Clinical Practice Guideline: HIV-assoziierte Lymphome
Unser Gesprächspartner:
Prof. Dr. Kai Hübel
Oberarzt der Klinik I für Innere Medizin
Universitätsklinikum Köln
E-Mail: kai.huebel@uk-koeln.de
Bericht:
Ingeborg Morawetz, MA
Die Leitinie zu Diagnose, Therapie und Follow-up bei HIV-assoziierten Lymphomen ist eine EHA-ESMO-Leitlinie, herausgegeben von den beiden europäischen hämatoonkologischen Organisationen EHA und ESMO. Sie wurde im Juni 2024 erstpubliziert und fokussiert auf Lymphomerkrankungen, die bei Personen entstehen, die mit HIV infiziert sind. Diese Lymphome sind selten, aber hochrelevant, weil die Haupttodesursache bei Personen, die mit HIVinfiziert sind, heutzutage nicht mehr opportunistische Infektionen sind, wie es früher der Fall war, sondern Krebserkrankungen. An erster Stelle stehen die Lymphomerkrankungen.
HIV-negative vs.HIV-assoziierte Lymphome
Wenn Ärzt:innen mit einem HIV-assoziierten Lymphom konfrontiert sind, stellt sich die Frage, wie sie damit umgehen sollen, denn es gibt auf jeden Fall Besonderheiten zu beachten. Nicht alles, was bei HIV-negativen Lymphomen gemacht wird, ist 1 zu 1 übertragbar auf die HIV-assoziierten Lymphome.
In der Leitlinie werden zunächst die einzelnen HIV-assoziierten Lymphome aufgeführt. Sehr häufige HIV-assoziierte Lymphome sind zum Beispiel die diffusen großzelligen Lymphome oder das Burkitt-Lymphom. Aber auch die seltenen HIV-assoziierten Lymphome wie die plasmoblastischen Lymphome oder die primären Effusions-Lymphome werden in der Leitlinie behandelt. Zu jedem Lymphomtyp bespricht die Leitlinie alle relevanten klinischen Aspekte.
Die Unterschiede
HIV-assoziierte Lymphome sind nicht einfach Lymphome – ganz wichtig ist es bei ihnen zum Beispiel, die antiretroviralen Therapien, die ART, mit einzubeziehen. Sie sind ein bedeutender Bestandteil der HIV-Therapie. Seit es die moderne ART gibt, die aus drei Substanzen besteht, hat sich die Prognose der Patient:innen mit HIV-Lymphom dramatisch verbessert. Trotzdem kann man die ART nicht kritiklos einsetzen, es gibt Interaktionen zu beachten. Auch darauf geht die Leitlinie ein und inkludiert die Empfehlungen von Infektiolog:innen.
Weitere Unterschiede zu HIV-negativen Lymphomen gibt es in der Diagnostik. Die PET-Diagnostik ist heutzutage ein wichtiges Instrument bei Lymphomen, muss aber bei HIV-assoziierten Lymphomen ebenfalls mit Vorsicht eingesetzt werden, da es auch hier zu Wechselwirkungen mit Infektionen kommen kann.
Bei der Therapie von HIV-negativen Lymphomen kommt oft die CAR-T-Zell-Therapie zum Einsatz. Die Studien dazu haben jedoch Patient:innen mit HIV-assoziierten Lymphomen fast immer ausgeschlossen. Das heißt, dass es nur wenige Daten zu CAR-T-Zellen bei HIV-Patient:innen gibt – diese wenigen Daten suggerieren aber, dass ein Einsatz möglich ist. Die Empfehlung in der Leitlinie besagt: CAR-T-Zell-Therapie kann bei HIV-assoziierten Lymphomen angewandt werden, wenn ein guter Immunstatus vorliegt.
Das Burkitt-Lymphom wird bei HIV-negativen Patient:innen sehr intensiv therapiert. Die Frage ist, ob man diese intensive Therapie auch bei HIV-Patient:innen durchführen kann. Es gibt gewisse Einschränkungen, aber mittlerweile auch gute alternative Therapien für Patient:innen, die einer sehr intensiven Therapie nicht mehr zugänglich sind. Ein Beispiel ist das Regime „dose-adjusted“ EPOCH-R.
Auch wenn die sehr seltenen Lymphome auftreten, sind Anleitungen zur spezifischen Behandlung nötig und in der Leitlinie zu finden.
Gut behandelbar
Auch wenn das Wissen zu HIV-negativen Lymphomen nicht direkt auf HIV-assoziierte übertragbar ist, ist es wichtig, zu wissen, dass HIV-assoziierte Lymphome gut behandelt werden können, wenn man sich an den Leitlinien orientiert. Und es ist wichtig, dass eine solche Behandlung im Team erfolgt, das heißt in der Kooperation von Hämatoonkologie und Infektiologie.
Wie geht es weiter mit der Leitlinie?
Die Leitlinie ist das Ergebnis der Arbeit eines Gremiums aus 20 internationalen Expert:innen. Es hat über zwei Jahre gedauert, diese Leitlinie zu erstellen. Es gab sehr intensive Diskussionen, was zeigt, wie wenig Evidenz für die Behandlung von HIV-assoziierten Lymphomen tatsächlich vorhanden ist. Im Rahmen der Arbeit an der Leitlinie wurde eine europäische Arbeitsgruppe für HIV-assoziierte Lymphome gegründet, deren Aufgabe es unter anderem sein wird, die Leitlinie regelmäßig zu aktualisieren. Die nächste Aktualisierung wird wahrscheinlich in zwei Jahren erfolgen, also Mitte 2026.
Quelle:
Hübel K et al.: Human immunodeficiency virus-associated lymphomas: EHA–ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2024; 35(10): 840-59
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