© Getty Images/iStockphoto

Kommentar

Flüssigkeitstherapie mittels NaCl 0,9% – it’s time to say goodbye

<p class="article-content"><p>Obwohl die Fl&uuml;ssigkeitstherapie eine altbekannte medizinische Behandlung darstellt, wird die optimale Volumensubstitution nach wie vor heiss diskutiert. Lag der Fokus bis vor einiger Zeit noch beim Vergleich von kristalloiden mit kolloidalen Infusionsl&ouml;sungen, hat sich dieser nun zum Vergleich verschiedener Kristalloidl&ouml;sungen hin verlagert. Die gebr&auml;uchlichsten Kristalloidl&ouml;sungen im klinischen Alltag sind balancierte Vollelektrolytl&ouml;sungen (z.B.: Ringer-Acetat-Malat oder Ringer-Laktat) sowie die physiologische Kochsalzl&ouml;sung NaCl 0,9 % . Dabei ist NaCl 0,9 % nach wie vor das am meisten verabreichte Kristalloid, obwohl dessen Anwendung schon l&auml;nger mit hyperchlor&auml;mer metabolischer Azidose, Kaliumanstieg, Nierensch&auml;digungen bis hin zur Dialyse und Erh&ouml;hung der Mortalit&auml;t assoziiert wurde.<sup>1&ndash;3</sup> Aufgrund physiologischer &Uuml;berlegungen sowie der Ergebnisse erster &Uuml;bersichtsarbeiten postulierte man f&uuml;r die balancierten Elektrolytl&ouml;sungen ein g&uuml;nstigeres Nebenwirkungsprofil. Seit L&auml;ngerem wird nun diskutiert, ob balancierte Elektrolytl&ouml;sungen dem reinen NaCl 0,9 % bez&uuml;glich des Outcomes &uuml;berlegen sind. Zwei prospektive Pilotstudien konnten zwar keinen Unterschied zwischen NaCl 0,9 % und balancierten L&ouml;sungen beweisen, was nicht zuletzt auf die mangelnde Power dieser Studien zur&uuml;ckzuf&uuml;hren war.<sup>4, 5</sup> <br />In den beiden oben zusammengefassten grossen, prospektiv randomisierten Studien SMART<sup>6</sup> mit kritisch kranken Intensivpatienten und SALT-ED<sup>7</sup> mit nicht kritisch kranken Patienten in der Notaufnahme war die Inzidenz von persistierenden Nierenfunktionsst&ouml;rungen sowie einer neuen Nierenersatztherapie jeweils in der Gruppe mit der balancierten Elektrolytl&ouml;sungen signifikant niedriger als in der Gruppe mit NaCl 0,9 % . Intensivpatienten wiesen zudem eine signifikant geringere Mortalit&auml;t auf, wenn sie mit balancierten Elektrolytl&ouml;sungen anstatt mit NaCl 0,9 % behandelt wurden, und dies bereits bei einem Infusionsvolumen von 1000ml. Der absolute Unterschied im prim&auml;ren Outcome der SMART-Studie (persistierende Nierenfunktionsst&ouml;rung, neue Nierenersatztherapie oder Tod bei Intensivpatienten) scheint mit 1,1 % auf den ersten Blick klein zu sein. Hochgerechnet auf die gesch&auml;tzten 5 Millionen Patienten, die weltweit pro Jahr auf einer Intensivstation behandelt werden, ergibt sich daraus aber eine betr&auml;chtliche Anzahl an Patienten, die vor einer der oben genannten Komplikationen bewahrt werden k&ouml;nnen, wenn man ihnen anstelle von NaCl 0,9 % eine balancierte Elektrolytl&ouml;sung verabreicht. Anders formuliert: Allein durch den Wechsel von NaCl 0,9 % auf balancierte Elektrolytl&ouml;sungen als Fl&uuml;ssigkeitstherapie kann bei einem von 94 Intensivpatienten eine persistierende Nierensch&auml;digung, eine neue Nierenersatztherapie oder der Tod vermieden werden. <br />Die Medikamentenkommission des Universit&auml;tsspitals Z&uuml;rich hat auf Basis dieser Daten und aufgrund von Qualit&auml;ts-, Sicherheits- und auch versicherungsrechtlichen &Uuml;berlegungen beschlossen, per 1. Dezember 2018 im gesamten USZ NaCl 0,9 % als Grundinfusion zu streichen und stattdessen durch das balancierte und bereits im Haus etablierte Ringer-Acetat-Malat (Ringerfundin<sup>&reg;</sup>, Braun) zu ersetzen. Es ist somit Zeit, umzudenken und dem NaCl 0,9 % als Fl&uuml;ssigkeitstherapie Lebewohl zu sagen.<br /><br /> Dr. med. Alexander Kaserer, PD Dr. med. Alain Rudiger <br /><em>Institut f&uuml;r An&auml;sthesiologie, Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich</em></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Raghunathan K et al.: Association between the choice of IV crystalloid and in-hospital mortality among critically ill adults with sepsis. Crit Care Med 2014; 42: 1585-9 <strong>2</strong> Yunos NM et al.: Association between a chlorideliberal vs chloride-restrictive intravenous fluid administration strategy and kidney injury in critically ill adults. JAMA 2012; 308: 1566-72 <strong>3</strong> Yunos NM et al.: The biochemical effects of restricting chloride-rich fluids in intensive care. Crit Care Med 2011; 39: 2419-24 <strong>4</strong> Young P et al.: Effect of a buffered crystalloid solution vs saline on acute kidney injury among patients in the intensive care unit: the SPLIT randomized clinical trial. JAMA 2015; 314: 1701-10 <strong>5</strong> Semler MW et al.: Balanced crystalloids versus saline in the intensive care unit: the SALT randomized trial. Am J Respir Crit Care Med 2017; 195: 1362-72 <strong>6</strong> Semler MW et al.: Balanced crystalloids versus saline in critically ill adults. N Engl J Med 2018; 378: 829-39<strong> 7</strong> Self WH et al.: Balanced crystalloids versus saline in noncritically ill adults. N Engl J Med 2018; 378: 819-28</p> </div> </p>
Back to top