsinus; dies wird als typisches isthmusabhängiges VF bezeichnet. Beim selteren isthmusunabhängigen, atypischen VF liegt eine Makro-Reentry-Tachykardie vor, die um eine zurückgebliebene Narbe kreist, welche nach Operationen am Herzen oder anderen Maßnahmen, wie etwa nach vorheriger Ablation eines Vorhofflimmerns, entstanden ist.<sup>1</sup> Ein VF wird anders als das Vorhofflimmern seltener durch vorherige kardiovaskuläre Erkrankungen ausgelöst. Grunderkrankungen können Aorten- oder Mitralklappenvitien, die koronare Herzkrankheit oder Entzündungen sein.<sup>3</sup> Zudem ist das Risiko, ein VF im Rahmen einer chronisch- obstruktiven Lungenerkrankung oder nach einer Herzoperation zu entwickeln, erhöht.</p> <h2>Anamnese und Diagnosestellung</h2> <p>Anamnestisch berichten Betroffene meist von Herzklopfen bzw. -stolpern und Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit und Atemnot, Leistungseinschränkungen und Polyurie. Symptome werden jedoch vorwiegend bei den paroxysmalen Formen beschrieben, variieren zudem auch je nach Frequenz und lösen oftmals Ängste bei den Patienten aus. Häufig verläuft das VF aber asymptomatisch. In der physikalischen Untersuchung können einzelne Herzaktionen ohne einhergehenden Pulsschlag mit dem Stethoskop hörbar sein (= Pulsdefizit).</p> <p>Gestellt wird die Diagnose mittels EKG, und zwar anhand seines typischen Erscheinungsbilds, der charakteristischen regelmäßigen und gleichmäßig konfigurierten Flatterwellen (Abb. 1). Diese Flatterwellen sind ein Ausdruck von abnormer Vorhoferregung und werden wegen der entstandenen Zackenlinie bei der EKGBefundung als „Sägezahnmuster“ beschrieben. In den meisten Fällen geht das VF mit einem AV-Block II einher. Dieser sogenannte partielle AV-Überleitungsblock stellt dabei eine wichtige Schutzfunktion dar.<sup>4</sup> Er verhindert die Überleitung von der im Vorhof vorliegenden schnellen Frequenz auf die Kammer und somit die Ausbildung prognostisch und symptomatisch maligner ventrikulärer Herzrhythmusstörungen, wie etwa Kammerflattern.<sup>2</sup> Der AV-Knoten bremst die Frequenz und nur jede zweite oder dritte Vorhoferregung wird durchgelassen. Somit entsteht eine gewisse Regelmäßigkeit und man spricht je nach Verhältnis beispielsweise von einer 2:1- oder 3:1-Überleitung. Auch bei einer wechselnden Überleitungsfrequenz ist eine gewisse Grundrhythmik erkennbar und daher ist die Frequenz im Vergleich zum Vorhofflimmern nicht absolut arrhythmisch. Der folgende Kammerkomplex präsentiert sich im EKG aufgrund der weiteren normalen Erregungsleitung in seiner gewohnt schmalen Form.<sup>4</sup><br /> Eine Differenzierung zwischen typisch und atypisch ist aufgrund der unterschiedlichen Herkunft mittels EKG möglich. Durch die Ausbreitung von kaudal nach kranial präsentieren sich die Erregungen beim typischen VF als negative Flatterwellen, vorwiegend erkennbar in den diaphragmalen Ableitungen II, III und aVF. Beim selteneren atypischen VF, ausgelöst durch hochfrequente ektope Erregungsausbildungen im Vorhof, zeigt sich das „Sägezahnmuster“ durch die kranio-kaudale Ausbreitung der Erregung in den Ableitungen II, III, aVF positiv.<sup>4</sup></p> <p>Ist eine EKG-Beurteilung nicht eindeutig möglich (2:1-Überleitung), kann durch eine vorübergehende Blockierung des AVKnotens, durch eine Karotismassage, ein Vasalva-Manöver oder medikamentös mit Adenosin (i.v.) ein VF demaskiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1702_Weblinks_ka1702-seite64_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="954" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Im Fokus der Therapie des VF sollten trotz seines oft asymptomatischen Verlaufs wie beim Vorhofflimmern die Rhythmus- und Frequenzkontrolle sowie die Reduktion des Risikos für die Entwicklung einer Thromboembolie stehen. In den letzten Jahren hat sich die Hochfrequenzstromablation mittels Katheter als Mittel der ersten Wahl bei VF mit rezidivierender Symptomatik oder relevanter Hämodynamik etabliert.<sup>5, 6</sup> Mittels Ablation ist es möglich, sowohl die Entstehung eines Kammerflatterns als auch den Übergang in ein Vorhofflimmern mit höheren Frequenzen zu unterbinden. Beim typischen VF wird das pathologische Gewebe verödet. Mit dieser Behandlungsform konnten wie beim Vorhofflimmern hohe Erfolgsraten (>90 % ) verzeichnet werden.<sup>1, 2</sup> Die Rezidivrate wird mit 10–15 % angegeben. Schwieriger erweist sich die Ablationsbehandlung eines atypischen VF, bei dem zuerst der Ursprung der kreisenden Erregung durch ein „dreidimensionales Mapping“ lokalisiert werden muss.<sup>1</sup></p> <p>Bei Akutfällen erfolgt eine Konversion in den Sinusrhythmus mithilfe einer medikamentösen oder elektrischen Kardioversion. Die hohe Konversionsrate bei der elektrischen Kardioversion ist unumstritten, die Meinungen zu der von den Guidelines empfohlenen Joules-Angabe für die Schockabgabe differenzieren jedoch. Reisinger et al raten je nach Art und Dauer der atrialen Tachykardie und auch zwischen mono- und biphasischer Defibrillation zu unterscheiden und empfehlen bei einer transthorakalen elektrischen Defibrillation eines VF eine initiale biphasische Schockabgabe mit 50J, bei Vorhofflimmern, je nach Dauer der Rhythmusstörung, 100–150J.<sup>7</sup> Andere Studien ergaben beim Vergleich von 50J vs. 100J ein besseres Outcome mit einer initial intensiveren Schockabgabe.<sup>8</sup> Wurden 100J verwendet, konnte ein signifikant besseres Ergebnis erzielt werden (85 % vs. 70 % ; p=0,001).<sup>9</sup> Hierbei wird eine Konversion über einen Rechtsherzkatheter, der meist über die rechte Leiste zum Herzen vorgeschoben wird, erzielt. Die interne Kardioversion hat trotz der Invasivität den Vorteil, dass eine geringere Energie benötigt wird (bis zu <30J). Beide Formen der Kardioversion werden beim sedierten Patienten angewandt.</p> <p>Wird ein medikamentöser Konversionsversuch angestrebt, unterscheidet sich dieser beim VF von dem bei Vorhofflimmern. Während Vorhofflimmern bevorzugt durch Natriumkanalblocker wie Flecainid oder Propafenon (Klasse-I-C-Antiarrhythmika) behandelt werden, haben Studien bei VF eine wesentlich bessere Wirksamkeit von Klasse-III-Antiarrhythmika, die den Kaliumkanal blockieren, zeigen können.<sup>10</sup> Mittel der Wahl bei medikamentöser Ablation ist das Klasse-IIIAntiarrhythmikum Ibutilid, das eine signifikant bessere Wirksamkeit bei VF als bei Vorhofflimmern aufweist.<sup>11</sup></p> <p>In jedem Fall sollte, wie beim Vorhofflimmern, eine Thromboembolieprophylaxe mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) oder neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) durchgeführt werden. Empfohlen wird eine antikoagulatorische Therapie bei einem VF mit einer Dauer der Paroxysmen von mehr als 48 Stunden.<sup>6, 12</sup></p> <p>Als Ultima Ratio gilt die Herzschrittmacherimplantation mit meist begleitender AV-Knoten-Ablation.<sup>2</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Erdmann E: Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Berlin Heidelberg: Springer, 2011 <strong>2</strong> Scharf C: Vorhofflimmern und Vorhofflattern. Praxis 2005; 94(45): 1753-9 <strong>3</strong> Neuzner J, Pitschner HF: Vorhofflimmern, Vorhofflattern: Aktuelle Diagnostik und Therapie. Heidelberg: Steinkopff, 2013 <strong>4</strong> Schuster HP, Trappe H J: EKG-Kurs für Isabel. Thieme, 2005. <strong>5</strong> Kobza R et al: Kathetertechnische Behandlung von Vorhofflattern und Vorhofflimmern. Therapeutische Umschau 2004; 61(4): 234-8 <strong>6</strong> Kobza R: Aktuelle Therapie des Vorhofflatterns. Therapeutische Umschau 2014; 71(2): 93-7 <strong>7</strong> Reisinger J et al: Optimization of initial energy for cardioversion of atrial tachyarrhythmias with biphasic shocks. Am J Emerg Med 2010; 28(2): 159-65 <strong>8</strong> Gallagher M et al: Initial energy setting, outcome and efficiency in direct current cardioversion of atrial fibrillation and flutter. J Am Coll Cardiol 2001; 38(5): 1498-504 <strong>9</strong> Pinski SL et al: A comparison of 50-J versus 100-J shocks for direct-current cardioversion of atrial flutter. Am Heart J 1999; 137(3): 439-42 <strong>10</strong> Crijns HJ et al: Atrial flutter can be terminated by a class III antiarrhythmic drug but not by a class IC drug. Eur Heart J 1994; 15(10): 1403-8 <strong>11</strong> Stambler BS et al: Efficacy and safety of repeated intravenous doses of ibutilide for rapid conversion of atrial flutter or fibrillation. Ibutilide Repeat Dose Study Investigators. Circulation 1996; 94(7): 1613-21 <strong>12</strong> Mjakinkova LO et al: Antithrombotic therapy in patients with atrial flutter before planned cardioversion. Wiadomosci lekarskie. 2016; 69(6): 742-6</p>
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