©
Getty Images
Aktuelle Standards in der onkoplastischen Brustchirurgie
Leading Opinions
30
Min. Lesezeit
31.05.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Die onkoplastische Chirurgie kombiniert bei Mammakarzinompatientinnen onkologische mit plastisch-rekonstruktiven Operationstechniken. Prof. Dr. med. Walter Paul Weber vom Universitätsspital Basel präsentierte auf der diesjährigen St. Gallen Breast Cancer Conference in Wien die aktuellen Standards in der onkoplastischen Chirurgie. Wir sprachen mit ihm über die Vor- und Nachteile dieser Methode, die derzeitige Situation in der Schweiz und die wichtigsten Aufgaben in der Zukunft.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><strong>Welche Vorteile bietet die onkoplastische brusterhaltende Chirurgie (OPS) im Vergleich zur konventionellen Brustchirurgie?</strong></p> <p><strong>W. Weber:</strong> Die onkoplastische Chirurgie verfolgt mehrere Ziele: Zum einen versuchen wir, die ästhetischen Resultate im Vergleich zur konventionellen Technik zu verbessern, in der Hoffnung, dass dies auch die Zufriedenheit und die Lebensqualität der Patientinnen steigert. Zum anderen ist bei dieser Methode durch die Entfernung grösserer Volumina eine zweite Operation seltener nötig, weil tumorbefallene Schnittränder weniger häufig auftreten. Ein weiterer Vorteil der OPS ist die Möglichkeit, auch bei grossen Tumoren eine brusterhaltende Operation durchzuführen. Bisher standen in diesen Fällen nur die Mastektomie oder die neoadjuvante Chemotherapie zur Verfügung.<br /> Die ästhetischen Resultate werden mit der onkoplastischen Chirurgie in Bezug auf bessere Symmetrie und schöner gelegene Narben klar erreicht. Dies kann entweder mit einer speziellen Software gemessen oder durch Spezialisten beurteilt werden. Bei der Befragung der betroffenen Patientinnen sind diese Unterschiede allerdings in den bisherigen kleinen Studien noch nicht so klar ausgeprägt. Deshalb ist hier klinische Forschungsarbeit nötig, um die Vorteile der onkoplastischen Chirurgie auch aus der Sicht der Patientinnen zu bestätigen.</p> <p><strong>Welche Nachteile gibt es bei der onkoplastischen Chirurgie?</strong></p> <p><strong>W. Weber:</strong> Die Nachteile sind längere Operationsdauer, grössere chirurgische Eingriffe und dadurch längere Erholungsdauer der Patientinnen. Ausserdem treten häufiger Komplikationen wie Wundinfektionen, Wundheilungsstörungen, Hautnekrosen, Bildung von Seromen und Nachblutungen auf.<sup>1</sup> Deshalb muss bei der onkoplastischen Chirurgie immer darauf geachtet werden, dass diese Komplikationen rasch entdeckt werden, um sie dementsprechend zu behandeln. Die Komplikationen sind nämlich alle gut zu behandeln. Da nach einer Krebsoperation häufig noch weitere Therapien folgen, ist es wichtig, dass Komplikationen diese Therapien nicht verzögern.</p> <p><strong>Welche Daten gibt es zur onkologischen Sicherheit bei dieser Methode?</strong></p> <p><strong>W. Weber:</strong> Man könnte einerseits annehmen, die Sicherheit wäre bei der onkoplastischen Chirurgie im Vergleich zur konventionellen Brustchirurgie besser, weil grössere Volumina entfernt werden und seltener ein zweites Mal operiert wird. Durch die höhere Anzahl an Komplikationen könnte man andererseits meinen, dass die onkologische Sicherheit schlechter sei. Beides ist aber nicht der Fall. Studien haben nämlich gezeigt, dass die onkologische Sicherheit bei OPS genauso gut wie bei der konventionellen Brustchirurgie ist.<sup>2</sup> Die Rezidivraten sind gleich, sowohl die in der Brust als auch jene in der Achselhöhle oder an anderen Stellen im Körper. Auch die Überlebensraten sind gleich (Gesamtüberleben, rezidivfreies Überleben, krankheitsfreies Überleben). Man muss aber anmerken, dass es sich hier nur um Observationsstudien handelt und dass es keine randomisierten Studien gibt. In Zukunft wird es auch keine randomisierten Studien geben, weil die Patientinnen natürlich mitentscheiden, mit welcher Methode sie operiert werden wollen.</p> <p><strong>Was sind die wichtigsten Techniken in der onkoplastischen Chirurgie?</strong></p> <p><strong>W. Weber:</strong> Es gibt bereits seit vielen Jahren mehrere Standardtechniken, die im Detail beschrieben sind. Drei Wochen vor der St. Gallen Breast Cancer Conference gab es in Basel die erste Konsensus- Konferenz zur onkoplastischen Chirurgie, die wir organisiert haben. Insgesamt kamen 26 Delegierte der Gesellschaften für Senologie aus der Schweiz, Österreich und Deutschland und einige internationale Experten, alles onkoplastische Chirurgen aus der Gynäkologie, der allgemeinen und der plastischen Chirurgie. Im Rahmen der Konsensus-Konferenz wurden insgesamt 60 Fragen bearbeitet; eine davon war, ob diese Standardtechniken auch weiterhin empfohlen werden sollen. Das Panel war der Ansicht, dass jede onkoplastische Operation an die einzelne Patientin individuell angepasst werden soll. Wir haben deshalb nur mehr zwei Kategorien vorgeschlagen: die onkoplastische Brustverkleinerung (Reduktionsmammaplastik, Abb. 1) und die onkoplastische Bruststraffung (Mastopexie). Innerhalb dieser beiden Kategorien muss jede Operation an die jeweilige Patientin angepasst werden, und es gibt einige Situationen, in denen Techniken aus beiden Kategorien zur Anwendung kommen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1703_Weblinks_lo_onko_1703_s15_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="876" /></p> <p><strong>Wie steht es um die Verfügbarkeit der onkoplastischen Chirurgie in den verschiedenen Schweizer Spitälern, aber auch international? Sind entsprechende Experten überall verfügbar?</strong></p> <p><strong>W. Weber:</strong> Wie vorhin bereits erwähnt, gibt es die onkoplastischen Techniken schon sehr lange. Diese Techniken wurden aber lange Zeit nur in sehr wenigen, spezialisierten Zentren angeboten, das waren meist 2–3 Zentren in einem Land. Seit etwa 3–4 Jahren gibt es einen regelrechten Boom und die Techniken werden vermehrt in der klinischen Routine angewendet. Man kann dies auch an der Vielzahl der Publikationen auf diesem Gebiet in letzter Zeit erkennen. Am Universitätsspital Basel wurden die onkoplastischen Techniken von Onkochirurgen und plastischen Chirurgen zusammen entwickelt. In der Schweiz werden diese an mehreren Zentren bereits angeboten. Generell kann man sagen, dass Europa hier viel weiter ist als die USA. Die Techniken wurden ja zum Teil in Europa erfunden bzw. entwickelt. In Ländern wie der Schweiz, Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich und England ist die Entwicklung in der onkoplastischen Chirurgie weit vorangeschritten, dementsprechend wird sie dort auch schon an mehreren Zentren angeboten. In manchen Ländern wie Deutschland und England werden diese Techniken bereits strukturiert im Rahmen der Aus- und Weiterbildung gelehrt.</p> <p><strong>Wie wird die Ausbildung in der onkoplastischen Chirurgie gestaltet und welchen Beitrag leisten Sie dabei?</strong></p> <p><strong>W. Weber:</strong> Bei dem derzeitigen Trend zur onkoplastischen Chirurgie versuchen wir mitzuhelfen, die verschiedenen Aspekte der OPS zu standardisieren. Ein wichtiger Beitrag sind dabei die Ausbildung und die Standardisierung der Operation in den verschiedensten Bereichen. Dabei müssen mehrere Fragen geklärt werden: Welche Patientin ist die richtige Patientin für die onkoplastische Chirurgie? Welche onkoplastische Kategorie ist für welche Patientin geeignet? Wie wird die Planung/Durchführung am besten individualisiert? Und letztendlich: Wie kann man dieses Wissen in der Ausbildung am besten weitergeben? All diese Themen sind jetzt gerade sehr aktuell. Immer mehr Patientinnen wissen, dass es die onkoplastische Chirurgie gibt, sie fragen bei dem behandelnden Arzt danach und üben somit einen entsprechenden Druck aus. Deshalb haben sehr viele Spezialisten zurzeit grosses Interesse daran.<br /> Um all diese Standardisierungen zu koordinieren, ist es nötig, das Fachwissen aus der ganzen Welt zusammenzutragen. Um uns entsprechend zu vernetzen, haben wir das onkoplastische Brustkonsortium (OPBC) gegründet.<sup>3</sup> Mithilfe dieser Plattform wollen wir die onkoplastische brusterhaltende Chirurgie neben der konventionellen Brustchirurgie und der Mastektomie als dritten grossen Standard weltweit etablieren, um diese Technik den Patientinnen auf einer breiten Basis anbieten zu können.</p> <p><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Haloua MH et al: A systematic review of oncoplastic breast-conserving surgery: current weaknesses and future prospects. Ann Surg 2013; 257(4): 609-20 <strong>2</strong> De La Cruz L et al: Outcomes after oncoplastic breast-conserving surgery in breast cancer patients: a systematic literature review. Ann Surg Oncol 2016; 23(10): 3247-58 <strong>3</strong> www. oncoplasticbc.org</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...