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Systemische Autoimmunerkrankungen mit Nierenbeteiligung
Leading Opinions
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01.11.2017
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<p class="article-intro">Immunologische Systemerkrankungen, die die Niere betreffen, treten selten auf. Trotzdem sollte man darüber Bescheid wissen, denn die Erkrankungen sind gefährlich und bedürfen einer zielgerichteten Therapie. Am ersten Nephro Update Europe in Wien gab Prof. Dr. med. Charles Pusey, Leiter der Abteilung für Nieren- und inflammatorische Krankheiten am Imperial College in London, einen Überblick über die derzeitigen therapeutischen Strategien bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden, Anti-GBM-Glomerulonephritiden und bei der Lupusnephritis.</p>
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<p class="article-content"><p>ANCA-assoziierte Vaskulitiden (AAV) sind charakterisiert durch eine Destruktion und Entzündung der kleinen Gefässe. Klassischerweise gehören dazu die mikroskopische Polyangiitis mit Granulomen (MPA; früher als Wegener-Granulomatose bezeichnet), die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA; früher Churg-Strauss-Syndrom) und die mikroskopische Polyangiitis ohne Granulome.<sup>1</sup> Diverse Organe können befallen sein, wie die Lungen, die Niere, der Magen-Darm- Trakt und die Haut. Die Entzündung entsteht, weil Neutrophile kleine und mittlere Blutgefässe attackieren. Wie es dazu kommt, ist noch unklar.<sup>2</sup> Die AAV gehören zu den «orphan diseases», d.h., die Prävalenz liegt <500/1 Mio.<sup>3</sup> Die 5-Jahres- Überlebensrate liegt zwischen 45 und 97 % .<sup>4</sup></p> <h2>Rituximab: neue therapeutische Möglichkeiten</h2> <p>Die Therapie der AAV besteht aus einer Induktions- und einer Erhaltungsphase; die europäischen Gesellschaften für Rheumatologie und Nephrologie, EULAR und ERA/EDTA, haben im letzten Jahr die aktuellen Strategien zusammengefasst.<sup>5</sup> Bei einer AAV ohne organgefährdenden Befall wird zur Induktion eine Kombination aus Glukokortikoiden und Methotrexat (MTX) oder Mycophenolat-Mofetil empfohlen. Bei lebensbedrohlicher oder organgefährdender Erkrankung wird Kortison kombiniert mit Cyclophosphamid oder mit Rituximab eingesetzt und bei rapid progredientem Nierenversagen zusätzlich ein Plasmaaustausch vorgenommen. Für die Erhaltungstherapie wird Prednisolon plus Azathioprin empfohlen. «Das scheint effektiver zu sein als MMF», kommentierte Pusey. Alternativ kommen Prednisolon plus MMF infrage oder Prednisolon plus MTX. Rezidiviert die AAV immer wieder, wird Rituximab eingesetzt. «Es ist fantastisch, dass wir mit Rituximab diese neue Möglichkeit haben», sagte Pusey. «Denn jetzt können wir endlich auch den Patienten helfen, die immer wieder Rückfälle erleiden. » Die Wirksamkeit der Therapie kann anhand der Anti-MPO/PR3-Spiegel kontrolliert werden. «Man sollte die Behandlung aber nicht nur nach den Antikörperspiegeln ausrichten, sondern immer den ganzen Patienten behandeln», so Pusey.<br /> Die Phase-II-Studie CLEAR<sup>6</sup> zeigte kürzlich, dass man in der Induktionstherapie anstelle von Steroiden möglicherweise den C5a-Rezeptor-Inhibitor Avacopan einsetzen kann: Avacopan wirkte vergleichbar gut und verursachte ähnlich häufig Nebenwirkungen. «Wir müssen aber erst die Ergebnisse der laufenden Phase-III-Studie abwarten, um zu sehen, ob sich die Therapie langfristig bewährt», so Pusey.<br /> Ein neuer Ansatz bei Patienten mit EGPA ist der Antikörper Mepolizumab. Dieser Anti-IL-5-Antikörper reduziert die Eosinophilen im Blut. In einer Phase-IIIStudie kamen mehr Patienten mit Mepolizumab als mit Placebo in Remission und blieben länger in Remission.<sup>7</sup> Am Ende der einjährigen Studiendauer brauchten die Mepolizumab-Patienten zudem weniger Kortikoide. «Mepolizumab könnte für schwere, refraktäre Churg-Strauss-Fälle infrage kommen», resümierte Pusey.<br /> Je länger Patienten mit AAV eine Erhaltungstherapie bekommen, desto besser scheint das zu sein: Patienten, die 48 Monate mit Azathioprin und Prednisolon behandelt wurden, hatten weniger Rückfälle und eine bessere Nierenfunktion als diejenigen mit einer nur 24-monatigen Therapie.<sup>8</sup> Allerdings mussten die Patienten dafür mehr Nebenwirkungen in Kauf nehmen.<br /> «Die Herausforderung bei der Therapie ist immer, Rückfälle möglichst effektiv zu vermeiden, aber nicht zu viele Nebenwirkungen zu verursachen», sagte Pusey. Ein 10-Jahres-Follow-up zur Erhaltungstherapie mit Kortison plus Azathioprin versus Kortison plus MTX zeigte, dass beide Therapien diesbezüglich vergleichbar sind.<sup>9</sup> Patienten mit AAV-bedingter Nierenschädigung haben heute ein deutlich geringeres Risiko, zu sterben oder ein Nierenversagen zu entwickeln, als vor 25 Jahren, wie eine für AAV vergleichsweise grosse Studie mit 554 Patienten zeigt.<sup>10</sup> Das Rückfallrisiko blieb jedoch unverändert. Ein höherer Serumkreatininspiegel bei Diagnose erwies sich als Prädiktor für eine schlechtere Prognose – eine möglichst frühzeitige Entdeckung von AAV-Patienten mit Nierenbeteiligung könnte also ein wichtiger Faktor für die Verbesserung des Outcomes sein.</p> <h2>Besseres Überleben dank aggressiver Therapie</h2> <p>Anti-GBM-Glomerulonephritiden werden durch Auto-Antikörper gegen Typ-IVKollagen verursacht. Die Krankheit verläuft in der Regel fulminant und tritt jährlich bei 0,5–1/1 Mio. Menschen auf.<sup>11</sup> Therapiert wird mit Prednisolon, Cyclophosphamid und Plasmapherese, bis die Antikörper negativ werden. Gemäss den KDIGO-Leitlinien soll Cyclophosphamid nach drei Monaten gestoppt werden, Prednison nach sechs. Danach erfolgt keine Erhaltungstherapie.<br /> Eine Behandlungsindikation besteht nicht nur bei Goodpasture-Syndrom, sondern auch bei alveolärer Hämorrhaghie. Das Risiko, bei Anti-GBM-Glomerulonephritis eine Niereninsuffizienz im Endstadium zu entwickeln, hängt unter anderem ab von der histopathologischen Klasse und dem Anteil normaler Glomeruli sowie davon, ob interstitielle Infiltrate vorliegen; dies zeigte eine Langzeituntersuchung von 1986 bis 2015 mit 123 Patienten.<sup>12</sup> Die Studie zeigte auch, dass die Mortalität seit 2007 rückläufig ist. «Das liegt vermutlich daran, dass wir die Patienten seit diesem Zeitpunkt aggressiver behandeln», sagte Pursey.<br /> Die Lupusnephritis wird wie eine AAV mit einer Induktions- und einer darauffolgenden Erhaltungstherapie behandelt. Zur Induktion wird Prednisolon in Kombination mit MMF eingesetzt. Als Alternative kommt bei den Klassen III und IV Cyclophosphamid statt MMF infrage, bei der Klasse V auch Azathioprin oder Calcineurin- Inhibitoren (CNI). Die Erhaltungstherapie besteht aus niedrig dosiertem Kortison plus MMF oder Azathioprin oder CNI. Welche Rolle Rituximab bei der Therapie spielen werde, sei noch nicht geklärt. Es habe eine negative Studie gegeben, aber einige positive Fallserien, berichtete Pursey. «Wir müssen erst weitere Daten abwarten – ich bin aber überzeugt, dass Rituximab auch bei der Lupusnephritis wirkt.» In einer indischen Studie zeigte Rituximab ähnliche Ansprechraten auf die MMF, und auch die rezidivfreie Überlebenszeit war vergleichbar.<sup>13</sup> In einer Studie aus Spanien und Frankreich erreichte eine pulsierte Methylprednisolon-Therapie mehr Remissionen bei weniger Toxizität.<sup>14</sup> Rituximab in Kombination mit niedrig dosiertem Kortison könnte bei membranöser Lupusnephritis der Klasse V effektiv sein – allerdings war dies eine kleine Studie mit nur 15 Patienten.<sup>15</sup> Bei Patienten mit Klasse-III/IV-Nephritis zeigte sich zum Teil eine deutliche Diskrepanz zwischen der Histologie und der Klinik: Fast ein Drittel der Patienten in klinischer Remission hatte einen Aktivitäts-Index >5. «Die Patienten hatten also eine aktive Nephritis, obwohl sie in klinischer Remission zu sein schienen – dabei waren sie nicht wirklich in klinischer Remission», sagte Pursey. «Es lohnt sich, wiederholt zu biopsieren und gegebenenfalls länger zu behandeln.»</p> <h2>Evidenz reicht für Routineeinsatz noch nicht aus</h2> <p>Die neuen Ansätze bei den Autoimmunkrankheiten seien sehr spannend, so das Fazit von Prof. Dr. med. Kai-Uwe Eckardt, Berlin, einem der beiden wissenschaftlichen Leiter des Nephro Update Europe. «Es werden einige neue Präparate zur Optimierung der immunsuppressiven Therapie getestet – das ist positiv. Aber die Evidenz reicht bisher für einen routinemässigen Einsatz noch nicht aus.» Interessant fände er auch, dass Forscher sich immer mehr für Patienten interessierten, bei denen man Zeichen einer ANCA-assoziierten Vaskulitis sieht, die aber auch Anti-GBMAntikörper aufweisen. «Wie es dazu kommt, ist letztlich unklar, denn eigentlich handelt es sich um zwei grundverschiedene Erkrankungen», so Eckardt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1705_Weblinks_lo_innere_1705_s52_bild1b.jpg" alt="" width="685" height="746" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1705_Weblinks_lo_innere_1705_s53_bild2.jpg" alt="" width="685" height="1002" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Nephro Update Europe, 6.–7. Oktober 2017, Wien
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Jennette JC et al.: 2012 revised International Chapel Hill Consensus Conference Nomenclature of vasculitides. Arthritis Rheum 2013; 65: 1-11 <strong>2</strong> Millet A et al.: Antineutrophil cytoplasmic antibody-associated vasculitides: Is it time to split up the group? Ann Rheum Dis 2013; 72: 1273-9 <strong>3</strong> Gibelin A et al.: Epidemiology and etiology of Wegener granulomatosis, microscopic polyangiitis, Churg-Strauss syndrome and goodpasture syndrome: vasculitides with frequent lung involvement. Semin Respir Crit Care Med 2011; 32: 264-73 <strong>4</strong> Mukhtyar C et al.: Outcomes from studies of antineutrophil cytoplasm antibody associated vasculitis: a systematic review by the European League Against Rheumatism systemic vasculitis task force. Ann Rheum Dis 2008; 67: 1004-10 <strong>5</strong> Yates Metal.: E ULAR/ERA-EDTA recommendations for the management of ANCA-associated vasculitis. Ann Rheum Dis 2016; 75: 1583-94 <strong>6</strong> Jayne DRW et al.: Randomized trial of C5a receptor inhibitor avacopan in ANCA-associated vasculitis. J Am Soc Nephrol 2017; 28: 2756-76 <strong>7</strong> Wechsler ME et al.: Mepolizumab or placebo for eosinophilic granulomatosis with polyangiitis. N Engl J Med 2017; 376: 1921-32 <strong>8</strong> Karras A et al.: Randomised controlled trial of prolonged treatment in the remission phase of ANCA-associated vasculitis. Ann Rheum Dis 2017; 76: 1662-8 <strong>9</strong> Puéchal X et al.: Long-term outcomes among participants in the WEGENT trial of remissionmaintenance therapy for granulomatosis with polyangiitis (Wegener's) or microscopic polyangiitis. Arthritis Rheumatol 2016; 68: 690-701 <strong>10</strong> Rhee RL et al.: Trends in long-term outcomes among patients with antineutrophil cytoplasmic antibody-associated vasculitis with renal disease. Arthritis Rheumatol 2016; 68: 1711-20 <strong>11</strong> KDIGO Clinical Practice Guideline for Glomerulonephritis: Chapter 14: Anti-glomerular basement membrane antibody glomerulonephritis. Kidney International Supplements 2012; 2: 240-2 <strong>12</strong> van Daalen EE et al.: Clin J Am Soc Nephrol 2017 (in press) <strong>13</strong> Rathi M et al.: Comparison of low-dose intravenous cyclophosphamide with oral mycophenolate mofetil in the treatment of lupus nephritis. Kidney Int 2016; 89: 235-42 <strong>14</strong> Ruiz-Irastorza G et al.: Repeated pulses of methyl-prednisolone with reduced doses of prednisone improve the outcome of class III, IV and V lupus nephritis: an observational comparative study of the Lupus-Cruces and lupus-Bordeaux cohorts. Autoimmun Rev 2017; 16: 826-32 <strong>15</strong> Chavarot N et al.: Rituximab alone as induction therapy for membranous lupus nephritis: a multicenter retrospective study. Medicine 2017; 96: e7429</p>
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