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Bedeutung des Androgenrezeptors beim Mammakarzinom
Jatros
Autor:
Dr. Gabriel Rinnerthaler
Universitätsklinik für Innere Medizin III<br/> Salzburg Cancer Research Institute (SCRI)<br/> Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg<br/> E-Mail: g.rinnerthaler@salk.at
30
Min. Lesezeit
23.07.2015
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<p class="article-intro">Der Androgenrezeptor gewinnt als mögliches Therapieziel in der Behandlung des Mammakarzinoms zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen der diesjährigen ÖGHO-Frühjahrstagung wurden deshalb der biologische Hintergrund, die prognostische Relevanz sowie die therapeutischen Implikationen des Androgenrezeptors näher beleuchtet. Die klinische Entwicklung Androgenrezeptor-gerichteter Therapien beim metastasierten Mammakarzinom hat in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Frauen bilden quantitativ mehr Androgen als Östrogene. Die Produktion von Testosteron nimmt kontinuierlich mit dem Alter ab. Durch eine abnehmende Produktion des steroidhormonbindenden Globulins (SBG), welches in der Zirkulation Testosteron bindet, steigt jedoch der Anteil des freien – biologisch aktiven – Tes­tosterons bei postmenopausalen Frauen an.</li> <li>Bei ER-positiven Mammakarzinomen im Frühstadium hat die Androgenrezeptor-expression einen klar positiv prognostischen Wert. Bei ER-negativen Tumoren kann diesbezüglich keine klare Aussage getroffen werden.</li> <li>In Abhängigkeit vom intrinsischen Subtyp wie auch bei bestehenden Therapieresistenzen wirkt der Androgenrezeptor als Tumorsuppressor oder als Onkogen.</li> <li>Bei Androgenrezeptor-exprimierenden tripelnegativen Mammakarzinomen scheint eine zielgerichtete Therapie mit Antiandrogenen wie Bicalutamid und vor allem mit Enzalutamid sehr vielversprechend zu sein.</li> </ul> </div> <p>Wie der Östrogen- und der Progesteronrezeptor ist der Androgenrezeptor ein Liganden-abhängiger Transkriptionsfaktor und zählt zur Familie der Steroidrezeptoren. Nach Bindung der Androgene Testosteron oder Dihydrotestosteron an den Androgenrezeptor und Transposition in den Nukleus bindet der Liganden-Rezeptor-Komplex in Abhängigkeit von Korepressoren bzw. Koaktivatoren an sogenannte Androgenrezeptor-Response-Elemente, woraus die Initiierung bzw. Hemmung einer Transkription entsprechender Genprodukte resultiert.</p> <h2>Androgenproduktion bei Frauen</h2> <p>Quantitativ produzieren Frauen mehr männliche als weibliche Geschlechtshormone. Im Gegensatz zur Regulation der Östrogenproduktion durch LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (follikelstimulierendes Hormon) ist kein entsprechender Feedbackloop für die Androgenproduktion bekannt. Die Proandrogene (Dehydroepiandrosteron [DHEA], DHEA-Sulfat und Androstendion) werden vornehmlich in der Nebenniere sowie in den Ovarien gebildet, während die Androgenrezeptor(AR)-bindenden Androgene Testosteron und Dihydrotestosteron (DHT) hauptsächlich durch periphere Konversion im Fett und Brustgewebe aus den Proandrogenen bzw. im Falle von DHT aus Testosteron entstehen.<br /> Die Produktion von Testosteron nimmt kontinuierlich mit dem Alter ab, wird jedoch nicht direkt durch die Menopause beeinflusst. Durch eine abnehmende Produktion des steroidhormonbindenden Globulins (SBG), welches in der Zirkulation Testosteron bindet, steigt jedoch der Anteil des freien – biologisch aktiven – Testosterons bei postmenopausalen Frauen an.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1503_Weblinks_Seite39.jpg" alt="" width="601" height="1208" /></p> <h2>Prognostische Bedeutung der Androgenrezeptorexpression</h2> <p>Die AR-Expression hängt sowohl vom histopathologischen als auch vom molekularen Subtyp ab; luminale Karzinome zeigen die höchste AR-Expression unter den Mammakarzinom-Subtypen (Abb. 1). Die prognostische Bedeutung dieser AR-Expression beim frühen Mammakarzinom wurde in zwei Metaanalysen mit 5.270 bzw. 7.693 inkludierten Patientinnen aus insgesamt 11 bzw. 19 inkludierten Studien näher beleuchtet:</p> <ul> <li>Bei<strong> Östrogenrezeptor(ER)-positiven Karzinomen</strong> hat die AR-Koexpression einen klar positiven prognostischen Einfluss auf das Gesamt- (OS) wie auch das krankheitsfreie Überleben (DFS).</li> <li>Bei<strong> ER-negativen bzw. tripelnegativen Mammakarzinomen </strong>(TNBC) unterscheiden sich die Ergebnisse der beiden Metanalysen mit einem jeweils nicht signifikanten Trend hin zu einem positiven bzw. negativen Effekt der AR-Expression in Bezug auf OS und DFS, was sich in sehr unterschiedlichen Ergebnissen der Studien widerspiegelt und wohl durch die Heterogenität von TNBC bedingt ist.</li> <li>Für<strong> HER2-positive Karzinome</strong> kann aufgrund der sehr kleinen Fallzahl keine Aussage bezüglich des prognostischen Einflusses einer AR-Expression getroffen werden.</li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1503_Weblinks_Seite40.jpg" alt="" width="909" height="367" /></p> <p>Eine Limitation all dieser Analysen sind die nicht standardisierte immunhistochemische Beurteilung wie auch der unterschiedliche Schwellenwert der Definition einer AR-Positivität, wobei bei einem Großteil der publizierten Studien als Schwellenwert für eine Positivität eine Anfärbung von zumindest 10 % der Tumorzellen gewählt wurde (Abb. 2).</p> <h2>Androgenrezeptoraktivierung</h2> <p>Der Effekt der AR-Aktivierung hängt stark vom intrinsischen Subtyp ab:</p> <ul> <li>Bei <strong>luminalen</strong> (ER-positiven und HER2-negativen) <strong>Karzinomen</strong> hat die AR-Aktivierung einen antiproliferativen Effekt und der AR wirkt als Tumorsuppressor. Bei endokrin resistenten Tumoren kann der AR jedoch das Tumorwachstum fördern (Abb. 3).</li> <li>Bei <strong>TNBC</strong> wirkt der AR als Onkogen. Interessanterweise scheint jedoch der Verlust der AR-Expression mit einem aggressiveren Phänotyp verbunden zu sein. Gemäß den von Lehmann et al beschriebenen 6 intrinsischen TNBC-Subtypen weist der Luminal-Androgenrezeptor-Subtyp (LAR), welcher sich histologisch meist als apokrines Karzinom präsentiert, die höchste AR-Expression bei TNBC auf. Das Genexpressionsprofil von LAR-Tumoren weist eine große Ähnlichkeit mit jenem von ER-positiven Karzinomen auf. Die Bedeutung der AR-Aktivierung bei Nicht-LAR-TNBC ist unklar.</li> <li>Beim <strong>HER2-enriched-Subtyp</strong> besteht eine pro-proliferative Interaktion zwischen dem HER2- und dem AR-Signalweg und der AR kann auch bei diesem molekularen Subtyp als Onkogen verstanden werden.</li> </ul> <h2>Androgenrezeptor als Therapieziel</h2> <p>In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Androgene in der Behandlung von – vornehmlich postmenopausalen – Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom mit moderatem Erfolg eingesetzt. Diese Therapie war mäßig verträglich und führte zu einer Maskulinisierung der Patientinnen. Androgenanaloga verbesserten zwar das Nebenwirkungsprofil, mit der Verfügbarkeit von selektiven ER-Modulatoren (SERM) in den 1970er-Jahren etablierte sich Tamoxifen aufgrund seines überlegenen Toxizitäts- und Effektivitätsprofils als neuer Therapiestandard und die klinische Weiterentwicklung von AR-gezielten Therapien ruhte über Jahrzehnte.<br /> Durch die Entwicklung neuer AR-gerichteter Medikamente in der Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms rückte auch beim Mammakarzinom der AR als potenzielles Therapieziel wieder ins Rampenlicht. Die vielversprechendsten Studienergebnisse liegen derzeit zu den antiandrogenen Substanzen Bicalutamid und Enzalutamid bei Patientinnen mit TNBC vor. Bei ER-positiven Karzinomen waren die Ergebnisse einer Abiraterontherapie leider frustran. Bei diesem Subtyp zeigte jedoch der selektive Androgenrezeptormodulator Enobosarm in einer kleinen Phase-II-Studie klinische Wirksamkeit (Tab. 1). Das Toxizitätsprofil dieser Substanzen war erwartungsgemäß minimal bis moderat. Bei HER2-positiven Karzinomen liegen derzeit noch keine klinischen Ergebnisse zu AR-gerichteten Therapien vor. Die nächsten Resultate der derzeit laufenden Phase-I- und Phase-II-Studien sind noch für dieses Jahr zu erwarten.<br /> <br /> Für die Behandlung des frühen Mammakarzinoms sind derzeit noch keine Studien mit Androgenrezeptor-gerichteten Therapien unter https://clinical­trials.gov/ registriert.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: ÖGHO-Kongress 2015,
Vortrag „Bedeutung des Androgenrezeptors:
Renaissance eines alten Bekannten“
am 24. April 2014 im Rahmen der Session
„Metastasiertes Mammakarzinom“,
23.–25. April 2015, Salzburg
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>Literatur beim Verfasser</p>
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