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Wenn die Niere auf einmal nicht mehr mitmacht
Leading Opinions
30
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20.04.2017
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<p class="article-intro">Ein akutes Nierenversagen ist keine banale Geschichte. Jeder Vierte mit vorbestehender chronischer Niereninsuffizienz bleibt dauerhaft an der Dialyse, und die Betroffenen haben ein erhöhtes Sterberisiko. Prof. Dr. med. Thomas Fehr, Chefarzt Innere Medizin am Kantonsspital Graubünden, erklärte am Update Refresher in Zürich, wie man der Ursache auf die Spur kommt und wie man vorbeugen kann.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Gemäss AKIN/KDIGO-Kriterien liegt eine akute Niereninsuffizienz (ANI) vor, wenn das Kreatinin absolut um 0,3mg/dl oder prozentual um das 1,5-Fache des Ausgangswertes angestiegen ist oder wenn der Patient über mehr als sechs Stunden weniger als 0,5ml/kg KG Urin pro Stunde ausscheidet. Man unterscheidet prä-, intra- und postrenale Ursachen. In 50 % der Fälle entwickelt sich die ANI wegen einer akuten Tubulusnekrose, am zweithäufigsten sind prärenale Ursachen (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s70_tab1.jpg" alt="" width="1449" height="646" /></p> <h2>Untersuchungen je nach Verdachtsdiagnose</h2> <p>«Mit einer sorgfältigen Anamnese kann man schon einiges herausfinden», sagte Fehr. «Dann muss man gezielt die richtigen Untersuchungen anordnen.» Eine prärenale Ursache ist sehr wahrscheinlich, wenn eine orthostatische Hypotonie und eine Tachykardie vorliegen, die Halsvenen im Liegen leer sind und der Hautturgor vermindert ist. In diesen Fällen hilft die Laboruntersuchung: Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) fällt ab, Harnstoff steigt mehr an als Kreatinin, Hämatokrit und Albumin steigen an und die fraktionelle Natrium-Exkretion beträgt weniger als 1 % .<br /> Denkt man eher an eine intrarenale Ursache, etwa an Erkrankungen der kleinen Blutgefässe in der Niere oder an eine medikamenteninduzierte Tubulusnekrose, ist es am wichtigsten, Sediment und Proteine im Urin zu bestimmen und in unklaren Fällen eine Nierenbiopsie zu machen. Welche Laboruntersuchungen durchgeführt werden sollten, hängt von der vermuteten Ursache ab (Tab. 2). Leidet der Patient beispielsweise an einem Myelom, sind ein Blutbild sowie die Bestimmung von Elektrolyten (Kalium, Kalzium, Phosphat) und Leichtketten wichtig. Sediment- und Proteinbestimmungen im Urin (Tab. 3 und 4) helfen bei der Unterscheidung zwischen glomerulärer und tubulointerstitieller Ursache.<br /> Vergleichsweise einfach ist die Diagnose bei Verdacht auf postrenale akute Niereninsuffizienz, etwa durch eine vergrösserte Prostata oder ein Karzinom. Hier ist die Sonografie die Untersuchung der Wahl. «Die Sensitivität, eine Hydronephrose zu entdecken, ist sehr hoch», sagte Fehr. «Allerdings muss man beachten, dass in den ersten 24 Stunden im Schall meist noch nichts zu sehen ist – es dauert eine gewisse Zeit, bis die Stauung im Nierenbeckenkelchsystem erkennbar wird.» Findet man weder eine prärenale noch eine postrenale Ursache und liegt keine eindeutige akute tubuläre Nekrose vor, empfiehlt der Nephrologe eine Nierenbiopsie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s70_tab2.jpg" alt="" width="1445" height="1296" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s70_tab3.jpg" alt="" width="1443" height="769" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s70_tab4.jpg" alt="" width="1441" height="809" /></p> <h2>Nierenschäden vermeiden!</h2> <p>Das A und O sei, Patienten mit einem hohen Risiko für eine akute Niereninsuffizienz frühzeitig zu erkennen: etwa Patienten mit Diabetes oder chronischen Krankheiten von Herz, Lunge oder Leber, mit Traumata, zirkulatorischem Schock oder Sepsis oder solche, die nephrotoxische Medikamente nahmen resp. nehmen. «Man kann eine akute Nierenschwäche in vielen Fällen vermeiden», sagte Fehr. Das heisst: nephrotoxische Medikamente bei Risikopatienten vermeiden bzw. absetzen, für ausreichend Volumen und intravasalen Druck sorgen, Alternativen für jodhaltige Röntgenkontrastmittel überlegen, Kreatinin und Urinmenge überwachen.<br /> Eine Nierenersatztherapie ist indiziert bei oligurischem akutem Nierenversagen, bei schwerer Urämie oder schweren Elektrolytentgleisungen. «Ich möchte Sie aber dafür sensibilisieren, dass es gar nicht so weit kommt», sagte Fehr. «Ein akutes Nierenversagen ist keine harmlose Geschichte. » So wird jeder vierte Patient mit vorbestehender chronischer Niereninsuffizienz dialysepflichtig bleiben, und die Betroffenen haben ein 2,5-fach erhöhtes Risiko zu sterben.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Update Refresher Innere Medizin, 22. 11. 2016, Zürich
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