MS-Patient:innen effektiv vor Infektionen schützen
Bericht:
Dr. Alexander Kretzschmar
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Welche Impfungen sollten Patient:innen vor/unter einer krankheitsmodifizierenden Therapie (DMT) erhalten und was soll man dabei im Praxisalltag beachten? Eine Konsensusgruppe der beiden Fachgesellschaften ECTRIMS (European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis) und EAN (European Academy of Neurology) hat jetzt erstmals entsprechende Empfehlungen speziell für die europäische Therapielandschaft herausgegeben.1
Die Corona-Pandemie hat nach Ansicht der EAN und ECTRIMS die Bedeutung eines ausreichenden Impfschutzes auch für MS-Patient:innen sowie die Notwendigkeit einer verstärkten ärztlichen Aufmerksamkeit dramatisch deutlich gemacht. Dies gilt sowohl für mögliche infektionsbedingte Risiken als auch unerwünschte Interaktionen im Kontext mit der Gabe von modernen DMT mit einem breiten immunologischen Wirkspektrum, so die Konsensusgruppe.
Impfempfehlungen praxisgerecht dargestellt
Die Empfehlungen behandeln 7 Fragen zur Sicherheit und Effektivität von Impfstoffen bei Patient:innen mit MS. Dazu gehören neben Aspekten einer globalen Impfstrategie vor allem detaillierte Empfehlungen zur Vakzinierung vor oder unter der Therapie mit DMT. Des Weiteren werden Impfungen bei speziellen Subgruppen – Kindern und Jugendlichen, Schwangeren, Senior:innen – sowie im internationalen Reiseverkehr (Fragen 5–7) behandelt.1 Detaillierte Handlungsanweisungen sollen die Umsetzung im Praxisalltag erleichtern, erklärte Prof. Susana Otero-Romero, Barcelona, Erstautorin der Konsensusempfehlungen, bei der Vorstellung auf dem ACTRIMS-ECTRIMS 2023 in Mailand.2
Grundsätzlich sollten MS-Patient:innen alle Standardimpfungen erhalten; weitere Impfungen sollten je nach individueller Disposition oder klinischer Indikation verabreicht werden. Die Autor:innen betonen dabei, dass Standardimpfungen wie gegen Influenza, Tetanus oder Hepatitis B oder eine BCG-Impfung bei MS-Patient:innen mit/ohne krankheitsmodifizierende Therapie (DMT) nicht das Risiko für eine Exazerbation der MS und/oder eine Behinderungsprogression erhöhen.1
Inaktivierte Vakzinen oder attenuierte Lebendvakzinen?
Inaktivierte Vakzinen können sicher bei allen Patient:innen ohne oder unter DMT verabreicht werden. Für attenuierte Lebendvakzinen gilt dies für Patient:innen ohne DMT oder unter immunmodulatorischer Therapie (Interferone oder Glatiramerazetat). Gemäß Empfehlung 1 und 10 sollte bei Patient:innen unter Teriflunomid, S1P-Modulatoren, Cladribin, Alemtuzumab oder Anti-CD20-Antikörpern die Gabe von attenuierten Lebendvakzinen wegen des Risikos für vakzinassoziierte Infektionen vermieden werden. Dies gilt insbesondere für Patient:innen unter Therapie mit Dimethylfumarat (DMF) oder Natalizumab (Empfehlung 10). Bei Patient:innen, die eine immunsuppressive Therapie erhalten sollen, muss die optimale zeitliche Abstimmung zwischen immunsuppressiver Therapie und Impfung individuell erfolgen. Tabelle 1 zeigt die empfohlenen Intervalle zwischen der letzten Dosis eines DMT und der Gabe von attenuierten Lebendvakzinen.1
Tab. 1: Empfohlene Intervalle zwischen der letzten Dosis einer DMT und der Gabe von Impfstoffen
Die Autor:innen weisen darauf hin, dass die Datenlage zu zahlreichen Aspekten der Immunisierung von MS-Patient:innen vor bzw. unter Behandlung mit DMT noch schmal ist. Neue Erkenntnisse werden dazu beitragen, die Effektivität und Sicherheit der Vakzinierung von MS-Patient:innen weiter zu erhöhen.
Reicht eine Dosis, wenn es schnell gehen muss?
Eine aktuelle Publikation der Mitarbeiter:innen am MS-Therapiezentrum in Barcelona (Cemcat) zeigt jetzt, dass auch eine Vakzinierung mit einer Einmaldosis eines attenuierten Lebendimpfstoffes vor Beginn einer DMT in der Routineversorgung möglicherweise in einem relevanten Prozentsatz der Patient:innen zu einer schnellen und effektiven Immunantwort führen kann, berichtete Prof. René Carvajal, Barcelona, auf dem ACTRIMS-ECTRIMS 2023.3,4 Ausgewertet wurden in der retrospektiven, gematchten, kontrollierten Kohortenstudie die Verläufe von insgesamt 96 MS-Patient:innen mit CIS (clinically isolated syndrome) oder klinisch bestätigter MS (Cemcat-Kohorte) nach Gabe eines Einmaldosis eines attenuierten Lebendimpfstoffes gegen Masern/Mumps/Röteln (MMR) oder Varizella zoster (VAR; insgesamt n=60). Als Kontrollgruppe dienten 36 MS-Patient:innen mit konventioneller zweifacher MMR- oder VAR-Impfung.
In der Gruppe mit Einmalimpfung betrug die Serokonversionsrate 66,7% (95%-KI 53,3-78,3) versus 97,2% (85,5–99,9) in der Kontrollgruppe (p<0,001). Bei den Patient:innen mit erfolgter Seroprotektion waren die GMT-Antikörpertiter (geometrischer mittlerer Titer) vergleichbar hoch. Die Autor:innen ziehen daraus den Schluss, das angesichts einer erfolgreichen Seroprotektion bei rund zwei Dritteln der Patient:innen, bei denen eine schnelle Immunisierung notwendig ist, eine Einmalimpfung erwogen werden kann.3,4
Literatur:
1 Otero-Romero S et al.: ECTRIMS/EAN consensus on vaccination in people with multiple sclerosis: Improving immunization strategies in the era of highly active immunotherapeutic drugs. Mult Scler 2023; 29(8): 904-25 2 Otero-Romero S: Primary prevention: towards an individualised vaccination strategy. ACTRIMS-ECTRIMS 2023; Oral Session O012 3 Carvajal R et al.: A single-dose strategy for immunization with live attenuated vaccines is an effective option before treatment initiation in multiple sclerosis patients. Mult Scler 2023; 29(14): 1841-8 4 Carvajal R et al.: Safety of the live attenuated vaccines in patients with multiple sclerosis: a matched-control cohort study. ACTRIMS-ECTRIMS 2023; Poster P720
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