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CAR-T-Zelltherapie: Was kommt nach CD19?
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Georg Hopfinger
Univ.-Klinik für Innere Medizin I<br> Knochenmarktransplantation<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: georg.hopfinger@meduniwien.ac.at
30
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30.05.2019
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<p class="article-intro">Die Anwendung von „chimären Antigenrezeptor“(CAR)-T-Zellen hat die Behandlung von rezidivierter und refraktärer (r/r) akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) und diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) revolutioniert. Anhaltende Remissionen können bei bis zu 40 % der Patienten erzielt werden. Allerdings stellen Patienten, die primär nicht oder nur ungenügend ansprechen (≤PR), nach wie vor eine große Herausforderung dar, da diese ein kurzes Gesamtüberleben (OS) haben. Mögliche Mechanismen eines Wirkungsverlustes wie z.B. der Verlust des Zielantigens oder eine zu schwache Zellexpansion („exhausted T-cells“) sind gegenwärtig Gegenstand intensiver Forschung.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das 12-Monats-OS nach einer CAR-T-Zelltherapie beträgt bei DLBCL etwa 50–70 % .</li> <li>Bei Patienten mit CR nach 3 Monaten beträgt die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden Remission 80–90 % .</li> <li>Durch den Einsatz von Checkpoint- Inhibitoren kann die Wirksamkeit von CAR-T-Zellen erhöht werden.</li> </ul> </div> <h2>Zulassungsstatus von CAR-T</h2> <p>Gegenwärtig sind bereits zwei CAR-T-Produkte, die gegen CD19, ein integrales Membranglykoprotein, gerichtet sind, sowohl in den USA als auch Europa zugelassen:</p> <ul> <li>Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta<sup>®</sup>) für erwachsene Patienten mit r/r (DLBCL) oder primär mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom (PMBCL) nach ≥2 systemischen Therapien</li> <li>Tisagenlecleucel (Kymriah<sup>®</sup>) für Patienten ≤25 Jahren mit r/r (Rezidiv nach Transplantation oder zweites oder späteres Rezidiv) ALL und r/r/(DLBCL) nach ≥2 systemischen Therapien</li> </ul> <p>Bei beiden Produkten handelt es sich um Produkte der zweiten Generation, welche sich im Wesentlichen durch die kostimulatorische Domäne (CD28 oder 4-1BB) unterscheiden.</p> <h2>Akute lymphoblastische Leukämie (ALL)</h2> <p>Grundlage für eine Zulassung von Tisagenlecleucel bei der ALL war der sogenannte ELIANA-Trial mit 75 Patienten mit r/r ALL, wobei 61 % bereits eine allogene Stammzelltransplantation (Allo-SCT) erhalten hatten. Die Gesamtremissionsrate (ORR) betrug 81 % , wobei bei allen Patienten, bei denen ein klinisches Ansprechen festgestellt wurde, auch eine MRDNegativität erreicht werden konnte. Die Rate des ereignisfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens betrug 50 % (95 % CI: 35–64) und 76 % (95 % CI: 63–86) nach zwölf Monaten (Abb. 1). An Nebenwirkungen wurde ein Zytokin-Release- Syndrom (CRS) ≥ Grad III bei 73 % der Patienten beobachtet.<sup>1</sup></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s69_abb1_hopfinger.jpg" alt="" width="1459" height="832" /></p> <h2>Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)</h2> <p>Im ZUMA-1-Trial wurde die Wirksamkeit von Axicabtagen-Ciloleucel (KTEC19) bei 77 Patienten mit r/r DLBCL (Kohorte 1) und 24 Patienten mit primär mediastinalem B-Zell-Lymphom oder transformiertem follikulärem NHL (Kohorte 2) untersucht. Nach einer lymphodepletierenden Therapie erhielten die Patienten eine CAR-T-Dosis von 2,0 × 10<sup>6</sup>/kg Körpergewicht. Die Patienten hatten im Median 3 Vortherapien (1–7), einschließlich autologer Stammzelltransplantation (ASCT) in 21 % . Eine „Bridging“- Therapie war nicht erlaubt. An spezifischer Toxizität wurden ein CRS bei 93 % (Grad ≥III: 13 % ) und neurologische Toxizität (NT) bei 64 % (Grad ≥III: 28 % ) beobachtet. Die ORR lag bei 82 % mit einer CR von 54 % . Interessanterweise konvertierten 41 % der Patienten mit PR während der Nachbeobachtung zu CR.<sup>2</sup><br /> Im JULIET-Trial wurden 111 Patienten mit r/r DLBCL behandelt, wobei nach lymphodepletierender Therapie eine mediane Einzeldosis Tisagenlecleucel von 3,0 × 10<sup>8</sup> (Bereich: 0,1–6,0 × 10<sup>8</sup>) CAR-T-Zellen verabreicht wurde. Bei 92 % der Patienten wurde eine „Bridging“-Therapie vor der Zellgewinnung bis zur Reinfusion verabreicht. Im Median hatten die Patienten bereits 3 Vortherapien (1–8) inkl. ASCT (49 % ) erhalten. An spezifischen Nebenwirkungen wurden ein CRS in 58 % (Grad ≥III: 22 % ) und eine NT in 21 % (Grad ≥III: 14 % ) beobachtet. Die ORR betrug 52 % mit 40 % CR. Bei jenen Patienten, die nach drei Monaten eine CR erreicht hatten, betrug die Chance auf eine anhaltende Remission nach einem Jahr ermutigende 80 % .<sup>3</sup><br /> Für ein drittes Produkt, Lisocabtagen maraleucel, läuft derzeit die globale Zulassungsstudie. In einer Vorstudie wurde Lisocabtagen maraleucel in einer definierten CD4:CD8-Ratio von 1:1 in unterschiedlichen Dosisstufen (DL1 5 x 10<sup>7</sup>, D1 1 x 10<sup>8</sup>) nach lymphodepletierender Therapie verabreicht. Kohorte „Full“ umfasste 102 Patienten mit DLBCL, NOS (de novo oder transformierte FL), High-Grade-B-Zell- Lymphomen („double/triple hit“), DLBCL aus CLL oder MZL, PMBCL, FL3B und MCL, Kohorte „Core“ umfasste 73 Patienten mit DLBCL, NOS (<em>de novo</em> oder transformierte FL) oder High-Grade-B-Zell-Lymphom („double/triple hit“). Die Patienten hatten im Median 3 Vortherapien (2–8) einschließlich ASCT (37 % ) erhalten. Eine „Bridging“-Therapie war erlaubt. Die spezifischen Toxizitäten waren CRS in 37 % (Grad ≥III: 1 % ) und NT in 23 % (Grad ≥III: 13 % ). Die ORR in „Full“ und „Core“ waren 74 % bzw. 80 % (52/65); die CR-Rate betrug 52 % in „Full“ und 55 % in „Core“.<sup>4</sup></p> <h2>Neue Therapieoptionen</h2> <p>Trotz sehr ermutigender Erfolge bei rezidivierter ALL und DLBCL haben jene Patienten, die nur eine partielle Remission oder weniger erreichen, nach wie vor eine Lebenserwartung von 5 Diesen Verlust zu kompensieren könnte durch „targeting“ eines weiteren Epitops gelingen. So konnte in einer Studie an 21 Patienten mit r/r ALL, davon 17 Patienten, die bereits zuvor CD19-CAR-T-Zellen erhalten hatten, mit einem nachfolgenden CD22-CAR-T-Produkt bei 73 % (11/15) eine CR mit einer medianen Remissionsdauer von 6 Monaten beobachtet werden.<sup>6</sup> Alternativ ist auch der Einsatz von sogenannten bispezifischen CAR-T-Zellen möglich, die gleichzeitig gegen CD19 und CD22 gerichtet sind. In einer Phase-I-Studie an 4 pädiatrischen Patienten mit ALL und ZNSBeteiligung konnte bei allen Patienten eine CR erreicht werden, die Toxizität war nicht additiv erhöht (CRS Grad I: 1, CRS Grad II: 2).<sup>7</sup><br /> Als weiterer Mechanismus einer verminderten Aktivität konnte eine Expression von Checkpoint-Proteinen, wie PD-1 und PD-L1, sowohl auf CAR-T-Zellen als auch innerhalb des Mikroenvironments nachgewiesen werden. Durch Verabreichung von Checkpoint-Inhibitoren kann eventuell die Aktivität von CAR-T-Produkten verbessert werden. Im ZUMA-6-Trial erhielten 12 Patienten Axicabtagen-Ciloleucel in Kombination mit dem Anti- PD-L1-Antikörper Atezolizumab, wobei 75 % der Patienten ≥3 Vorbehandlungen hatten. An Toxizität wurden CRS (≥ Grad III: 33 % ) und NT (≥ Grad III: 67 % ) beobachtet, bei den auswertbaren Patienten war die ORR 90 % , die CR 60 % .<sup>8</sup><br /> Eine Weiterentwicklung von CAR-T ist möglich durch Hinzufügen von weiteren kostimulatorischen Domänen (3. Generation) oder Konstruktion von sog. TRUCK („T cells redirected for universal cytokine killing“) (4. Generation), die proinflammatorische Zytokine induzieren.<sup>9</sup> Dieser Ansatz könnte insbesondere bei soliden Tumoren vielversprechend sein.<br /> Eine weitere Möglichkeit ist die Produktion allogener CAR-T, die eine leichtere Verfügbarkeit von CAR-T ermöglichen. In einer Phase-I-Studie wurden bei 6 pädiatrischen Patienten mit r/r B-ALL allogene CD19-CAR-T-Zellen (UCART19) eingesetzt. Ein CRS trat bei allen Patienten auf (Grad III: 1), bei einem Patienten trat eine akute GVHD (Grad I) der Haut auf. Insgesamt zeigten 5/6 Patienten ein Ansprechen, allerdings trat bei zwei ein Rezidiv nach 3 Monaten auf.<sup>10</sup><br /> Neben den Entwicklungen der CAR-TZelltherapie bei ALL und DLBCL werden gegenwärtig natürlich auch andere Entitäten erforscht. Ein Beispiel dafür ist ein CD30-CAR-T-Produkt, das bei 18 r/r Patienten mit CD30+ Hodgkin- (HL) und Non-Hodgkin-Lymphom eingesetzt wurde (16 HL, 1 Enteropathie-assoziiertes T-Zell- Lymphom, 1 Sézary-Syndrom). Alle Patienten hatten zuvor Brentuximab-Vedotin, 13 Patienten eine Checkpoint-Inhibitor- Therapie, 14 Patienten ASCT und 7 eine allogene SCT erhalten. Von den 18 Patienten befanden sich 4 vor der Infusion aufgrund der „Bridging-Therapie“ in einer CR. Bei 14 Patienten mit Krankheitsaktivität war die ORR 50 % , mit CR bei 43 % .<sup>11</sup> Beim multiplen Myelom (MM) werden CAR-T-Zellen eingesetzt, die gegen das „Bcell maturation antigen“ (BCMA) gerichtet sind. In einer Studie erhielten die Patienten eine Dosis von 150 × 10<sup>6</sup> CAR-T-Zellen, 7 hatten bereits eine ASCT als Vortherapie. Das Ansprechen war wie folgt: sCR: 1, VGPR: 3 und PR: 2.<sup>12</sup> In einer weiteren Studie wurden LCAR-B38MCAR-T-Zellen eingesetzt, welche an zwei unterschiedliche BCMA-Epitope binden. Bei 57 intensiv vorbehandelten Patienten mit r/r MM wurden im Median 0,5 × 106 Zellen/kg (0,07–2,1 × 10<sup>6</sup>) als 3 Infusionen (20, 30 und 50 % ) verabreicht. AE ≥ Grad 3 waren in 65 % zu beobachten, nach einem Follow-up von 8 Monaten fand sich eine ORR von 88 % .<sup>13</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Weitere Studien sind erforderlich, um die Sicherheit und den Stellenwert der CAR-T-Zell-Therapie zu bewerten und in Zukunft in Therapiealgorithmen zu integrieren. Gegenwärtig sind bereits randomisierte Studien für Patienten mit DLBCL im ersten Rezidiv geöffnet, die die konsolidierende Wirkung von CAR-T-Zellen gegen den Einsatz der Standardtherapie ASCT überprüfen. Herausforderungen der CAR-T-Zelltherapie stellen die nach wie vor komplizierte Logistik sowie die hohen Kosten dar. Allogene CAR-T-Produkte könnten dazu beitragen, Kosten zu senken und einen schnellen Zugang zu ermöglichen. Der Einsatz von CAR-T-Produkten bei weiteren Entitäten ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Maude SL et al.: Tisagenlecleucel in children and young adults with B-cell lymphoblastic leukemia. N Engl J Med 2018; 378(5): 439-48 <strong>2</strong> Neelapu SS et al.: Axicabtagene ciloleucel CAR T-cell therapy in refractory large B-cell lymphoma. N Engl J Med 2017; 377(26): 2531-44 <strong>3</strong> Schuster SJ et al.: Tisagenlecleucel in adult relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma. N Engl J Med 2019; 380(1): 45-56 <strong>4</strong> Abramson JS et al.: Updated safety and long term clinical outcomes in TRANSCEND NHL 001, pivotal trial of lisocabtagene maraleucel (JCAR017) in R/R aggressive NHL. J Clin Oncol 2018; 36: Abstr. #7505 <strong>5</strong> Brudno JN, Kochenderfer JN: Chimeric antigen receptor T-cell therapies for lymphoma. Nat Rev Clin Oncol 2018; 15(1): 31-46 <strong>6</strong> Fry TJ et al.: CD22-targeted CAR T cells induce remission in BALL that is naive or resistant to CD19-targeted CAR immunotherapy. Nat Med 2018; 24(1): 20-8 <strong>7</strong> Schultz LM et al.: Phase 1 study of CD19/CD22 bispecific chimeric antigen receptor (CAR) therapy in children and young adults with B cell acute lymphoblastic leukemia (ALL). Blood 2018; 132(Suppl 1): 898 <strong>8</strong> Jacobson CA et al.: End of phase 1 results from Zuma-6: axicabtagene ciloleucel (Axi-Cel) in combination with atezolizumab for the treatment of patients with refractory diffuse large B cell lymphoma. Blood 2018; 132(Suppl 1): 4192 <strong>9</strong> Chmielewski M et al.: Of CARs and TRUCKs: chimeric antigen receptor (CAR) T cells engineered with an inducible cytokine to modulate the tumor stroma. Immunol Rev 2014; 257(1): 83-90 <strong>10</strong> Qasim W et al.: Phase I study of UCART19, an allogeneic anti-CD19 CAR T-cell product, in high risk pediatric patients with CD19+ relapsed/refractory (R/R) B-cell ALL: preliminary results of AQ9 PALL study. EHA Learning Center Jun 15, 2018: PF175 <strong>11</strong> Grover NS et al.: Clinical responses to CAR. CD30-T cells in patients with CD30+ lymphomas relapsed after multiple treatments including brentuximab vedotin. Blood 2018; 132(Suppl 1): 681 <strong>12</strong> Shah N et al.: Initial results from a phase 1 clinical study of bb21217, a next-generation anti Bcma CAR T therapy. Blood 2018; 132(Suppl 1): 488 <strong>13</strong> Zhao W-H et al.: Updated analysis of a phase 1, open-label study of LCAR-B38M, a chimeric antigen receptor T cell therapy directed against B-cell maturation antigen, in patients with relapsed/refractory multiple myeloma. Blood 2018; 132(Suppl 1): 955</p>
</div>
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