Welche Bedeutung haben krankheitsmodifizierende Medikamente?
Bericht:
Mag. Andrea Fallent
Kognitive Beeinträchtigung durch Multiple Sklerose (MS) beeinträchtigt die Lebensqualität von Betroffenen besonders stark. Sie ist eine der Hauptursachen für Behinderungen, sozialen Rückzug und Arbeitsplatzverlust. In einem Review über 44 klinische Studien und Real-World-Daten wurde eruiert, welche krankheitsmodifizierenden Wirkstoffe (DMT) zum längerfristigen Erhalt der Denkleistung beitragen können.1
Die Symptomatik der Multiplen Sklerose (MS) ist derart vielfältig, dass die neurologische Erkrankung auch als die Krankheit der tausend Gesichter bezeichnet wird. Zu den Symptomen, welche MS-Patienten besonders häufig belasten und einschränken, zählen kognitive Beeinträchtigungen.
Kognitive Beeinträchtigung bei MS
Die kognitive Leistungsfähigkeit kann durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst werden, darunter Müdigkeit, Medikamente, Infektionen, Depressionen, Komorbiditäten oder kognitive Rehabilitation. Moderne antientzündliche Immuntherapien (DMT; „disease-modifying therapy“) reduzieren die Schubfrequenz und das Fortschreiten der MS, allerdings ist eine Dauertherapie erforderlich. Die Behandlung mit DMT sollte unmittelbar nach der Diagnose begonnen werden, da sie nachweislich das Risiko für eine Behinderung senkt und die Entwicklung einer sekundär progredienten MS verzögert. DMT reduzieren sowohl Neuroinflammation als auch Gehirnatrophie bei MS, die beide wichtige Parameter für eine kognitive Dysfunktion darstellen. Die Auswirkungen von DMT auf die Kognition ist dennoch nach wie vor umstritten. Eine aktuelle polnische Metaanalyse untersuchte die vorliegenden Studiendaten zu den einzelnen DMT-Wirkstoffen.1
Viele Wirkstoffe bringen kognitive Benefits
In die klinische Übersichtsarbeit wurden 44 Artikel aufgenommen, die erwachsene (>90 %) und pädiatrische MS-Population integrierten, wobei der Schwerpunkt auf den kognitiven Funktionen als Ergebnis der DMT lag. Zahlreiche Studien bzw. die Studien mit den längsten Nachbeobachtungszeiten (bis zu 16 Jahre) lagen zu den Plattformtherapien Beta-Interferon und Glatirameracetat vor. Kognitive Leistungen wurden je nach Studie mit unterschiedlichen Werkzeugen erfasst.1
Bei diesen krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen zeigt die bisherige Evidenz laut den Autoren kognitive Vorteile bzw. Wirksamkeit zum Erhalt der kognitiven Funktionen: Beta-Interferone, Teriflunomid, Dimethylfumarat, Siponimod, Ozanimod, Natalizumab, Alemtuzumab, Ofatumumab, Ocrelizumab und Cladribin. Zu Glatirameracetat und Fingolimod lägen hingegen widersprüchliche Daten vor, so das Resümee der Autoren.1
Die Wissenschaftler betonen in ihrer Arbeit, dass die kognitive Leistung ein wichtiger Aspekt bei der MS ist, der verstärkt als therapeutisches Ziel in die Behandlung integriert werden sollte. Allerdings sind dazu mehr Daten sowohl zur MS-bezogenen kognitiven Dysfunktion als auch zu den Medikamenten vonnöten. Optimal wäre es, jene MS-Patienten mit bereits zu Beginn vorliegenden kognitiven Einbußen bzw. jene Patienten mit einem hohen Risiko für kognitive Beeinträchtigungen frühzeitig zu identifizieren, um ihnen die Anwendung einer effektiven Therapie ermöglichen zu können.
Literatur:
1 Kania K et al.: The impact of disease modifying therapies on cognitive functions typically impaired in multiple sclerosis patients: a clinician’s review. Front Neurol 2023; 14: 1222574. doi: 10.3389/fneur.2023.1222574
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